Workflow: Analog vs. In-The-Box
Auch heute noch existiert die beliebte Diskussion, was besser klingt: ein Mix mit analogem Equipment oder komplett ITB. Abgesehen von der subjektiven Klangwahrnehmung gibt es aber auch viele technische und organisatorische Details, die bei der Umsetzung eine wichtige Rolle spielen. Grund genug, sich die wichtigsten davon mal genauer anzuschauen.
ITB steht für »In The Box« und bedeutet, dass man den Mixprozess komplett im Computer und ausschließlich mit Plug-ins durchführt. Da man über Geschmäcker und Farben aber bekanntermaßen nicht streiten kann und sich die Frage, was besser klingt, nur subjektiv beantworten lässt, wollen wir das Thema eher aus einer technischen Sicht beleuchten und die Vor- und Nachteile beider Ansätze darstellen. So kann jeder selbst über den eigenen Geschmack hinaus entscheiden, welcher Workflow mehr Sinn macht.
Wenn man mit erfahrenen Musikproduzenten über analoges Studioequipment diskutiert, kommt man vor allem ganz schnell auf die unnachahmliche analoge Klangfarbe und das deutlich schnellere Ergebnis beim Mixen zu sprechen. Das scheint auf den ersten Blick nicht ganz logisch zu sein. Denn wie kann man mit analogem Equipment schneller arbeiten? Das ist doch viel umständlicher! Im Grunde ist damit aber gemeint, dass z. B. ein analoger EQ nicht nur ein bestimmtes Band verstärkt oder absenkt, sondern viel, viel mehr macht. Je nach Gainstaging kann das Gerät eine deutliche Klangfarbe bzw. Sättigung festsetzen. Zusätzlich wird das Signal u. U. dichter und durch Abrunden der Transienten auch weicher. D. h., hier bekommt man mehrere klangliche Veränderungen zum Preis von einer. Dafür müsste man im Computer schon mindestens drei Plug-ins bemühen und auch noch halbwegs wissen, wie man zum Ziel kommt. Das macht den Prozess ITB somit langsamer und aufwendiger.
Auf der anderen Seite kann man mit einem analogem Gerät leider auch nur jeweils eine einzige Spur gleichzeitig bearbeiten. D. h., hier muss man das Signal nach der Bearbeitung wieder aufnehmen, damit das Equipment frei wird. Nur so kann man es mehrfach einsetzen. Diese Probleme gibt es mit Plug-ins nicht. Hier können so viele Instanzen geöffnet werden, wie die Leistung des Computers zulässt.
Auch bei der Flexibilität zieht analoges Equipment den Kürzeren – vor allem in der heutigen Zeit, wo man schnell auf kurzfristige Änderungen in letzter Minute regieren können muss. Nicht selten kommt es z. B. vor, dass Gesangsspuren in letzter Minute durch eine neue Version ausgetauscht werden sollen. Jetzt ist man aber unterwegs und befindet sich gerade in einer anderen Stadt oder im wohlverdienten Feierabend, aber die Änderungen werden dringend benötigt, da das Material noch heute zum Fernsehsender muss. In diesem Fall kann ich die entsprechenden Änderungen auf einem Laptop von jedem Ort aus ohne Probleme durchführen – vorausgesetzt, man arbeitet zu 100 % ITB. Wurde analoges Equipment eingesetzt, wird das Ganze schon viel schwieriger. Man benötigt exakt das gleiche Equipment mit der entsprechenden gleichen exakten Einstellung. Andernfalls wird man um einen Kompromiss oder eine Notlösung nicht herumkommen.
Ein nicht zu vernachlässigender Punkt beim Einsatz von analogem Equipment ist auch der benötigte Platz und die Organisation drumherum. Während man mit Plug-ins keine Platzprobleme hat und auch keine entsprechende Peripherie benötigt, muss man bei der Anschaffung von analogem Equipment gut planen. In welchem Rack baue ich die Geräte ein? Wie viele HE hat das Equipment? Wie viele Kanäle muss mein D/A- bzw. A/D Wandler haben, damit ich das Gerät überhaupt einbinden kann? Und was passiert, wenn ich in zwei Jahren ein weiteres Gerät dazukaufe? Das sind nur einige der Fragen, die man sich vorher stellen sollte. Hier sind die Plug-ins deutlich im Vorteil, sodass man seiner Kaufsucht ohne Bedenken nachgeben kann. I.d.R. können Plug-ins auch nicht kaputtgehen. Wir haben zwar sicherlich alle schon mal ein Problem beim Updaten gehabt, aber man muss ja auch nicht updaten, so lange das Projekt noch nicht abgeschlossen ist. Wenn ein Gerät aber unerwartet mitten im Albummix ausfällt und dann erst einmal für vier Wochen in den Service muss, lässt sich schon deutlich schlechter planen und stellt sicherlich noch einmal eine ganz andere Dimension von Problem dar. Das sind nur einige der Punkte, die neben dem Klang eine wichtige Rolle bei der Entscheidung spielen können.
Video-On-Demand – Drums mischen mit Waldemar Vogel