Tonstudio 2.0 – Strategien für moderne Studios
Studio Hermit wurde 2019 von Fabian Ott gegründet, der seitdem großen Wert auf die Zufriedenheit seiner Kunden legt. Als Produzent und Mixing-Ingenieur hat er sich auf die Genres Hip-Hop, RnB und Urban Pop spezialisiert und sieht sich als idealen Ansprechpartner für Produktionen in diesen Bereichen. Für Fabian steht die Bedeutung der Musik und des Künstlers selbst im Fokus und widmet sich diesen mit besonderer Aufmerksamkeit.
(Bild: Studio Hermit)
In Episode #186 unseres Studiosofa-Podcasts sprechen Klaus Baetz und Marc Bohn mit Fabian über die Herausforderungen und Möglichkeiten in der sich ständig verändernden Welt der Musikproduktion. Fabian teilt dabei seine persönlichen Erfahrungen, die Studio Hermit erfolgreich gemacht haben. Wir sprechen mit ihm auch über Investitionen in Equipment und Werbung, die Herausforderung, sich an den digitalen Markt anzupassen, den Netzwerkaufbau sowie Kundenakquise.
Klaus Baetz: Was ist für dich bei der Investition in Equipment, egal ob Hard- oder Software, besonders wichtig?
Fabian: Den größten Sprung habe ich mit meinen Studiomonitoren gemacht. Wobei man da natürlich zuerst darauf achten muss, den Raum akustisch zu optimieren. Man kann tolle Studiomonitore in einen Raum stellen; wenn der Raum allerdings scheiße klingt und du nicht das hörst, was du hören solltest, dann bringen dir auch tolle Monitore nichts. Eine gute Abhörumgebung ist das beste Investment, das man machen kann. Ich nutze aktuell die Neumann KH 320. Davor bin ich von den KRK 8 auf die Neumann KH 120 gewechselt und bin jetzt bei den KH 32 gelandet. Vielleicht leiste ich mir demnächst die PSI A23, das sind auch sehr gute Studiomonitore, mal schauen. (lacht)
Klaus: Du hast deine Abhörumgebung durch die Studiomonitore stetig Schritt für Schritt weiterentwickelt, richtig?
Ja, man wächst mit seinen Skills auch in sein Equipment rein. Klar ist es cool, direkt in ein Riesen-Studio reinzukommen. Aber ich bin jeden Schritt durchgegangen, angefangen von einem Focusrite Audio-Interface mit Mikrofon und einem Mic Screen in meinem Kinderzimmer, bis ich jetzt hier in meinem Studio sitze. Ich kenne jedes Teil, ich weiß, wo jede Schraube sitzt, wie alles verkabelt ist. Und das fühlt sich richtig gut an.
Eine gute Aufnahmekette ist auch sehr wichtig. Wir wissen alle, dass man mittlerweile in-the-box sehr gut Mischen und Mastern kann. Aber in eine gute Abhörumgebung und eine gute Aufnahmekette sollte investiert werden.
(Bild: Studio Hermit)
Typfragen:
- Mac oder PC
- 1176 oder LA2A
- Analog oder Digital
- EQ vor oder hinter den Kompressor (beides)
- 44,1 oder 48 kHz
- U47 oder U87 (Horch RM2J)
- Vinyl oder CD
- Früh raus oder spät ins Bett?
- Wein oder Whiskey?
Klaus: Wenn man ein kleines Studio betreiben will, ist der Sound natürlich wichtig, aber gleichzeitig muss es auch zügig funktionieren. Wie denkst du Workflow-optimiert?
Viele aktuelle Hits wurden im Hotelzimmer mit nur einem Laptop, einem Audio-Interface und einem Mikrofon produziert. Performance ist eigentlich alles. Aber wir als Studiobetreiber wollen natürlich das Beste rausholen, und dann fangen wir natürlich auch an und überlegen, an welcher Stellschraube man drehen kann, um das Beste rauszuholen. Und da, finde ich, ist eine gute Aufnahmekette das Beste, was du machen kannst. Beste Performance, ein ordentliches Mikrofon, ein schöner Preamp. Je nachdem, ob ich was Färbendes oder etwas Klares haben möchte. Ich nutze gerne den Neve 1073 SPX, der mir einen sehr vollen warmen Sound gibt. Ich nutze aber auch einen Avalon M5, der sehr transparent ist. Damit bekomme ich eher etwas Kristallklares. Das ist abhängig von der Stimme. Und da muss man schauen, was eben besser passt. Ich probiere immer beide Preamps sowie meine beiden Go-To-Mikrofone aus. Eines davon funktioniert zu 100 Prozent.
Das sind natürlich große finanzielle Investitionen. Man verkauft den Künstlern aber auch einen Mehrwert. Entweder erkennen sie das und zahlen den Preis auch gerne, oder sie erkennen es nicht, was völlig in Ordnung ist, und gehen eben woanders hin und werden da vielleicht auch glücklich.
Marc Bohn: Was ist für dich die größte Herausforderung bei der Entwicklung am digitalen Markt und des Konsumverhaltens. Wie stellst du dich da auf? Macht es überhaupt noch Sinn, Alben zu produzieren?
Da gibt es mehrere Fronten: Auf der einen Seite kann jeder, der ein gutes Mikrofon und ein bisschen Ahnung hat, zu Hause ein richtig gutes Recording hinbekommen und auch veröffentlichen. Da ist dann die Frage: Wo hole ich diese Menschen ab? Kann ich denen einen Mehrwert mit Mixing oder Mastering liefern und meine Expertise anbieten?
Bei den Veröffentlichungen geht der Trend klar hin zu Singles. Es kommen erst zwei bis drei Songs als Single, danach kommt ein Album, in dem diese Songs schon integriert sind. Das pusht die Streaming-Zahlen.
Mir persönlich macht es sehr viel Spaß, Alben zu hören, wenn man merkt, die sind aus einem Guss und erzählen eine Geschichte. Für kleinere Künstler ist der Mehrwert allerdings am größten, wenn Singles released werden. Denn die müssen es zuerst einmal schaffen, sich eine Fanbase aufzubauen. Und so ein Album ist natürlich schon eine Investition. Wenn ich ein Album produziere und veröffentliche, und das verpufft, weil die Hörerschaft noch gar nicht da ist, wäre das extrem schade, weil in die Produktion so viel Energie reingesteckt wurde, die dann gar nicht dort ankommt, wo sie ankommen sollte.
Marc: Wie stellst du dein Business auf diese Entwicklung ein? Bei einer Album-Produktion ist man länger in einer Session eingebunden. und alles andere zieht vorbei.
Es hat alles seine Vor- und Nachteile. Einerseits kann ich, wenn ich dieses Album produziere und vier bis fünf Monate nur auf diesem Album sitze, künstlerisch was ganz Großartiges erschaffen. Und auf der anderen Seite kann ich durch die Single-Releases Kontinuität reinbringen und schneller was veröffentlichen. Ich mache beides gerne. Es ist schön, wenn man mehrere Single-Releases hat, da man mit mehreren Künstlern gleichzeitig arbeitet. Und das gibt immer sehr viel Input durch verschiedene Menschen, verschiedene Denkweisen, verschiedene Ansichten, ganz verschiedene Kosmen.
Bei einer Albumproduktion hängt man eben mehrere Monate mit denselben Menschen aufeinander. Danach ist es dann auch schön, wenn man sie wieder los ist. (lacht)
Marc: Du siehst die Entwicklung, dass jeder heute Musik veröffentlichen kann, also als Chance?
Ja, wenn der Künstler etwas zu erzählen hat und authentisch ist. Wir brauchen aber nicht den 365. Rapper, der über seinen AMG rappt. Aber hast du etwas aus deinem Leben zu erzählen, was dich beschäftigt und woran du gewachsen bist und willst deine Erfahrungen teilen, ist das interessant. Da sind wir wieder beim Mehrwert. Und da gibt es immer Zuhörer, die das hören wollen.
Klaus: Wie sieht dein Networking aus? Wie pflegst du Partnerschaften und baust Kollaborationen auf?
Ich glaube, ich bin im Networking begabt, weil ich offen auf Menschen zugehe und mich auch wirklich für die Person interessiere und sage: Du hast was, dass mich weiterbringt, ich habe etwas, dass dich vielleicht weiterbringt: Let´s go! Das ist einfach in mir drin.
Zusammen mit Studiokollegen haben wir einen morgendlichen Call. Wir sind während der Arbeit alle allein, und da ist es schön, sich morgens mal kurz zusammenzusetzen, und jeder erzählt, was bei ihm los ist, was ansteht und was gerade die Herausforderungen sind. Wir geben dort auch Mix-Feedbacks und untereinander Hilfestellungen. So optimiert man sich auch als Truppe. Mittlerweile sind daraus echte Freundschaften gewachsen.
Man selbst ist immer in seiner Bubble und hat eben nur seinen Blick auf Dinge. In der Gruppe ist es schön, Ansichten zu teilen. Nur so kann man über den Tellerrand schauen und seinen Horizont erweitern.
Klaus: Wie sieht für dich der Wettbewerb aus? Wie gehst du mit ihm um, und wie groß ist die Konkurrenz überhaupt?
Die Konkurrenz, wenn man sie so nennen will, sind super Kollegen. Ich denke, wenn ein Künstler mit dir zusammenarbeitet und er zufrieden ist, er allerdings mal einen anderen Sound ausprobieren will und einfach mal mit jemand anderem arbeiten möchte, um sich weiterzuentwickeln, dann ist das völlig in Ordnung. Dann kommt aber auch mal ein Künstler von jemand anderem zu mir, weil dieser auch etwas anderes ausprobieren möchte. Da ist irgendwo ein Mangel-Mindset, wenn ich sage: Alle Künstler müssen bei mir sein! Das funktioniert aber nicht. Ich schiebe oft Künstler zu jemandem, mit dem ich zusammenarbeite, und ich weiß, dass die eine super Arbeit machen und zufrieden sein werden. Darüber tauschen wir uns auch in unseren täglichen Calls aus!
Marc: Mir ist in Social Media deine Anzeige aufgefallen, in der du im Video dich und dein Studio kurz vorstellst. Welche Strategie verfolgst du im Marketing, und was sind für dich die wichtigsten Kanäle?
Da bin ich selbst noch dabei herauszufinden, was der beste Weg ist. Ich habe eigentlich keine Lust, irgendwelchen Leuten mit den ganzen Superlativen etwas zu verkaufen. Entweder checken die Leute: Das, was ich mache, ist cool und klingt gut, und die Person ist die, mit der ich Bock habe zu arbeiten, oder nicht. Klar, am Ende des Tages muss der Job uns das Brot auf den Tisch bringen. Ich muss aber nicht auf Biegen und Brechen den Leuten meinen Mix andrehen. Da versuche ich gerade herauszufinden, wie man das authentisch und cool machen kann, damit die Leute Lust haben, mit mir zu arbeiten. Da ist für mich die beste Methode, im Video einen Einblick in den Studioalltag zu geben.
Was glaubt du, wie sich das Tonstudio-Business in der Zukunft verändern wird und wodurch? Vielleicht durch die KI?
Das ist eine schwierige Frage. Es ändert sich ständig irgendwas. Viele große Studios werden zu kleineren Projektstudios. Und dennoch haben die großen Studios ihre Projekte, genauso wie die kleineren. Bedroom Producer machen auch ihre Sachen. Jetzt kommen die KI und Dolby Atmos dazu. Wobei ich nicht glaube, dass kein Stereo mehr gehört wird und nur noch in Atmos. Und dann gibt es ja auch immer noch Vinyl. Ich glaube, dass sich das Ganze nur noch erweitert, aber nicht, dass irgendwas massiv wegbrechen wird.
>> www.soundandrecording.de/studiosofa
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