Entschleunigungsmaschine Tascam Model 12 – Mixer, Interface, Recorder & Controller im Test von Dr. Andreas Hau, 21. Januar 2021 teilen teilen Anzeige Tascam Model 12 Die meisten von uns verbringen ihren Arbeitstag vor dem Computer. Da wäre es doch schön, in der Freizeit nicht auf einen Bildschirm starren zu müssen. Genau das verspricht Tascam mit dem Model 12: ein Mischpult mit integriertem Multitrack-Recorder. Musikmachen wie in alten Zeiten, aber mit modernem Komfort! Und weiteren Extras. Ein Blick in den Karton, und schon wird mir warm ums Herz! Ein Mischpult mit richtigen Knöpfen, das noch dazu autark aufnehmen kann. Ich fühle mich an meine ersten Gehversuche mit einem Vierspur-Kassettenrekorder erinnert. Der war von Yamaha, aber erfunden wurde diese Recording-Revolution von Tascam. Mit dem 1979 vorgestellten Portastudio 144 nahm Bruce Springsteen innerhalb weniger Tage sein von der Kritik hochgelobtes Album Nebraska auf und quasi zeitgleich die Demos für seinen Megaseller Born in the USA. Ich rechne fest damit, dass mir Ähnliches gelingt, denn das Tascam Model 12 ist seinem Urahn in jeder Beziehung haushoch überlegen! Anzeige Überblick Das Tascam Model 12 bietet zehn Mixerkanäle; die ersten sechs sind Mono-Kanalzüge mit Mic/Line/Instrument-Eingängen; zwei weitere Kanalzüge sind stereo, können aber auch mono genutzt werden. Alle Mixerkanäle haben die gleiche Ausstattung: Die Eingangssektion bietet Gain-Regler, Low-Cut und einen Button zur Impedanzumschaltung des Klinkeneingangs zwischen Line-Modus (22 kOhm) und Instrument-Modus (1 Megaohm). Es folgt ein Quellen-Umschalter: Jeder Kanal kann wahlweise das Eingangssignal oder das aufgenommene Signal wiedergeben. Da das Model 12 sich auch als Audio-Interface nutzen lässt, kann auch der Mac/PC als Eingangsquelle gewählt werden. Tascam bietet mit dem Model 16 und Model 24 bereits zwei größere Geräte dieses Typs an. Das Model 12 ist aber nicht einfach nur eine kleinere Version! Während es sich bei Model 16 und 24 um Analogmischer handelt, arbeitet Model 12 hinter der Eingangssektion digital. Analogfreaks sollten dennoch weiterlesen, denn die digitale Betriebsart eröffnet neue Verwendungsmöglichkeiten. Dazu später mehr! Die Mischpultsektion beginnt ungewöhnlich luxuriös mit einem Kompressor, der mit einem einzigen Knopf auskommt. Der EQ arbeitet dreibandig. Bass und Höhenregler greifen bei fixen 80 Hz bzw.10 kHz; die semiparametrischen Mitten sind von 100 Hz bis 8 kHz durchstimmbar. Es folgen zwei Aux-Wege, von denen der erste als Monitorweg vorgesehen ist; der zweite lässt sich ebenfalls als Monitorweg nutzen, ist aber primär als Send für den eingebauten Effektprozessor vorgesehen. Letzterer bietet 16 Programme, die von Hall über Delay bis Chorus und Flanger die üblichen Standards abdecken. Übersichtliches, »analoges« Bedienfeld trotz digitaler Technik Die Kanalzüge verfügen selbstverständlich über Pan-Regler bzw. Balance-Regler im Fall der Stereokanäle. Die 60-mm-Fader sind zwar kurz, laufen aber geschmeidig. Jeder Kanal hat außerdem Mute- und Solo-Buttons und lässt sich auf die Stereosumme (Main) und/oder den Sub-Bus routen. Letzterer ist ein simpler Stereokanal mit Fader und Mute-Taste. Die Mastersektion umfasst einen eigenen EQ, der wie die Kanal-EQs ausgelegt ist. Wahlweise kann der EQ auf den Main-Out oder die Aux-Outputs 1/2 gelegt werden. Die Monitoring-Sektion bietet zwei Kopfhörerausgänge, die mit der Stereosumme oder den Aux-Sends beschickt werden können. Auf dem rückseitigen Anschlussfeld finden wir acht Combobuchsen für Mic/Line/Instrument-Signale. Die Stereokanäle 7/8 und 9/10 verfügen zusätzlich über Klinkenbuchsen für den jeweils rechten Kanal; stereo lassen sich diese Kanäle also nur mit Line-Signalen beschicken. Die ersten beiden Kanäle sind zusätzlich mit Inserts ausgestattet. Die Main-Outs sind als XLR-Steckverbinder ausgeführt; Sub- und Aux-Ausgänge müssen sich mit symmetrischen Klinkenanschlüssen begnügen. Zur Spannungsversorgung dient ein externes Netzteil mit verschraubbarem Steckverbinder. Ein paar Extras gibt es obendrauf: Über einen Miniklinkenstecker lassen sich ein Handy, MP3-Player oder Mobilrekorder anschließen. Für Smartphones besteht außerdem die Möglichkeit, drahtlos per Bluetooth mit dem Model 12 Kontakt aufzunehmen. Für einen Multitrack-Rekorder obligatorisch ist ein Fußschalteranschluss, um bei Punch-In/Out beide Hände zum Spielen frei zu haben. Nicht ganz so üblich ist ein Ausgang für den Click des eingebauten Metronoms. Außerdem gibt es MIDI-Anschlüsse. Diese sind vor allem dann interessant, wenn man das Model 12 als Audio-Interface betreibt. Als Schnittstelle dient eine USB-C Buchse, die aber »nur« mit USB-2.0-Geschwindigkeit betrieben wird – was für die überschaubare Kanalzahl genügt. Das Anschlussfeld gleicht dem eines Kompaktmixers. Zusätzlich gibt es ein MIDI-Interface, einen Fußschalteranschluss und einen Metronom-Ausgang sowie eine USB-C-Buchse. Praxis In der Hauptbetriebsart als Mischpult mit integriertem Recorder macht das Model 12 eine prima Figur. Es lassen sich alle zehn Mixerkanäle sowie die Stereosumme aufzeichnen; das macht zwölf Aufnahmekanäle. Natürlich darf man angesichts des Preises keine Hi-End-Leistungen erwarten. Als Abtastraten stehen 44,1 und 48 kHz zur Auswahl, die Wortbreite kann auf 16 oder 24 Bit gesetzt werden; Letzteres ist unbedingt zu bevorzugen, um den Dynamikumfang voll auszuschöpfen, der sich laut meiner Messungen auf 106 dB beläuft. Die Gesamtverzerrungen für AD- und DA-Wandlung habe ich im Loop-Test mit 0,0025% gemessen. Nach heutigen Maßstäben sind das keine Spitzenwerte, aber in den 90ern hat man mit Wandlern dieser Güteklasse legendäre Platten produziert. Aufgezeichnet wird auf SD-Karten, die mindestens Class-10-Geschwindigkeit bieten müssen. Unter den von Tascam explizit getesteten Karten sind welche mit 512 GB: Das sollte für mehrere Alben reichen. Trotz der digitalen Technik ist die Arbeitsweise fast wie beim alten Vierspur-Rekorder (der inzwischen ja wieder Kult ist). Es gibt keine multiplen Takes und lediglich ein einfaches Undo. Spielfehler lassen sich nur per Punch-In/Out korrigieren. Was aber auch einen erzieherischen Effekt hat: Man ist beim Aufnehmen fokussiert. Das Mischpult bietet alles, was man braucht. Die Mikrofon-Preamps sind von ordentlicher Qualität und rauschen wenig. Für Kondensatormikros lässt sich – leider nur global – Phantomspeisung zuschalten, die mit 47,85 Volt und einem Maximalstrom von 13,6 mA ordnungsgemäß funktioniert. Der 1-Knopf-Kompressor macht seine Sache gut. Trotz der minimalen Einstellmöglichkeiten kommt man meist zum gewünschten Ergebnis, ganz ohne Fummelei. Ähnliches gilt für den EQ, der sich zwar nicht so detailliert einstellen lässt, wie man es heute von Plug-ins gewohnt ist, aber er klingt recht sauber und ist aufgrund der digitalen Arbeitsweise sehr rauscharm. Der eingebaute Effektprozessor ist nur Hausmannskost; er genügt aber fürs Monitoring bzw. für einen Rough-Mix. Wer besonders gelungene Aufnahmen final veredeln möchte, kann die Spuren ja in die DAW importieren. Das Model 12 wird dann nicht arbeitslos, weil man es auch als Audio-Interface und/oder DAW-Controller verwenden kann. (Bild: Dr. Andreas Hau) Als Audio-Interface eingebunden, lassen sich im Multichannel-Modus zwölf Eingänge und zehn Ausgänge adressieren. Auch die MIDI-Schnittstelle wird unterstützt. Die Latenz-Performance ist eher mittelmäßig. Auf meinem Windows-10-Rechner mit Achtkernprozessor (Intel Core i9 9900K, 64 GB RAM) läuft der Treiber ab einer Puffereinstellung von 32 Samples ohne Aussetzer; die Ein- und Ausgangslatenzen meldet Cubase 10.5 mit 1,72 und 5,74 ms. Bei weniger leistungsfähigen Rechnern wird man auf mindestens 64 Samples (2,45 und 6,51 ms) gehen müssen. Auf meinem MacBook Pro (Core i7 @ 4x 2,7 GHz, 16 GB RAM, macOS 10.15.6) läuft das Model 12 ab dem 32 Samples-Setting rund; Cubase meldet Ein- und Ausgangslatenzen von 4,04 und 3,83 ms. Die DAW-Controller-Funktion habe ich ebenfalls unter Cubase getestet. Im ersten Moment ist es verblüffend, dass sich die DAW über einen vermeintlich (!) normalen Mixer steuern lässt. Das Model 12 ist aber halt kein normaler Mixer, und die Steuerfunktionen ergeben sich nur deshalb, weil das Gerät intern digital arbeitet und somit Potiwerte und Schaltzustände in Bits und Bytes ausgelesen werden. Die DAW-Einbindung erfolgt per HUI- bzw. Mackie-Protokoll. Zur Steuerung nutzen lassen sich die Laufwerksfunktionen inklusive des Jog-Wheels, die Rec- Mute- und Solo-Taster sowie die Pan-Regler und Fader der Kanäle 1 bis 10. Die DAW-Spuren lassen sich in Achtergruppen durchsteppen; der DAW-Masterfader bleibt fest dem FX-Fader des Model 12 zugeordnet. Klar, auf Motorfader muss man verzichten; die hätten den Gerätepreis wohl mehr als verdoppelt. Das Tascam Model 12 ist im DAW-Control-Modus gleichzeitig auch als Audio-Interface nutzbar, dann allerdings nur noch zweikanalig; die Recorder-Funktion fällt weg. Im Multichannel-Interface-Modus ohne DAW-Steuerung kann dagegen parallel auf dem internen Rekorder aufgenommen werden. Die Wandler des Model 12 bilden den menschlichen Hörbereich weitgehend linear ab. Das Klirrspektrum besteht fast ausschließlich aus den subjektiv wohlklingenden Komponenten K2 und K3. Harmonische höherer Ordnung kommen kaum vor. Fazit Das kleine Model 12 ist weit mehr, als es scheint! Man kann es ganz old school als »Portastudio deluxe« verwenden: Instrumente anschließen, auf Record drücken und losjammen. Die Klangqualität ist gut, und dank der unkomplizierten Bedienung ist der Spaßfaktor hoch. Wer möchte, kann das Model 12 auch als Audio-Interface verwenden, und zum finalen Abmischen der Tracks in den DAW-Controller-Modus schalten. Letzteren hat das Model 12 seinen größeren (analogen) Kollegen Model 16 und 24 voraus. Der DAW-Controller-Modus lässt sich als Nebenprodukt nämlich nur realisieren, weil der Mixer des Model 12 digital arbeitet. Aber eben nur unter der Haube; die Bedienung ist weiterhin »analog« mit richtigen Knöpfen zum Anfassen. Entschleunigung pur! Hersteller: Tascam UvP / Straßenpreis: 639,– / ca. 585,– Euro Internet: www.tascam.eu Unsere Meinung: +++multifunktional: Mixer, Recorder, Interface, DAW-Controller +++ einfache Bedienung ++ günstiges Preis/Leistungs-Verhältnis + gute Audioqualität – Phantomspeisung nur global schaltbar teilen teilen Schlagwörter: Sound & Recording - Content Schreibe einen Kommentar Antworten abbrechenDeine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.Kommentar * Name * E-Mail * Datenschutzbestimmungen Das könnte dich auch interessieren Tonstudio: Wirtschaftlich fit für die Zukunft Weiterlesen FabFilter Pro-Q 4 jetzt verfügbar Weiterlesen Die Geschichte des Techno Weiterlesen Einzigartige Sounds: Tipps für kreatives Sampling Weiterlesen Welson Syntex – Analoger Monosynth Weiterlesen Mixing: So erkennst du Probleme im Mix Weiterlesen