Legendäre Instrumente – Hohner History
Wenn der Uhrmacherlehrling Matthias Hohner nicht zufällig Mitte des 19. Jahrhunderts eine Mundharmonika-Fabrik in Trossingen besichtigt hätte, würden Stevie Wonders Superstition und die Black Music der 70er-Jahre vermutlich etwas anders klingen. Denn dann gäbe es ja legendäre Hohner-Instrumente wie etwa das Clavinet nicht …
Hohner begann bereits 1857 damit, Mundharfen bzw. Mundharmonikas zu fertigen, und legte so den Grundstein für die Entwicklung zu einem der einflussreichsten deutschen Instrumenten-Unternehmen. Die Traditionsfirma Hohner ist auch heute noch in Trossingen ansässig. Mundharmonikas und Akkordeons von Hohner wurden zu extrem erfolgreichen Exportartikeln, die sich bereits im 19. Jahrhundert millionenfach verkauften. Schon 1879 lieferte das Unternehmen 60% seiner Erzeugnisse nach Amerika. Hohner-Akkordeons und -Mundharmonikas sind immer noch Kult und werden u. a. von Musikern wie Bob Dylan, den Rolling Stones oder Ozzy Osborne eingesetzt.
Hohner Galore
In den 50er-Jahren begann die Firma auch mit der Herstellung von Saxofonen und diversen Tasteninstrumenten, später kamen Transistor-Orgeln, String-Synthesizer und elektromechanische Instrumente wie das Cembalet, das Pianet und natürlich das Clavinet hinzu. Auch Verstärker (Orgaphon) und Drumcomputer (Rhythm 80) brachte die Trossinger Firma auf den Markt. Später stieg Hohner sogar in den Computersektor ein, verkaufte diese Sparte aber bereits 1977 wieder an Nixdorf. In den 80er-Jahren kooperierte Hohner mit Casio und bot u. a. den Casio Sampler FZ-1 in Weiß unter der Bezeichnung HS-1 an (verwendet u. a. von Coldcut); auch der Digital-Synth VZ-1, der mit einer verbesserten PhaseDistortion-Synthese namens iPD arbeitet, kam im silbernen Hohner-Gewand als HS-2 heraus.
Frühe Synths
Hohner beschäftgte sich schon Ende der 40er-Jahre mit der Entwicklung von Synthesizern. Harald Bode und Siegfried Mager entwickelten für Hohner die Multimonica, ein skurriles zweimanualiges Gerät, das einen Synth mit röhrenbasierter Klangerzeugung (Sägezahn/Sinus-Oszillator) mit einer Gebläseorgel kombinierte. Eine Röhren-Klangerzeugung bietet auch das Hohner Electronium, ein monofoner Synthesizer mit 18 Presets und Vibrato mit der Optik eines Akkordeons. Interessant ist auch der Hohner Basset, ein kompakter, monofoner Bass-Synthesizer, welcher auch als Hohner Bass angeboten wurde.
Der Basset besitzt eine zweioktavige, nicht anschlagsdynamische Tastatur und arbeitet mit einer transistorbasierten Klangerzeugung, bei welcher sich alternativ zwei Wellenformen, Sägezahn und Sinus, auswählen lassen. Ansonsten kann man die Lautstärke einstellen und die Attack-Phase mit dem »Perc«- Regler formen. Das Gerät erzeugt einen einfachen, aber warmen Bass-Sound. Der Basset und seine Varianten Bass 2 und 3 (die mehr Klangvariationen bieten) wurden vor allem in den 60er- und frühen 70er-Jahren verkauft.
Ernst Zacharias, genialer Erfinder und quasi der Daniel Düsentrieb des Unternehmens, entwickelte schließlich das legendäre Pianet und viele andere kultige Instrumente mit elektromechanischer Klangerzeugung. Dazu zählen auch das 1968 herausgekommene Clavinet, das Cembalet und das Guitaret, eine Art elektrische Kalimba.
Das erste Pianet brachte Hohner 1962 auf den Markt. Dieses E-Piano war besonders in den 60erund frühen 70er-Jahren ein beliebtes Instrument, da es im Gegensatz zu einem echten Piano oder einem Fender Rhodes leicht zu transportieren und obendrein enorm stimmstabil war. Die Beatles benutzten es u. a. bei den Aufnahmen zu The Night Before, You Like Me Too Much und I’m The Walrus. Noch mehr im Vordergrund stand das Hohner Pianet bei einem der größten Soul-Klassiker, nämlich Family Affair von Sly & The Family Stone. Das Hohner E-Piano wurde außerdem von Acts wie Guess Who, Led Zeppelin (Misty Mountain Hop), ZZ Top und Genesis (Suppers Ready) eingesetzt.
Es gibt eine Vielzahl von Pianet-Varianten: Die ganz frühen Modelle kommen noch ohne Modellbezeichnung aus und besitzen einen integrierten Röhrenverstärker. Es folgten die Modelle C und CH (mit Kopfhöreranschluss), die alle mit Holzfüßen ausgestattet sind. Das Pianet L hat ein noch flacheres Gehäuse und Metallfüße, die Band-Version »Combo« kommt ohne Gestell aus. Die Heimvariante Pianet M bietet zwei eingebaute Lautsprecher und einen Tremolo-Effekt. Das Modell N existiert in mehreren Versionen und war auch mit integriertem Verstärker und Lautsprecher erhältlich. Das letzte Modell-Derivat heißt Pianet T, wobei das »T« wohl für »Tolex« steht. Mit seiner schwarzen Vinylbespannung und den Gummiseitenteilen strahlt es wohl den meisten Sexappeal (plus Road-Tauglichkeit) und die geringste Wohnzimmerromantik aller Pianets aus.
Der Klang wird mithilfe einer entsprechend gestimmten Metallzunge erzeugt, die durch ein adhäsives Gummi-Pad (Sticky Pads/Hammers), das an einem mit der Taste verbundenen Stab befestigt ist, zum Schwingen gebracht wird. Dieses Pad, das normalerweise oben auf der Metallzunge liegt und diese dämpft, ist auf der Unterseite mit einem klebrigen Kunststoff überzogen. Daher wird die Metallzunge beim Drücken der Taste ein wenig angehoben und löst sich dann mit einem Impuls-artigen Geräusch, das die Attack-Phase des Tones markiert. Lässt man die Taste wieder los, liegt das Pad wieder auf der Zunge und stoppt die Schwingung. Unter der magnetisierten Metallzunge befindet sich eine Spule, die als Tonabnehmer fungiert.
Das Pianet hat einen glockenartigen Klang, der tendenziell etwas weicher ist als etwa ein Rhodes und dem die mittige Härte eines Wurlitzer fehlt. Trotzdem kann es klanglich überzeugen und ist je nach verwendetem Vorverstärker erstaunlich durchsetzungsfähig. Die hammerlose Klangerzeugung kann zwar nicht sehr dynamisch gespielt werden, dafür ist das Instrument stimmstabil. Unsere Beispielsounds wurden mit einem Pianet T erstellt.
Das Clavinet wurde von 1964 bis 1980 gebaut und ist wohl das berühmteste Hohner-Tasteninstrument. Es existieren viele Modellvarianten, die bekanntesten sind wohl das D6 im Holzgehäuse und das E7 im schwarzen Tolex-Outfit. Stevie Wonder, der das Instrument u. a. auf Superstition einsetzte, verwendete übrigens ein Clavinet C und jagte es (bei Higher Ground) durch ein Mu-Tron-III-Envelope-Filter. Wer vergeblich versucht, das Original-Superstition-Pattern von Stevie detailgenau nachzuspielen, sollte sich nicht grämen: Der Meister spielte das unsterbliche Riff auf mehreren Spuren ein. Es existieren außerdem noch die Clavinet-Versionen I, II, L und Duo, Letztere eine Kombination aus Pianet und Clavinet.
DAS PIANET HAT EINEN GLOCKENARTIGEN KLANG, DER TENDENZIELL ETWAS WEICHER IST ALS ETWA EIN RHODES UND DEM DIE MITTIGE HÄRTE EINES WURLITZER FEHLT.
Der Vorverstärker des Clavinets wird von einer 9-Volt-Baterie gespeist. Unter jeder Taste des Clavinets befindet sich ein kleiner Bolzen, der eine stimmbare Saite auf einen kleinen Amboss schlägt und sie so in Schwingung versetzt. Je nach Anschlagstärke variiert der Klangcharakter. Die Saite wird durch einen kleinen, elektromagnetischen Pickup abgenommen. Lässt man die Taste los, wird die Saite gedämpft, was den Clavinet-typischen Release-Sound erzeugt. Der resultierende Klang ist schön knarzig und sehr perkussiv und durchsetzungsfähig. Obwohl es eigentlich als Cembalo-Variation konzipiert war, wurde sein drahtiger Klang, der durchsetzungsfähig ist, aber anderen Instrumenten viel Raum lässt, vor allem von schwarzen US-amerikanischen Funk-Bands als optimales Rhythmus-Keyboard-Instrument entdeckt.
Neben Stevie Wonder verwendeten vor allem zahllose Funk- und Black-Music-Bands in den 60er- und 70er-Jahren das Clavinet. Zum User-Kreis gehören u. a. Acts wie Mothers Finest, Bill Withers, Herbie Hancock (Hang Up your Hang Ups), Lonnie Liston Smith, Jimmy Castor Bunch (E-Man Boogie), Maceo Parker, Neville Brothers, Bernie Worell von Funkadelic, George Duke, Billy Preston (Outta Space), Rufus, Graham Central Station, Earth Wind & Fire, The Commodores und viele, viele mehr. Auch in anderen Stilrichtungen wurde es ab und zu eingesetzt, etwa bei Led Zeppelins Trampled Under Foot oder Gilbert O’Sullivans Get Down.
Auch Orgel-Modelle gehörten zum festen Portfolio des Unternehmens, was sich in einer reichhaltigen Palette zwischen Heim- und Combo-Orgel (siehe z. B. die im Gruppenfoto am Anfang dieses Artikels senkrecht stehende Organetta 49 mit integriertem Drumcomputer) niederschlägt. Prominent eingesetzt wurde u. a. die teil-röhrenbasierte Symphonic 30, welche z. B. von John Paul Jones auf dem Led-Zeppelin-Song Dancing Days verewigt wurde.
Stringmachines wurden ebenfalls unter der Hohner-Flagge in verschiedener Form vertrieben. Neben Eigenentwicklungen wie dem String Performer gab es auch String-Synths aus italienischer Produktion wie z. B. den String Melody und den Hohner String Vox mit Tolex-Gehäuse, dessen bis auf das Holzcase baugleiche Elex-Version auf dem Gruppenfoto links zu sehen ist.
Leider wird in dem Artikel nicht das Hohner Electra piano erwähnt, was z.B. im legendären MPS Studio in Villingen stand und auf dem z.B. Friedrich Gunda und andere Keyboarder ihre Spuren hinterließen. Auch sollte das genialste Instrument aus der Hand von Herrn Zacharias nicht unerwähnt bleiben, die Kombination von Pinaet und Clavinet in dem Clavinet-Pianet Duo. Abgesehen davon: wo ist das Cembalet?
Das Electra Piano von Hohner ist in der Tat auch ein interessantes Instrument (obwohl es lange nicht so verbreitet war wie etwa das Pianet), das wir in Zukunft sicher auch einmal vorstellen werden; es wurde übrigens von Friedrich Gulda gespielt, nicht “Gunda” 😉
Eine vollständige Auflistung und Beschreibung aller Hohner-Instrumente hätte aber den Rahmen des Artikels gesprengt…
zum Clavinet:auch meine”Hauptband”Lynyrd Skynyrd,setzte dieses Tasteninstrument in den 70iger Jahren ein!
Nun, eine gute Zahl von Hohner Orgeln waren aus dem Hause Dr. Böhm für Hohner entwickelt und gefertigt worden!
Hallo bin im Netz auf den interessanten Artikel gestossen.
Ich habe ein altes Hohner Cembalet.
Kennt jemand sich damit aus wie man dieses instand setzt oder
hat jemand Interesse an diesem Gerät.