John Sinclair Hörspielreihe in 3D-Audio
(Bild: ©2024 Thomas Kruesselmann All rights reserved)
Immersive Audioformate bieten die Möglichkeit, die Hörenden auch akustisch ganz tief in das Geschehen hineinzuziehen. Lübbe Audio erschließt dieses Potenzial jetzt für die populären Hörspiele um einen berühmten Geisterjäger: Die erste Folge der John Sinclair Classic Reihe »Der Anfang« wurde in Dolby Atmos produziert. Ob über ein großes Lautsprechersystem oder über Kopfhörer, die dichte Atmosphäre der Erzählung wird geradezu greifbar. Man ist: mittendrin.
Wie die Produktion vonstattenging, haben Dieter Krauthausen und Erik Gierich vom Tonstudio Krauthausen uns im direkten Gespräch erzählt. Ebenso, warum sich Musik in Dolby Atmos lohnt und dass man auch keine Angst vor explodierenden Produktionskosten haben muss.
Wie kam es zu der Idee, Hörspiele in Dolby Atmos zu produzieren?
Dieter: Meine Begeisterung für Atmos kommt ursprünglich aus der Musik, denn in Dolby Atmos klingt meiner Meinung nach alles musikalischer und weniger gepresst, um das mal auf den Punkt zu bringen. Ich habe aber auch eine große Affinität zur Sprache, und wir arbeiten mit Lübbe Audio viel zusammen, die eben auch die John-Sinclair-Hörspiele machen. Angeregt wurde ich letztendlich durch eine Mail, in der angekündigt wurde, dass »Die kleine Meerjungfrau« in den USA demnächst in Dolby Atmos erscheinen würde. Damit bin ich dann auf Lübbe Audio zugegangen und habe gesagt: »Schaut mal, das ist jetzt wahrscheinlich die Zukunft.«
Wie genau habt ihr den Verlag von Dolby Atmos überzeugt?
Das Problem ist, dass man Dolby Atmos schlecht beschreiben kann – das muss man immer selbst einmal erfahren. Erik hatte dazu von einem anderen Hörspiel eine Minute in Dolby Atmos gemischt, das wir für Demozwecke dann noch auf eine binaurale Version runtergerechnet haben. Mit dieser binauralen Version und der »normalen« Stereo-Version sind wir zum Verlag gegangen und haben den Leuten die beiden Versionen über Kopfhörer vorgeführt. Da gingen schon die Mundwinkel hoch. Danach haben wir ihnen noch in unserer Regie das Gleiche vorgeführt, einmal in Stereo und einmal in Dolby Atmos. Auch da waren sie begeistert.
Jeder, der es hört, ist begeistert. Aber man muss die Leute erst einmal dazu kriegen, den Gedanken zuzulassen, dass das Neue auch wirklich eine lohnenswerte Sache ist.
Dolby Atmos kennt man ja primär aus Film und Kino. Allerdings – so könnte man argumentieren – ist das für Hörspiele noch viel idealer, da Hörende sich wirklich nur auf die akustische Umgebung fokussieren und nicht von einer visuellen Ebene abgelenkt sind.
Korrekt. Genau das habe ich gedacht, als ich die Ankündigung zur kleinen Meerjungfrau gelesen hatte.
Erik: Richtig. Man hat viel mehr Freiheiten, was die Gestaltung angeht, als im Film. Da ist man immer auch an die Leinwand gebunden. Im Hörspiel kann man die Szene hinter sich starten lassen, und dann kommt sie von hinten langsam nach vorne. Man kann also komplette Szenen um die Hörenden herum aufbauen und abspielen lassen. Die Hörenden bleiben die ganze Zeit mitten im Geschehen. Im Film könnte man das so nicht machen. Selbst wenn man hier den Bösewicht von hinten kommen lässt, hat man ihn in aller Regel nach kurzer Zeit wieder vorne auf der Leinwand, und dann muss natürlich auch die Stimme wieder von vorne kommen.
Dass das jetzt für Hörspiele kommt, ist so gesehen längst überfällig, oder?
Dieter: Das kann man so sagen. Und für die Musik ist das ähnlich – der Wandel dauert einfach, wenn man überlegt, wie lange es die Möglichkeiten dazu schon gibt. Aber es gibt da einfach sehr viele Skeptiker, auch bezüglich der Musik. Dabei muss ja nicht immer zwingend über ein 3D-System zu Hause gehört werden, denn es gibt nach einer Produktion in 3D auch immer eine binaurale Version für Kopfhörer, die schon bedeutend besser und luftiger klingt als ein Stereo-Mix.
Gibt es schon Resonanzen, wie das Hörspiel in 3D ankommt?
Alle, die es bisher gehört haben, sind hellauf begeistert. Man kann das Hörspiel auf Audio Blu-ray vorbestellen, und da sind bereits viele Bestellungen eingegangen (inzwischen ist die Blu-ray erschienen; Anm. d. A.) Außerdem gab es Anfang Mai eine Kinotour mit Vorführungen in acht Städten.
Erik: Ich selbst freue mich schon darauf, eine Folge von Anfang an so zu produzieren. Da würde man einige Sachen nochmal anders anlegen und mit den Atmos auch anders umgehen. Für diese erste Folge haben wir ja mit dem Originalmaterial gearbeitet und wollten auch die Ästhetik beibehalten. Das heißt, die Mischung ist sehr ähnlich. Um genau zu sein, habe ich zum Beispiel nur etwas weniger Hall verwendet, denn einerseits wurde in der ursprünglichen Version wirklich sehr viel Hall genutzt und andererseits bekommt der Raum durch die Dreidimensionalität ohnehin schon ein gewisses Volumen.
Als Abhöre sehe ich hier ein 7.2.4-System. Ich nehme an, das war für die Produktion ausreichend?
Erstmal natürlich, fürs Kino aber nicht. Da mussten wir in eine Kinomischregie, um nochmal gegenzuhören und ein bisschen was anzupassen. Kinos haben meist Hornlautsprecher, da muss man im Frequenzgang ein bisschen was anpacken – und wegen des großen Raums ein bisschen mehr Bass geben. Außerdem ist die Ortung ein klein wenig anders, da die Lautsprecher ja nicht auf Ohrhöhe sind, sondern höher.
Dieter: Das ist aber auch das normale Vorgehen. Also, wenn Hörspiele oder auch Musik im Kino vorgeführt werden sollen, muss das alles am Ende in einem Kinomischstudio immer an den gesagten Punkten angepasst werden.
Erik: Und auch auf Kopfhörern wird es noch gegengehört und angepasst, damit es am Ende möglichst gut funktioniert. Denn das Ganze wird anschließend noch binaural runtergerechnet. Dafür nutze ich einfach den Kopfhörer, den ich gut kenne – in meinem Fall also einen Sennheiser mit dem Kopfhörervorverstärker Linear II Pro von Lehmannaudio.
Wie würdest du den Unterschied erklären zwischen der binauralen Version und der Version über Lautsprecher?
Binaural auf Kopfhörern ist die Ortung nicht so gut wie auf Lautsprechern. Wenn man keinen Custom HRTF (siehe Kasten) hat, dann funktioniert es bei einigen Leuten besser, bei anderen schlechter – mal gibt es die hintere Ebene nicht, oder von oben funktioniert es nicht gut. Kurzum: Über Speaker funktioniert das immer besser.
Dieter: Trotzdem klingt binaural immer besser als eine normale Stereoversion. Das ist bei Musik übrigens genau das gleiche. Mein Tipp: Man kann das gut übers iPhone vergleichen, denn hier kann man zwischen binaural und Stereo hin- und herschalten. Die binaurale Version klingt eigentlich immer offener und musikalischer.
Welche Software kam bei der Produktion zum Einsatz?
Erik: Grundsätzlich nutze ich erstmal Pro Tools. Als wir mit der Produktion angefangen haben, gab es den integrierten Renderer von Pro Tools noch nicht. Daher haben wir den externen Renderer von Dolby genutzt, was wegen des Routings etwas komplizierter ist. Inzwischen hat Pro Tools den Renderer integriert. Testweise habe ich den auch schon genutzt und würde den wahrscheinlich in Zukunft auch nutzen, einfach weil es etwas weniger aufwendig ist mit dem Routing. Technisch kann der alles, was ich für diese Produktionen benötige.
Wie viel aufwendiger ist denn eine Produktion in Dolby Atmos?
Dieter: Konkret kann ich das an diesem Beispiel eines Hörspiels noch nicht sagen, da das bisher ja nur ein einmaliges Projekt unter bestimmten Voraussetzungen war. Aber das wird ähnlich zu Musikproduktionen in Dolby sein, wo sich die Frage ja auch immer wieder stellt.
Viele denken erstmal, dass das wahnsinnig teuer sei, das stimmt aber nicht. Wenn wir für andere Künstler, die ihre Musik bereits in Stereo gemischt haben, eine Dolby-Atmos-Version erstellen sollen, ist die ganze Ästhetik ja schon vorgegeben, und diese soll auch nicht verändert werden. Dann ist die typische Arbeitsweise, dass wir die Stems von den Mixen bekommen und diese eben mit relativ wenig Zeitaufwand auffächern. Das ist relativ schnell gemacht und daher auch nicht teuer.
Das Problem ist hier eher, dass viele Engineers denken, dass wir einen ganz neuen Mix erstellen wollen und damit ihren Mix und ihre Ästhetik völlig neu überarbeiten. Das ist aber überhaupt nicht so – im Gegenteil. Der Mix und die Ästhetik sollen genau so bleiben und damit auch die Arbeit des Mixing-Engineers. Das Einzige, was man macht, ist, dass alles eben aufgefächert und damit immersiv wird.