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ARP Quadra – Quadratur der Keyboard-Burg

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Als er Ende 1978 vorgestellt wurde, war der ARP Quadra ein Licht am Horizont vieler Keyboarder, die auf der Bühne von vielen, oft anfälligen Tasteninstrumenten umgeben waren, die manchmal mehr Probleme als Flexibilität boten. Konnte der Quadra dem Anspruch, ein allmächtiger Über-Synth zu sein und alle anderen Geräte überflüssig zu machen, gerecht werden?

ARP Quadra(Bild: Bernhard Lösener)

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Joe Zawinul von Weather Report war immer offen für technische Neuerungen bei Synthesizern und besorgte sich den Quadra-Alleskönner nicht nur sofort, als er lieferbar war, er agierte auch als Endorser für ARP. Der ARP Quadra ist u. a. auf dem Weather-Report-Live-Album 8:30 von 1979 zu hören. Zawinul benutzte den Quadra auch noch, als er sein Keyboard-Rig mit zwei Prophet-5 ausgestattet hatte, denn er liebte den ARP-Sound. Ein anderer bekannter Keyboarder, Tony Banks von Genesis, umgab sich live u. a. mit einer Hammond, einem RMI Electropiano, einem Mellotron und einem ARP Pro Soloist – auch ein Polymoog und ein Yamaha CP70 wurden Ende der 70er-Jahre eingesetzt. Er begrenzte den ausufernden Keyboard-Burg-Wahnsinn mit dem Erwerb des ARP Quadra auf der Genesis-Tour von 1980. Damit konnte er auch die ausufernden Prog-Rock-Epen der Genesis-Frühzeit live realisieren.

Rückseite des Quadra
Auf der gut ausgestatteten Rückseite des Quadra findet man neben Stereo- und Mono-Ausgängen für die Summe, Einzelausgänge der vier Synth-Sektionen, Pedalanschlüsse für Filter-Cutoff von Poly- und Solo-Synth, Phaser sowie Fußschalterbuchsen für Sustain, Arpeggio-Hold invertierte Pitch-Hüllkurve und Portamento. Außerdem gibt es CV/Gate-Interfaces für den Solo- und den Polysynth. (Bild: Bernhard Lösener)

Mit 7.500 Mark war der Quadra definitiv kein Schnäppchen, und der Kauf war eher den Happy Few vorbehalten, die bei bekannteren Bands die Tasten drückten. Darunter waren u. a. Kansas-Keyboarder Kerry Livgren, Gillian Gilbert von New Order (Movement) oder Rick Wright von Pink Floyd. Filmemacher und Synth-Fan John Carpenter, der seine Filmmusik gerne selbst produzierte, gehört ebenfalls zum Quadra-Userkreis; er verwendete ihn z. B. beim Soundtrack von Escape From New York und Halloween 2.

Die Innenansicht des Quadra
Die Innenansicht des Quadra (Bild: Bernhard Lösener)

Hervorgegangen ist der Quadra aus einem gescheiterten Entwicklungsprojekt: ARP plante schon lange einen polyfonen Synthesizer mit vielen Möglichkeiten unter dem Projektnamen Centaur IV. Dieser war als Über-Synth geplant, der mehrere unterschiedliche Klangerzeugungssektionen in einem Gerät vereint. Der Synth gelangte aber wegen technischer Schwierigkeiten, und weil das Gerät auf dem Markt zu teuer gewesen wäre, nie zur Serienreife; lediglich zwei Prototypen wurden gefertigt. Das Projekt inspirierte die ARP-Ingenieure, ein kostengünstigeres Instrument zu entwickeln, das mit mehreren Klangerzeugungs-Abteilungen ausgestattet wurde und dem Keyboarder direkten Zugriff auf unterschiedliche Sounds ermöglichte. Das Ergebnis war der ARP Quadra, der mit vier Synth-Sektionen aufwartet: Bass, Strings, Poly-Synth und Solo-Synth.

Bei diesem Quadra hat der Besitzer die unzuverlässigen Folientaster gegen robustere Standard-Taster ausgetauscht.
Bei diesem Quadra hat der Besitzer die unzuverlässigen Folientaster gegen robustere Standard-Taster ausgetauscht. (Bild: Bernhard Lösener)

Optisch wirkt das monströse, über 20 kg schwere Gerät dank des ARP-typischen, bunt modernistischen Designs immer noch zeitlos und ästhetisch gelungen (dieses Urteil wird übrigens in Musikerkreisen kontrovers diskutiert). Die Bedienoberfläche ist übersichtlich gestaltet, die Sektionen klar voneinander getrennt, problematisch ist nur die exponierte fünfoktavige, mit Aftertouch ausgestattete Tastatur. Auf der Bühne oder beim Transport können die herausragenden Tasten leicht Opfer unvorsichtiger Roadies werden, und man benötigt außerdem immer ein spezielles Case. Ein Schwachpunkt sind auch die Folientasten, die mit der Zeit immer unzuverlässiger werden. Unser Testgerät wurde daher vom Besitzer mit alternativen Standard-Tastern ausgestattet.

Cherry Audio Quadra
Bei Cherry Audio gibt es den Quadra als Plug-in-Instrument. (cherryaudio.com/products/quadra) (Bild: Bernhard Lösener)

Die monofone Basssektion

… bietet zwei Ausgangssounds, Stringbass und Elec Bass, die man mischen und in zwei Fußlagen auf den unteren beiden Keyboard-Oktaven spielen kann. Beim Elec Bass lassen sich lediglich Decay und Filter-Resonanz einstellen. Die Basssektion liefert einen soliden, durchsetzungsfähigen Synthbass-Sound, der allerdings nur in einem engen Rahmen modifiziert werden kann. Zawinul schätzte ihn und verwendete ihn u. a. bei Brown Street vom Weather-Report-Album 8:30.

Die Bass- und die Strings-Sektion des Quadra
Die Bass- und die Strings-Sektion des Quadra (Bild: Bernhard Lösener)

Strings

Zu den erfolgreichen ARP-Synths gehört der ARP Omni, dessen erste Version schon 1975 herauskam. ARP integrierte die vollpolyfone Frequenzteiler-Klangerzeugung des Omni II in den Quadra. Die String-Sounds klingen absolut überzeugend und sind auf den oberen beiden Oktaven der Tastatur verfügbar. Veränderbar sind hier Attack und Release, zwei Oktavlagen können aktiviert werden.

Der Poly-Synthesizer

… bietet mehr Einstellmöglichkeiten. Er basiert ebenfalls auf einer Oktavteilerschaltung und ist daher vollpolyfon spielbar. Hier lassen sich Cutoff und Resonanz des Lowpass-Filters, die ADSR-Lautstärke-Hüllkurve und die Intensität von LFO und Hüllkurve regeln. Der Sound des Poly-Synths wirkt alleine und ohne Effektunterstützung (s. u.) etwas kraftlos, da für alle Stimmen nur ein Filter und eine Hüllkurve zur Verfügung stehen. Wer fette Klänge á la Prophet-5 erwartet, wird enttäuscht. Trotzdem lässt sich die Polysektion gut als Add-On für die anderen Sounds einsetzen.

Die Polysynth-Sektion des Quadra
Die Polysynth-Sektion des Quadra (Bild: Bernhard Lösener)

Auch der monofone Leadsynthesizer

… ist in Sachen Klangparameter besser ausgestattet. Er ähnelt ein wenig dem ARP Solus und arbeitet mit zwei Oszillatoren, die Sägezahn oder modulierbare Pulswelle liefern, einem Vierpol-Lowpass-Filter und einem LFO mit Rechteckwellenform, der die Tonhöhe zur Erzeugung eines trillerartigen Effekts modulieren kann. Beide Oszillatoren lassen sich mit individuellen Portamento-Zeit-Werten versehen und gegeneinander verstimmen; bei aktivierter Interval-Write-Funktion merkt sich der Synth aber auch ein gespieltes Intervall (á la Chord Memory). Außerdem gibt es einen einfachen Arpeggiator mit Up- und Down-Funktion. Der Solo-Synth klingt ausdrucksstark und durchsetzungsfähig. Zawinul hat den Leadsynth des Quadra gerne eingesetzt; bei Solo-Exkursen wurden dann auch gerne mal der LFO und der Arpeggiator verwendet.

Quadra Lead-Sektion
Die Lead-Sektion des Quadra bietet Zugriff auf Cutoff, Resonance, VCO-Tune, Vibrator Depth und -Speed und die ADSR-Hüllkurve. (Bild: Bernhard Lösener)

Zusammengeführt werden die einzelnen Signale der vier Klangabteilungen in der Mixer-Sektion, die auch mit einem wunderbar klingenden Phaser aufwartet, der mit LFO (Sinus und Sample&Hold) und der Lead-Synth-Envelope moduliert werden kann. Der Phaser wertet auch den Sound des Polysynths deutlich auf.

Seine Stärken offenbart der Quadra vor allem, wenn man die Sektionen layert und kombiniert. Dann kann er herrlich analoge, mit dem Phaser verschwurbelte Synthflächen und schöne Leads generieren, die so nur mit dem Quadra möglich sind. Das Abspeichern von Sounds war Ende der 70er-Jahre ein absolutes Luxusfeature. Beim Quadra ist das in einem bestimmten Rahmen möglich, allerdings werden nicht die absoluten Regler-Werte abgespeichert, sondern (neben der Stimmung der Oszillatoren) nur die Regler via LED gekennzeichnet, die verändert wurden.

Der ARP Quadra wurde uns freundlicherweise von Ingo Rippstein (www.synthmaster.de) zur Verfügung gestellt.

Ingo Rippstein
Musiker und Synthesizer-Spezialist Ingo »Synthmaster« Rippstein berät u. a. Musiker von Kraftwerk und besaß (und restaurierte) im Laufe der Jahre schon alle bekannten (und unbekannteren) Vintage-Synthesizer. (Bild: Bernhard Lösener)

Ein Statement von Ingo Rippstein zum ARP Quadra: »Ich schätze beim ARP Quadra vor allem den Bass und den String-Synth. Auch der Phaser ist klasse und veredelt die Quadra-Pad-Sounds. Der Solo-Synth mit seinen beiden Oszillatoren klingt gut, allerdings vermisse ich einen Ringmodulator. Etwas unzuverlässig können die Folientaster sein, die je nach Gerätezustand schonmal ein wiederholtes Drücken erfordern.«

Joe Zawinul-Anzeige
Joe Zawinul war für ARP als Endorser tätig.

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