Smarte Wiedergänger

Yamaha Reface – Mini-Keyboards im Test

Anzeige

40 Jahre Yamaha-Synthesizer haben die Popmusik-Geschichte geprägt. Anlässlich des Jubiläums hat die japanische Firma jetzt vier kleine Zeitmaschinen herausgebracht, die die wichtigsten Aspekte von Yamahas Kult-Modellen der DX-, CS-, YC- und CP-Serien repräsentieren. Mit den Reface-Keyboards kann man aber nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft reisen …

mini-tastaturen
MOBILITÄT UND TOP VERARBEITUNG Wer mit Freunden jammen oder mal schnell eine Song-Skizze ausprobieren möchte, hat hier die richtigen Werkzeuge perfekt gestimmt zur Hand. Die Mini-Tastaturen spielen sich bestens, überhaupt macht die Hardware einen stabilen Eindruck. Sogar die internen Lautsprecher machen trotz ihrer geringen Größe einen guten Job. (Bild: Dieter Stork)

Korg hat es ja schon erfolgreich vorgemacht: Small is beautiful. Nun zeigt der japanische Instrumentenriese Yamaha, wie es geht, und hat vier seiner Legenden in kleine Keyboards gepackt, die jeweils eine legendäre Modellreihe repräsentieren. Alle Reface-Geräte können auch mit Batterie betrieben werden und sind mit Minitastatur, Effektsektion und internen Lautsprechern ausgestattet.

Anzeige

Erste positive Feststellung: Die anschlagdynamischen Reface-Tastaturen gehören zu den Minitastaturen, die sich am besten spielen lassen. Überhaupt wird bei erster Begutachtung der Hardware klar: Die vier kleinen Yamahas mögen wie Spielzeug aussehen, aber sie fühlen sich keineswegs so an! Eine Top-Verarbeitung macht die Reface-Keyboards zu idealen Reisebegleitern und stabil genug, um den Transport im Reisegepäck unbeschadet zu überstehen.

Apropos Reise: Alle vier Refaces zusammen bilden die wohl einzige Keyboard-Burg, die in einen Rucksack passt! Was gleichermaßen bedeuten soll: Die Teile ergänzen sich auch klanglich bestens.

Zukunftsmusik

Die Yamaha-Ingenieure haben beim Reface-Projekt nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Zukunft im Blick. Im September geht die neue firmeneigene und kostenfreie Musiker-Plattform Soundmondo an den Start, über die Reface-Sounds getauscht und online produziert werden können. Dabei machen sie sich zunutze, dass die neueste Version des Chrome-Browsers ein Web-API (Application Programming Interface = Schnittstelle) unterstützt, das den Zugriff auf MIDI ermöglicht. Musikproduktion in der Cloud und die Kommunikation mit räumlich entfernten Mitmusikern wird dadurch erleichtert. Für Android gibt es allerdings noch keine App.

anschlussseitig
Anschlussseitig bieten die Reface-Geräte ein Stereoausgangs-Pärchen, einen Kopfhöreranschluss, eine USB-MIDI-Buchse, einen Fußpedal-Anschluss (je nach Gerät Lautstärke oder Sustain) und einen als Miniklinke ausgeführten Aux-Eingang für externe Signale (die allerdings leider nicht die Klangerzeugung und die Effekte passieren). Ein klassischer MIDI-In- und -Out ist mithilfe einer Kabelpeitsche, die an einer Mini-DIN-Buchse angeschlossen wird, verfügbar. (Bild: Dieter Stork)

ALLE VIER REFACES ZUSAMMEN BILDEN DIE WOHL EINZIGE KEYBOARD-BURG, DIE IN EINEN RUCKSACK PASST!

Super, ein Looper!

Reface DX und CS sind mit einem kleinen Phrase-Looper ausgestattet, mit dem sich Overdubs schichten lassen. Er nimmt allerdings kein Audiomaterial, sondern bis zu 2.000 MIDI-Events auf, wodurch man mit der gleichen Phrase verschiedene Sounds antesten kann. Außerdem läuft das Ganze immer Clocksynchron, was will man mehr? Ja, richtig − das Speichern der Phrasen wäre schon klasse. Schade, dass das nicht geht.

Reface DX

Am meisten gespannt war ich auf den DX. Schließlich war der legendäre DX7 wohl der revolutionärste Synthesizer der 80er. Diese 1983 vorgestellte FM-Granate gehört zu den meistverkauften Synthesizern überhaupt und war ein Albtraum für die Konkurrenz. Die FM-Klangerzeugung des Reface DX arbeitet mit vier Operatoren (wie z. B. auch Yamahas DX100), wurde aber aufgebohrt und modernisiert. Wer hier endloses Eintippen der Paramater befürchtet − Fehlanzeige! Denn alles lässt sich viel intuitiver Handhaben als bei den alten FM-Kisten − und es geht deutlich mehr als damals.

Jeder Operator besitzt eine Feedbackschleife, mit der sich seine Sinus-Wellenform stufenlos und dynamisch auch in Sägezahn oder Rechteck überführen lässt, und der Reface DX bietet zwölf Algorithmen (statt nur acht wie etwa beim DX100). Dadurch erweitern sich die klanglichen Möglichkeiten enorm: Von kraftvollen Wobble-Sounds über futuristische Pads, knochige Bässe, Glockiges, elegante E-Pianos bis hin zu abgefahrenen experimentellen Sounds ist hier vieles möglich, und alles ist, wie es sich für echte FM-Synthese gehört, ultradynamisch spielbar. Die Presets (vier Bänke à acht Sounds) bieten einen guten Querschnitt durch die FM-Synthese, Sounds älterer FM-Synths lassen sich aufgrund der neuen FM-Struktur des Reface DX allerdings nicht laden.

Das wäre sicher schön gewesen − macht aber nix, denn hat man sich einmal mit den neuen Möglichkeiten des Reface DX vertraut gemacht, wird man die alten Geräte kaum vermissen. Der Clou ist der direkte Zugriff auf die vier Operatoren per Touch-Regler, denn damit lassen sich FM-Sounds endlich dynamisch tweaken und spielen. Astrein!

Den letzten Schliff erhalten die Sounds durch eine klanglich überzeugende Effektsektion mit zwei Blöcken, die mit Delay, Reverb, Autowah, Distortion, Flanger, Phaser und Chorus ausgestattet sind. Jeweils zwei Parameter lassen sich verändern. Die Klangausgabe wird übrigens (bei allen Reface-Modellen) beim Wechsel des Effektes kurz unterbrochen.

Der Reface CS

…verfügt über acht Stimmen und arbeitet mit einer virtuell analogen Klangerzeugung. Hier gilt die Devise: Zeige mir, was du schraubst, und ich sage dir, was du hörst (oder so ähnlich), denn über der Minitastatur befinden sich 22 Bedienelemente, für jeden Parameter eines − ganz die alte Schule.

Etwas sehr Old school ist dann aber die Beschränkung auf keine Speicherplätze für die Sounds. Schade, denn das Einstellen der Sounds kann im Livebetrieb mit den kleinen Fadern schon etwas fummelig werden. Wer auf der Bühne Presets will, kann aber mit dem iPhone hantieren − New-school eben!

Fünf ausdrucksstarke, sehr unterschiedlich klingende Oszillator-Typen (mit Features wie PWM, FM, Supersaw, Ringmodulation oder Oszillator-Sync) ermöglichen eine große klangliche Bandbreite: Von klassischen Synth-Sounds bis zu abgedrehten Digital-Effekten ist hier vieles machbar. Mit dem Texture-Fader kontrolliert man einen zweiten Oszillator, der je nach Oszillatortyp Schwebungen oder Modulationen generiert. Geformt wird der Klang mit einem durchschnittlich klingenden Lowpass-Filter, einer vierstufigen Hüllkurve und einem Sinus-LFO mit vier wähl – baren Modulationszielen (Oszillator, Pitch, Filter, Amp). Abgeschmeckt wird das Ganze mit einer einfachen Effekt-Abteilung (Delay, Chorus, Phaser oder Distortion) mit zwei Realtime-Parametern sowie einem Phrase-Looper, der das Inspirations-Potenzial beträchtlich vergrößert.

Dabei macht der kleine CS klanglich eine gute Figur und ist eine gute Quelle für Bässe, expressive Lead- oder Sequenzersounds und vor allem für tolle, kranke, dynamische Modulations-Klänge. Dank Supersaw sind auch gute Flächen-Sounds realisierbar, etwas statisch wirkt (wie bei vielen VA-Synths) dagegen die Pulswellenmodulation.

Klanglich flexibel: fünf unterschiedliche Oszillator-Type beim Reface CS
Die Old-schoolig gestaltete Effektsektion des Reface-CP
Alle Reface-Geräte sind mit Liebe zum Detail gestaltet. Die Bedienelemente senden übrigens auf Wunsch MIDI-Controller-Daten
Yuji Yamada, ProduktEntwickler der Reface-Serie, demonstriert die Geräte während unserer ersten Test-Session im Studio Funkhaus Berlin.

Reface YC

Das knallrote Gehäuse und die Farbgebung der Bedienelemente allein lassen die Herzen von Vintage-Liebhabern höher schlagen. Bei der Reface YC gibt es keinen modernen Schnickschnack wie Speicherplätze, Displays oder anderes, hier ist die Devise: Orgel pur. Zur Klanggestaltung geboten wird eine additive Synthese mit fünf Wellenformen, eine Percussion-Sektion (mit zwei Percussion-Typen) und vor allem neun Zugriegel, die man schön »kneten« kann. Die Wellenformen repräsentieren klassische Orgelmodelle wie Hammond, Farfisa, Vox, Ace Tone und Yamahas YC-Reihe. Das Instrument ist selbstverständlich vollpolyfon.

An Bord sind außerdem eine leistungsfähige Leslie-Sektion und diverse Effekte. Die Effekteinstellungen werden übrigens an den gewählten Orgeltyp automatisch angepasst, ein schönes Feature, das auch der Reface CP besitzt. Beim ersten Anspielen kommt dank der Zugriegel trotz Minitastatur sofort Orgel-Feeling auf; mit dem Reface YC kann man problemlos eine große Bandbreite klassischer Orgel-Sounds realisieren. Wer keinen Platz für Orgel-Klassiker im Studio hat und z. B. mal eben eine psychedelische Pink Floyd-Orgel braucht, kommt mit dem Reface YC auch wegen der Bedienelemente schneller zum Ziel als mit einer gesichtslosen Workstation oder einer Sample-Library.

Das Reface CP Mini-Piano

…ist sicherlich das kompakteste Modell der CP-Reihe. Seine Sound-Engine basiert auf einer Mischung von Modeling-Technologie und samplebasierter AWM2-Klangerzeugung. Es werden sechs Piano-Sounds (Wurlitzer, Fender Rhodes Mark I und Mark II, Clavinet, Toy Piano und natürlich CP-70 bzw. −80) geboten, die mit fünf parallel aktivierbaren Effekten veredelt werden können. Die Effekte sind bis auf das etwas dumpfe Auto-Wah klasse und passen perfekt zum Thema; wenn man etwa die Analog-Delay-Simulation mit einem langen Feedback versieht, kann man wunderbar psychedelisch-dubbige Sounds erzeugen.

Die Pianoklänge lassen sich angenehm dynamisch spielen und übersteuern bei härterem Anschlag leicht; man merkt, dass hier nicht nur ein Rompler am Start ist. Eine hohe Punktzahl bekommen die beiden RhodesImitate, gelungen sind auch der CP-Piano-Sound und das Wurlitzer; das Clavinet fällt etwas ab, ist aber mit Effekt-Einsatz dann ganz okay. Auch dieses Reface-Modell sollte man nicht unterschätzen. Denn insgesamt bietet das CP einen schönen Rundumschlag im E-Piano-Bereich, der dem Standard einer hochwertigen modernen Workstation entspricht. Unser Tipp: Wer einen Piano-Expander für unterwegs sucht, sollte das Teil unbedingt mal via MIDI an eine Pianotastatur hängen.

Fazit

Yamaha hat mit den Reface-Modellen vier attraktive Hardware-Kreativ-Tools mit sexy Lifestyle-Flair für Musiker und Songwriter geschaffen. Der Preis von knapp 400,− Euro ist sicherlich kein Schnäppchen, aber wenn man die Geräte anspielt, kann man sich nur schwer wieder losreißen. Die Knaller sind für mich das DX- und das YC-Keyboard; Ersteres, weil man hier eine erweiterte FM-Synthese mit einer cleveren Bedienphilosophie kombiniert hat, bei der das FM-Sound-Tweaken wieder Spaß macht, und Letzteres, weil hier auf kleinstem Raum eine breite Palette von klassischen Orgel-Sounds verfügbar ist, die mit Zugriegeln und Effekten optimal geformt werden können.


 

Hersteller/Vertrieb: Yamaha

www.yamaha.de

UvP: 399,− Euro

Unsere Meinung:

+ gute Klangeigenschaften (vor allem DX und YC)

+ platzsparendes, ästhetisch gelungenes Design

+ gute Minitastatur

− CS Reface ohne Speicherplätze

− Reface-App momentan nur für iOS erhältlich

 

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Und noch ein Minuspunkt:
    − CS Reface ohne Anschlagdynamik (Ich kann es – Monate später – immer noch nicht richtig glauben)

    Auf diesen Kommentar antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.