Piano-Sampling – ein Praxisreport
Piano-Sampling stellt scheinbar eine dankbare Aufgabe dar: Einzeltöne Klaviers werden einfach nur auf ein MIDI-Keyboard übertragen. Trotzdem kann keine Library den Anspruch erheben, ein akustisches Piano in seiner Vielfalt abzubilden. Wie kann dennoch ein musikalisch sinnvolles Ergebnis entstehen? Welche „Fallstricke“ entstehen bei der Aufnahme und der Nachbearbeitung? Ein Blick auf den Prozess beim Sampling eines Steinway-Flügels von 1972.
Piano-Sampling in der Praxis
Der Sound-Markt ist gefühlt übersättigt von virtuellen Pianos und die Qualität wurde über die Jahrzehnte immer besser. Ende der 1980er Jahre mussten erste digitale Piano-Sounds noch auf weniger Megabytes Speicher für die damaligen Hardware-Sampler reduziert werden. Um ein Piano unterzubringen, wurden wenige Töne kurz gesampelt und über den Tastenbereich gestreckt, ohne zusätzliche Dynamikstufen. Der Ausklang ergab sich durch Loops, die ausgeblendet wurden.
Das klang, verbunden mit den radikal färbenden Pitch-Shifting-Algorithmen und den frühen Hardware-Wandlern nicht selten grobkörnig. Statt einem natürlichen Sound entstand ein harter, stoischer Klang – was zu einer eigenen Ästhetik führte, die sich etwa bei Eurodance-Pop-Songs etablierte, beispielsweise der Black Box-Song „Ride on Time“ oder Dr. Albans “Sing Hallelujah”.
Von Megabytes zu Gigabytes
Akai bot zwar Sampler mit 32 Megabyte RAM-Speicher, aber erst der GigaSampler von Nemesys im Jahr 2000 schuf Abhilfe. Der Platz war nicht mehr durch Hauptspeicher begrenzt, Samples konnten praktisch von der Festplatte gestreamt werden. Der GigaSampler, wie auch der von Tascam übernommene Nachfolger GigaStudio, ließ sich allerdings nur begrenzt in andere Software einbinden. Das technische Prinzip dient immer noch als Grundlage, auf der Software-Sampler ihre Dateien streamen.
Ein Piano scheint wie geschaffen für die Übersetzung vom Klavier auf die MIDI-Tastatur. Heute sind zahllose Libraries erhältlich, mittlerweile auch deutlich über 50 Gigabyte groß, in Einzelfällen mit mehreren hunderttausend (!) Samples. Und trotzdem: Nahezu jeder Pianist schätzt das Spielgefühl und die Antwort eines akustischen Klaviers als Nonplusultra – wenn er die Wahl hat.
Choose your Poison?
Wo liegen die Grenzen dessen, was ein künstliches Klavier leisten kann? Die Interaktion der Töne fehlt beispielsweise, wie sie beim akustischen Spiel auftritt: Im Resonanzboden schwingen sich „Moden“ auf; mehrere Töne verschmelzen zu einem Gesamtklang, der mehr als die Summe der Teile darstellt.
Alternativ zu Sampling steht Physical Modeling zur Verfügung, bei dem der Klang durch Formeln berechnet wird. Eine gut gemachte Physical-Modeling-Umsetzung kann etwa Beziehungen zwischen mehreren Tönen in ihr Modell mit einfließen lassen. Im Falle von Moddarts „Pianoteq“ braucht die Umsetzung zudem wenig Ressourcen. Für meinen Geschmack bleibt das klangliche Ergebnis bei Physical Modeling bislang etwas abstrakt glatt, mit dem Fokus auf optimierter Spielbarkeit. Dafür vermisse ich individuelle Rauheit, prägnantes Impulsverhalten, und auch das Stereobild erscheint mir gegenüber einer gelungenen Aufnahme undefinierter.
Je nach eigenem Geschmack oder der gewünschten Anwendung kann das Konzept trotzdem besser funktionieren. Für meine Schwerpunkte, einen möglichst „charmanten“, definierten Grundklang, der sich im Mix gut ortbar einfügt, stellt bislang eine Sampling-Umsetzung das Mittel der Wahl dar.
Der Tasten-Anschlag
Mittlerweile setzen einige Hersteller für Piano-Samples einen „Sample-Roboter“ ein, der eine exakte Aufteilung und Wiederholbarkeit verschiedener Anschlagstärken ermöglicht. Für meinen Geschmack klingen die Impulse hart, mir fehlt das Fingerspitzengefühl, der Eindruck, dass die Töne von einem Menschen eingespielt wurden.
Wie viel die feinmotorische Sensorik ausmacht, zeigt der Fingerabdruck von Pianisten, die man am Ton erkennt. Bei Sampling wie Modeling bleibt trotzdem die Prämisse bestehen, dass nicht der Spieler selbst den Ton erzeugt, sondern ein fremder Anschlag abgerufen wird, dann sollte es meiner Meinung nach zumindest ein menschlicher sein.
Die digitale Reduktion sinnvoll nutzen
Mit ein paar Grundüberlegungen lassen sich die Schwächen dennoch sinnvoll minimieren, sodass ein inspirierendes Werkzeug entstehen kann. Als Anschauungsobjekt für einen aus meiner Sicht musikalischen Ansatz dienen Aufnahmen eines 1972er Steinway-Flügels, den ich kürzlich für meine Firma “Realsamples” im Kölner Studiokomplex der Tinseltown Music Productions aufgenommen habe (in den ehemaligen Maarweg-Studios der früheren Plattenfirma EMI untergebracht).
Die Suche nach dem passenden Steinway: Jedes Exemplar klingt leicht anders
Es ging darum, einen recht modernen Steinway-Flügel aufnehmen zu wollen, der einen charismatischen statt glatten Klang besaß. Auf der Suche nach einem musikalisch reizvollen Exemplar empfahl mir Dieter Schöpf (Inhaber der schwäbischen Mikrofon-Manufaktur DS-audioservice) den Flügel im Tinseltown-Studio, den er bei einem Mikrofonvergleich gehört hatte. Der Flügel sollte es am Ende werden.
Piano-Sampling – Geräuscharme Umgebung
Die Tinseltown-Studiogemeinschaft besteht aus kleinen Produktionsstudios; angrenzend befindet sich das Maarwegstudio 2 von Produzent Wolfgang Stach. Im Vorfeld galt es, Problemherde fürs Sampling auszuschließen: Der Aufnahmeraum sollte möglichst gut abgeschirmt sein. Verstärkungen am Preamp von bis zu 60 dB legen Störquellen offen, die im Vorbeigehen sonst verborgen bleiben.
Die alte EMI-Regie, in der der Flügel steht, stellt die Heimat von Autor und Produzent Reinhard Schaub dar. Der rund 40 Quadratmeter große Bereich ist als aufwendige Raum-in-Raum-Konstruktion ausgeführt: Am Eingang befinden sich zwei Türen in einem Abstand von rund zwei Metern, dazwischen ein verwinkelter Gang – dadurch ist der Raum bereits sehr gut abgeschirmt vom restlichen Treiben auf der Etage.
Kurzer, angenehmer Raumklang statt deutlichem Nachhall
Die Akustik erwies sich mit ihren absorbierenden Wandflächen als frei von unangenehmen Early Reflections. Gleichzeitig war das Ergebnis lebendig genug, um den Klang des Instruments zu unterstützen – eine tote Aufnahme lässt sich später nicht mehr wettmachen. Der Verzicht auf deutlichen Nachhall ist bei Samples hingegen unumgänglich: Hallfahnen lassen sich nachträglich nicht sinnvoll reduzieren.
Hinzu kommt: Stoppe ich einen Ton am akustischen Instrument, entsteht im Raum die entsprechende Hallfahne. Sample ich eine Taste bereits mit Hall, reagiert der Hall später nicht auf ein Loslassen der Taste am Keyboard. Die optimale Räumlichkeit liegt meiner Erfahrung nach bei einem dezenten Anteil eines kurzen bis mittleren Raums.
Die einzige Herausforderung im Tinseltown-Regieraum: Durch die Raum-in-Raum-Konstruktion ließ sich das Fenster nicht öffnen. Die Klimaanlage musste während des Samplings ausgeschaltet bleiben, um Nebengeräusche zu vermeiden – was kurz vor Herbstanbruch spürbar war, da die Konstruktion ebenso wärmedämmend wirkte.
Aufgenommen wurde in den frühen Abendstunden bis zum Morgengrauen, sodass äußere Schallereignisse auf ein Minimum reduziert wurden. Lediglich aus einem Korridor zum angrenzenden Serverraum war bei Stille ein leichtes Surren vernehmbar. Der Server musste eingeschaltet bleiben. Als Abhilfe besorgte Geschäftsführer Henrik Kersten einen großen Rahmen, auf dem er vor dem Korridor beidseitig Molton abhängte. Somit war das Geräusch an der Mikrofonposition nicht mehr wahrnehmbar.
„Sampling bedeutet eine reduzierte Abbildung des Originalinstruments aus einem bestimmten Aufnahme-Blickwinkel – der Kompromiss sollte den Charme des Instruments passend abbilden“
Passendes Equipment für Klang und Stille
Neben dem geräuscharmen Aufnahmeraum ist eine Signalkette mit geringem Nebengeräuschverhalten wichtig: Bei einer späteren Performance mit den Samples überlappen sich die einzelnen Aufnahmen, sodass sich Nebengeräusche aufschichten, verglichen mit einer herkömmlichen Performance. Mit Haltepedal-Einsatz können bis zu 30 Einzelsamples parallel erklingen.
Trotzdem sollte bei der Auswahl die Musikalität im Vordergrund stehen: Eine vermeintlich neutrale Aufnahme hat mich nie überzeugt: Am Ende liegt ein Berg Samples übereinander, der sich zu keinem Klangkörper verbindet. Dieter Schöpf hat die Betrachtung einst gut formuliert: „Messmikrofone sind für Aufnahmen selten zu gebrauchen, das ist nicht die Wahrheit der Musik. Die Wahrheit ist doch eher die Magie, die transportiert wird.“ Und: “Lebendiger Klang lässt sich bei einer nüchternen Aufnahme nicht nachträglich mit einem Equalizer reindrehen”.
Generell stellt Sampling eine reduzierte Abbildung des Originals aus einem bestimmten Aufnahme-Blickwinkel dar: Es geht darum, einen Kompromiss zu finden, der den Charme des Instruments sinnvoll in die zweidimensionale Recording-Welt überführt – noch dazu in die gestückelte Sampling-Realität. Der harmonisch reizvolle, noch gut definierte Flügelklang sollte passend eingefangen werden.
Dabei verwendete ich ein Stereo-Setup ohne zusätzliche Stützmikrofone, um Phasenprobleme und Kammfiltereffekte, die das Klangbild verwaschen, zu vermeiden. Durch die Auswahl und Positionierung möchte ich ein möglichst fertiges Ergebnis erreichen. Dabei verwendete ich kurze Signal- und Kabelwege – besonders auf dem Weg vom Mikrofon zum Preamp – um das Impulsverhalten so gut wie möglich zu erhalten.
Zur Aufnahme dienten Mikrofone von DS-audioservice, Dieter Schöpf war beim Setup-Tag mit vor Ort und half beim Aufbau und Einrichten. Wir probierten ein Kondensator-Großmembran-Paar („MC Convert“-Röhren-Bodys mit 251-Kapseln) aus, sowie ein Paar Kleinmembran-FET-Kondensatormikrofone mit Kugelcharakteristik. Druckstaukugeln richteten die Kapseln noch höher im Frequenzbereich auf Nierencharakteristik, als das bei Kugelkapseln aufgrund der Physik im Bass- und Tiefmittenbereich bereits der Fall ist.
Die Kapseln behalten dabei den unmittelbaren Kugel-Klangeindruck bei. Als Preamps nutzte ich ein Vierkanal-Modell von DS-Audioservice, dessen lebendigen Klang ich schätze. Zum Recording diente ein lüfterloses „Silent-Notebook“ mit SSD-Festplatte, zusammen mit einem Mytek 8×192-Wandler, der per USB-Interface angeschlossen wurde.
Die Qual der Wahl
Die beiden Großmembran-Röhrenmikrofon mit 251er-Kapsel wurden als leicht ausgedrehte Klein-AB-Aufstellung über der Seite des Flügels positioniert. Bei einem Groß-AB-Setup schwimmt durch die Entfernung häufig die Phantommitte, Bassanteile gehen zudem verloren. Bei der Positionierung ging es darum, den gesamten Klavierbereich gleichmäßig abzudecken. Zusätzlich sollte das Ergebnis frei von Phasenverschiebungen sein. Dazu diente das Phasenkorrelations-Messgerät in Wavelab als Orientierungshilfe.
Am Ende entschied das Ohr, zusätzlich hörte ich das Signal in mono ab: Bleibt beim Zusammenfalten der Kanäle das Lautstärkeverhältnis weitgehend erhalten? Falls nicht, deutet das auf Auslöschungen hin. Entstehen Kammfiltereffekte, klingt das Instrument matschig oder indirekt? Von welcher Seite das Stereobild aufgezäumt wird, ob aus der Sicht des Spielers am Instrument oder aus der des Publikums, bleibt eine Philosophiefrage. Dabei ist das Ergebnis der Mikrofonierung nicht unbedingt sinnvoll durch späteres Tauschen der Kanäle drehbar. Als aktiver Musiker möchte ich möglichst nah am Klanggeschehen sein und entschied mich daher für die Musiker-Perspektive.
Der charmante, offene Klang der Mikrofone gefiel unmittelbar. Zum Vergleich bauten war darunter die beiden FET-Kleinmembran-Mikrofone mit den Druckstaukugeln auf, in einer sogenannten ORTF-Anordnung (im Winkel leicht nach außen aufgebrochenen Stereo-Anordnung). Der fokussierte und ansprechende Klang überzeugte ebenfalls. Ich entschied mich, beide Optionen anzubieten und nahm vier Spuren mit Wavelab parallel auf, was in dem Programm allerdings wenig übersichtlich erfolgt – hier würde ich künftig die Aufnahme mit meinem Nuendo-Sequenzer vorziehen.
„Samples sollten nicht als Fleißarbeit gesehen werden – sonst klingen sie auch so“
Die Aufnahme
Zurück zum Fingeranschlag: Beim Anschlag geht es mir darum, so viel „Emotion“ wie möglich vom Instrument zu vermitteln: Erreicht mich der Sound, wie sich der Impuls aufbaut? Wie klingen die Obertöne des jeweiligen Anschlags, wie kommt der Grundton heraus? Samples sollten nie als Fleißarbeit gesehen werden – sonst klingen sie entsprechend uninteressant. Ich versuche, mir vorzustellen, jeden Anschlag im Rahmen einer musikalischen Performance zu spielen, sodass ein emotional spannender Ton entsteht.
Umgekehrt muss der Klang allgemeingültig genug bleiben, um in unterschiedlichen Kontexten zu funktionieren. Zum Gesamt-Sound gesellen sich die Release-Geräusche jeder Taste, wenn die Mechanik in ihre Ausgangsposition zurückkehrt und Filz die Saiten bedämpft. Das trägt zum echten Eindruck des Instruments bei. Am Ende sollten 32 Dynamikabstufungen/Variationen pro Taste in die Library integriert werden, dazu acht Release-Samples. Die Aufnahme fand in 192 kHz/24 Bit-Auflösung statt.
Herausforderung Mehrspur-Editing
Das Sampling erforderte mehrere Nächte mit entsprechend meditativer Geduld, denn ein Piano klingt in den tieferen Lagen mitunter gut eine Minute lang aus. Aktuell findet noch das Editieren statt. Dabei stellte das gleichzeitige Bearbeiten von zwei Stereospuren eine Herausforderung dar: Zwar sind die beiden Mikrofonpaare nicht gedacht, um später gleichzeitig im Mix verwendet zu werden, dennoch war es bei dem zeitaufwendigen Prozess sinnvoll, beide parallel zu schneiden, da es sich um dieselbe Aufnahme handelt.
Theoretisch wäre ein Sequenzer am besten dafür geeignet, da er für Mehrspur-Bearbeitung ausgelegt ist, allerdings nicht für den Makro-Editierungsprozess: Bei jedem einzelnen Ton Export-Marker neu festzulegen, immer wieder ein- und auszuzoomen, um einen optimalen Start- und Endpunkt zu finden, dazu das Fade-Out für die einzelnen Töne auszuführen, erschien, verglichen mit der schnellen und punktgenauen Umsetzung in einem Wave-Editor, für knapp 3.500 Einzelsamples eine umso zeitaufwendigere Aufgabe. Nachträgliche Korrekturen müssten erneut die umständliche Prozedur im Sequenzer durchlaufen.
Wavelab war bisher nicht für paralleles Mehrspur-Editing ausgelegt, was zwischenzeitlich zum Glück verfügbar ist. Dazu bedarf es kleinerer Workarounds, die der französische Wavelab-Entwickler Philippe Goutier auf Anfrage im Steinberg-Forum erläuterte: Um beispielsweise zwei Stereo-Dateien gemeinsam editieren zu können, muss zuerst eine neue, leere Datei generiert werden, konfiguriert als Surround (im Layout „Quadro“).
Anschließend müssen beide Stereospuren auf die vier Spuren der leeren Quadro-Datei kopiert werden. Nach dem Editieren könnten die Spuren getrennt exportiert werden. Aufgrund des aufwendigeren Vorgangs – und da ich später die Dateien kontrollieren und nachjustieren möchte – entschied ich mich dazu, beide Stereopärchen zunächst als gemeinsame Datei abzuspeichern. Hierzu muss in Wavelab „Multi-Stereo“ beim Export ausgewählt werden. Am Ende würde ich die beiden Stereopärchen per Batch-Prozess in Wavelab aufsplitten.
Möglichst minimale Bearbeitung
Grundsätzlich bearbeite ich so wenig wie möglich, da Klangeffekte das Impulsverhalten oft verwässern. Gerade die Arbeit mit Denoiser sollte möglichst vermieden werden. Selbst fortschrittliche Algorithmen schlucken noch Transientenenergie und Obertöne. Beides ist unerlässlich für lebendige Klänge, da der Effekt durch die Aufschichtung der Einzeltöne deutlich zum Tragen kommt. Falls kurze Geräusche auftreten und die Aufnahme unverzichtbar ist, lassen sie sich zur Not durch den Spektraleditor in Wavelab (oder iZotope RX9) herauszeichnen oder durch weiches Löschen mit Überblendungen in Wavelab entfernen. Aufgrund der gelungenen Aufnahme im Tinseltown-Studio kam der Klang ohne generelle Eingriffe aus.
Verzicht auf Normalisierung
Auf eine Normalisierung der Samples, wie sie bei Pianos oft stattfindet, um die Dynamikstufen anzupassen, verzichte ich ebenfalls: Der Vorgang macht das Instrument gleichförmig und unterstreicht den künstlichen Charakter der Samples, die Binnendynamik zwischen den unterschiedlichen Tönen des akustischen Instruments geht umgehend verloren – ein Fehler, der mir bei meinem allerersten Cembalo-Sampling passierte.
Stattdessen wähle ich die Dynamikstufen beim Editing intuitiv aus. Das Schneiden der Samples erfolgt vollständig manuell, da mir Automatisierungsroutinen bislang keine zuverlässigen Ergebnisse geliefert haben. Am Ende jeden Samples steht ein Fade-Out, das den Ausklang in die Unendlichkeit überführt, damit das Sample nicht abrupt endet. Auch das Fade-Out wird individuell angepasst, da je nach Tonverlauf und Sample-Länge die Ausblendung möglichst unauffällig und natürlich wirken soll.
Nach dem endgültigen Abschluss des Editierens werden die Samples für Software-Sampler gemappt, sie sollen in den Formaten Kontakt, HAlion und EXS24 erhältlich sein. Ob am Ende der gewählte akustische Blickwinkel gefällt, stellt naturgemäß eine Geschmacksfrage dar – aber das verleiht letztlich der Vielzahl an Piano-Libraries ihre Existenzberechtigung.
Autor Nicolay Ketterer schreibt er seit gut 15 Jahren für die professionelle Audio-Szene. Die Spezialität des studierten Journalisten sind unter anderem Reportagen und Interviews. Darüber hinaus betreibt er seit 2003 das Unternehmen realsamples, in dessen Rahmen er sich mit der Digitalisierung seltener historischer Musikinstrumente, darunter Cembali und Pianos in Museen, befasst.