Moog Rogue – Vintage Analog-Synthesizer
Adel verpflichtet; wenn Moog draufsteht, sollte auch Moog hinten rauskommen. Ist das beim kleinen, abgespeckten Klassiker Moog Rogue aus den frühen 80er Jahren der Fall? Zum Userkreis gehören jedenfalls viele namhafte User wie z. B. Peter Gabriel und Tortoise.
Der Moog Rogue wurde 1981 vorgestellt und trägt intern die Modellnummer # 342A. Er war ein preisgünstiger und leicht abgespeckter Nachfolger des Prodigy. Damit hatte Moog auch ein Modell im Portfolio, um sich gegen die immer stärker werdende japanische Konkurrenz im unteren Preissegment zu behaupten. Der Rogue wurde bis 1983 gefertigt und kostete 495 Dollar.
Der Rogue ist wohl der kompakteste Moog der 70er- und 80er-Jahre und mit 5,7 kg auch der leichteste. Das Metallgehäuse ist mit den Maßen 53 ´ 31 ´ 13 cm noch kleiner als das des Prodigy. Die beiden Handräder für Modulation und Pitch sind aus Platzgründen von der linken Keyboardseite auf das Bedienpanel gerutscht, was aber im Spielbetrieb keine echte Einschränkung bedeutet. Die nicht anschlagsdynamische Tastatur umfasst wie beim Vorgänger zweieinhalb Oktaven, die Holzseitenteile des Prodigy wurden allerdings durch eine Plastikverkleidung ersetzt. Das leicht angeschrägte Bedienpanel ist Moog-typisch übersichtsichtlich gestaltet. Bei der Namensgebung spielte neben der Bedeutung (Rogue: dt. Schelm, Schurke, Gauner) auch die Lautgleichheit zum Firmennamen Moog eine Rolle; dieser wird korrekt nämlich nicht mit einem »u« wie in Kuh (Muhg) sondern eher mit einem »oh« (wie Rogue) ausgesprochen.
Die monofone Klangerzeugung des Rogue ist selbstverständlich analog und basiert auf zwei gegeneinander in einem weiten Bereich verstimmbaren, spannungsgesteuerten Oszillatoren, die die Wellenformen Rechteck (mit zwei unterschiedlichen Pulsbreiten pro VCO) und Sägezahn liefern. Sie lassen sich in drei Oktavlagen betreiben; bei aktiviertem Oszillator-Sync werden die typischen, röhrenden, kammfilterartigen Sync-Sounds erzeugt. Diese können mit dem Pitch-Regler von VCO 2 oder auch mit der Hüllkurve gesteuert werden. Ein weiteres Klanggestaltungselement ist der zumischbare Rauschgenerator mit Pink Noise. Eine Portamento-Funktion wurde ebenfalls implementiert.
Das zentrale Feature ist natürlich das vielkopierte Moog-4-Pol-Tiefpass-Kaskadenfilter, mit Cutoff, Resonanz und stufenlos regelbarer Keyboard-Tracking-Funktion (beim Prodigy ist diese nur dreistufig einstellbar). Auch externe Klangerzeuger können dank des Audioeingangs vom Moog-Filter profitieren. Ein LFO mit Rechteck, Dreieck-Wellenform und Random (Letztere fehlt beim Vorgänger), dessen Geschwindigkeit bis 31 Hz reicht, kann die Oszillatoren-Tonhöhe oder die Filtereckfrequenz modulieren.
Für erhöhten Spaßfaktor und Sequenzer-artige Sounds sorgt die Auto-Trigger-Funktion, die man beim Prodigy ebenfalls nicht findet. Dafür wurde aber bei den Envelopes gespart: Es gibt nur eine einzige Hüllkurve für Amp und VCF. Sie verfügt über Attack- und Decay-Regler sowie ein zuschaltbares Sustain.
Der Rogue ist kein Alleskönner. Wer abgefahrene experimentelle Sounds mit verschachtelten Modulationen sucht, ist hier falsch. Aber nach wie vor gilt: Ein Moog ist ein Moog ist ein Moog. Denn das, was er kann, macht der kleine Racker richtig gut: fette, warme Bässe, drückende Sequenzer-Sounds, durchsetzungsfähige Leads, die bei Bedarf gerne mit Hüllkurven gesteuertem Oszillator-Sync gewürzt werden, liefert er mit links. Der Rogue ist einer dieser Synths, mit dem man gar keine schlechten Sounds generieren kann, egal was geschraubt wird. Die VCOs liefern (auch ungefiltert) einen wunderbar kraftvollen, Moog-typischen Grundsound und sind nach kurzer Aufwärmzeit äußerst stimmstabil. Das Filter greift energisch ins Klanggeschehen ein und dünnt auch bei höheren Resonanzwerten den Klang nicht zu stark aus. Eine Extraportion Lebendigkeit bekommt man, wenn die VCOs in die Overdrive-Zone des Mixers gefahren werden. Der kleine Moog erreicht natürlich nicht die massive Klangmacht des Minimoog mit seinen drei VCOs, aber er klingt äußerst lebendig und kraftvoll und definitiv etwas organischer und einen Tick wärmer als etwa der Moog Little Fatty.
Der größte Nachteil bei den Rogue-Sparmaßnahmen ist wohl der Umstand, dass beide Oszillatoren immer die gleiche Wellenform liefern und eine Kombination von Sägezahn und Puls (wie z. B. beim Prodigy) nicht möglich ist. Dieses Manko lässt sich jedoch durch eine relativ unkomplizierte Modifikation beheben. Auch andere Modifikationen wie MIDIfizierung oder das Erweitern des Oktavumfangs sind relativ unkompliziert realisierbar.
The Rogue wurde von einem breiten Userkreis eingesetzt; dazu gehören z. B. Arcade Fire, Add N To (X), Vince Clarke, 808 State, Peter Gabriel, Genesis, Stereolab, Mr. Oizo, KMFDM, Sunn O))), Tina Weymouth (Talking Heads) und Tortoise.
Der Rogue existiert noch in zwei weiteren Darreichungsformen; die bekannteste ist sicher der Realistic MG-1 von der amerikanischen Radio Shack/Tandy-Ladenkette. Weniger bekannt ist allerdings, dass er federführend vom Tandy Ingenieur Paul Schreiber konzipiert wurde, Moog und Tandy beschlossen, einen Lowcost-Synth unter der magischen 500-Dollar-Schranke auf den Markt zu bringen, der bei Moog gebaut werden sollte. Paul Schreiber erhielt vom Polymoog-Entwickler Dave Luce die Schaltungen und Platinen des Minimoog und designte daraus den Realistic MG-1. Er modifizierte das Minimoog-Vorbild und verwendete z. T. günstigere Bauteile. Die Klangerzeugung des MG-1 (in Deutschland kostete er ca. 600 Mark) verfügt zusätzlich noch über einen Ringmodulator.
Die VCO-Abteilung ist mit separaten Wellenform- und Oktavschaltern für jeden Oszillator ausgestattet, und es gibt eine einfache polyfone Sektion mit Frequenzteilerschaltung. Letztere wurde von Paul Schreiber als Konzession gegenüber dem Heimorgel-gewöhnten Tandy-Kunden eingebaut. Dafür hat man auf Pitch- und Modulationsrad verzichtet, es gibt keinen Input für externes Audiomaterial, und die Sync-Funktion kann beim MG-1 im Gegensatz zum Rogue nicht über die Hüllkurve gesteuert werden. Der Rogue wurde von Moog übrigens erst nach dem MG-1 herausgebracht und war von Schreibers Design inspiriert.
Moog am Stiel: Der Rogue wiederum war das Vorbild für den Bass-Synth Taurus II, den Nachfolger des Basspedal-Synths Taurus. Die Klangerzeugung des Rogue wurde auf einen Ständer platziert, der mit einem anderthalb Oktaven umfassenden Basspedal verbunden ist. Der Taurus II kam 1981 auf den Markt und wurde u. a. von Rick Wakeman eingesetzt.
Noch ein Survival-Tipp für den Gebrauchtkauf: Man sollte darauf achten, dass sich innen im Gehäuse des Rogue und seiner Verwandten kein schwarzer Schaumstoff mehr befindet. Dieser löst sich mit der Zeit auf und wird zu einer ätzenden schwarzen Masse, die die Platine zerstört.
Der Moog The Rogue wurde uns freundlicherweise von Stefan Schmidt zur Verfügung gestellt.