Test: Arturia PolyBrute 12
Mit dem Arturia PolyBrute 12 stellt der französische Hersteller den bisherigen PolyBrute-Modellen einen zwölfstimmigen Bruder zur Seite, der mit polyphonem Aftertouch aufwartet und neu gewandet daherkommt. Spielt das neue Flaggschiff in der Königsdisziplin der Synthesizer?
Arturia PolyBrute 12 – polyphoner Analog-Synthesizer
Der bitimbrale PolyBrute 12 macht bereits äußerlich einen mächtigen Eindruck. Das robuste 23-kg-Metallgehäuse fällt aufgrund der doppelten Anzahl von Voice-Boards wuchtiger aus. Eine passive Wärmeabfuhr erklärt die verlängerte Gehäusetiefe mit vergitterten Entlüftungsschlitzen – clever, denn so stört im Betrieb kein Lüfter.
Bezüglich der Optik verlässt sich der Hersteller aus Grenoble auf das Industrie-Design von Axel Hartmann. Es entspricht der üppig bestückten Standardversion, setzt allerdings auf einen cremefarbenen Grundton, der für eine gute Lesbarkeit der Beschriftungen sorgt, aber sicherlich nicht jedermanns Vorliebe trifft. Das gilt auch für die Zierelemente aus Walnussholz.
Zurück zu den Fakten: Der PolyBrute 12 bietet eine neue 5-Oktaven-Klaviatur, die mit polyphonem Aftertouch und weiteren Besonderheiten ausgestattet ist. Daneben trifft man auf den charakteristischen, etwas klobigen 3-Achsen-Morphée-Controller. Über der Klaviatur findet sich der breite Ribbon-Controller sowie die zahlreichen Regler, Fader und Taster der Bedienoberfläche, Pitch- und Modulationsrad, ein Graphik-Display und eine Matrix mit 12 x 8 mehrfarbig beleuchteten Tasten.
Die Rückseite bietet MIDI- und USB-Schnittstellen, Eingänge für insgesamt drei Pedale, Clock-Ein- und Ausgänge und einen einzigen Stereoausgang. Hinzu kommt ein Kopfhörergang, vorn unterhalb der Klaviatur.
Klangerzeugung
Basis jeder Stimme ist ein Oszillatorpaar und variabler Rauschgenerator. Beide VCOs offerieren eine Wellenform, die sich zwischen Sägezahn und breitenvariabler Pulswelle verändern lässt. VCO 1 bietet zusätzlich einen sogenannten Metalizer, während VCO 2 mit einem Suboszillator aufwartet. Beide Oszillatoren lassen sich hart synchronisieren.
Diese Klangquellen werden flexibel in ein 2-Pol-Steiner-Parker-Multimode- und 4-Pol-Kaskadenfilter geleitet, die sich wahlweise parallel oder seriell betreiben sowie einzeln pegeln lassen. Hier stehen einerseits ein regelbarer Brute-Faktor und andererseits eine regelbare Sättigung bereit, um das Klangbild aggressiver zu gestalten. Beide Filter sind resonanzfähig bis zur Selbstoszillation und lassen sich bei Bedarf auch gemeinsam in der Einsatzfrequenz über einen gemeinsamen Regler justieren. Frequenzmodulationen sind gleichzeitig in drei Richtungen möglich: VCO 2 auf VCO 1, VCO 2 auf Filter 1 und Rauschen auf Filter 2, was den Sprachschatz nochmals erweitert.
Hinter den Filtern wandert das Signal in den VCA und wird von dort in einen dreiteiligen digitalen Effektbereich geroutet, der Modulationsklänge, Delays und Reverb offeriert. Jeder Klang lässt sich mono- und polyphon und Unison spielen. Dazu lassen sich zwei Klänge auch per Split- und Layer-Funktion sowie über MIDI adressieren.
Modulationen
Klangbewegungen und -animation gehören zu den Stärken des Instruments Der PolyBrute wartet mit je drei loopbare Hüllkurven und drei temposynchronisierbaren LFOs (bis 100 Hz) auf, die um etliche Spielhilfen und eine volle MIDI-Implementation ergänzt werden. Die Modulatoren lassen sich sich bis auf wenige Festzuweisungen über die übersichtliche Modulationsmatrix mit variabler Intensität routen. Bis zu 64 solcher Verknüpfungen sind pro Patch möglich, einschließlich der Möglichkeit, die Modulationsintensität selbst zu animieren. An dieser Stelle kann man sich also definitiv austoben. Ergänzend gibt es den Motion Recorder, der eine Reglerbewegung eines ausgewählten Parameters aufzeichnen und anschließend mit variablem Tempo wiedergeben kann.
Klang im Wandel
Jeder Klangspeicher verwaltet zwei komplette Parametersätze zwischen denen sich über den modulierbaren Morph-Regler und das Morphée überblenden lässt. Ganz links hört und justiert man Sound A, ganz rechts Sound B. Die Zwischenstellungen interpolieren zwischen diesen Einstellungen, was zu ergiebigen Klangveränderungen führt, für die man ansonsten etliche Spielhilfen und Modulationen benötigen würde. Das Konzept ist genial und schnell verständlich, dazu im analogen Bereich eine absolute Rarität. Ein wenig Zeit sollte man dennoch investieren, denn gestufte Parameter wie beispielsweise Schaltfunktion führen konzeptionelle zu Sprüngen. Entsprechend ist es oft sinnvoll, die Klangvarianten aufeinander aufzubauen.
Integrierter Sequenzer
Im PolyBrute gibt es seit jeher einen polyphonen Step-Sequenzer mit 64 Schritten, verschiedenen Laufrichtungen und Transponierfunktion, der mit den Klängen verwaltet wird. Wieder dient die Matrix der Visualisierung. Neben Notenwerten lassen sich schrittweise und in Echtzeit Pausen, Slides, Notenverlängerungen, Accents und bis zu drei Modulationen nutzen und bei Bedarf nachträglich editieren. Die Sequenzer selbst wiederum ist ebenfalls als Modulationsquelle nutzbar. Als Alternative bietet der PolyBrute einen Arpeggiator in mehreren Varianten, der seinerseits als Quelle für neue Step-Sequenzen herhalten kann.
FullTouch
Zu den wichtigsten Neuerungen des Arturia PolyBrute 12 gehört die eigenentwickelte FullTouch-Klaviatur mit 61 anschlagsdynamischen straff und ausgewogenen spielbaren Kunststofftasten. Die Besonderheit: Sie verfügt über einen polyphonen Aftertouch, der sich nicht nur am Ende des Tastenwegs auslösen lässt, sondern bei Bedarf über den gesamten Tastenhub. Je nach Modus lassen sich mehrere Parameter über bis zu drei Zonen der Modulationsmatrix zuweisen, um das Instrument bemerkenswert ausdrucksstark kontrollieren zu können. Der PolyBrute 12 kann so MPE-Klangerzeuger ansprechen, ist vor allem aber ein Synthesizer mit eigenständigen expressiven Funktionen.
Arturia PolyBrute 12 in der Praxis
Die neue Tastatur wendet sich an Synthesizer-Spieler. Sie wartet mit einer straffen Ansprache auf und lässt sich über konfigurierbare Dynamikkurven an den eigenen Geschmack anpassen. Die Besonderheit ist der erwähnte polyphone Aftertouch. Pitch- und Modulationsrad sind über das markante Morphée gerückt, das sich als 3-Achsen-Controller zwar gut bedienen lässt, aber nicht unbedingt grazil aussieht. Hinzu kommt der Ribbon-Controller, der in die Zierleiste oberhalb der Klaviatur eingelassen ist.
Die Steueroberfläche für die Klangparameter selbst ist außerordentlich üppig und durchaus übersichtlich – alle relevanten Parameter stehen ohne Doppelbelegungen sofort im Zugriff. Ergänzende Parameter sind über das Displaymenü zu erreichen, während sich die Modulationen über die Matrix kontrollieren lassen. Letztere stellt ihre mehrfarbigen LEDs auch dem Sequenzer, dem Morphing und dem Aufruf der 768 Klangspeicher helfend zur Seite. Bei der Menge der Klänge fehlt es mir derzeit noch an Möglichkeiten einer attributbasierten Suche. Allerdings kann man zumindest über die Software PolyBrute Connect hier schnell zu neuen Sortierungen gelangen.
Eine klare Verbesserung gegenüber dem Standardmodell ist die Polyphonie von zwölf Stimmen, die sich im Split- und Layerbetrieb, bei der Nutzung von MIDI und der Unisono-Funktion als Segen entpuppt.
Steuer-Software PolyBrute Connect
Mit der Registrierung des PolyBrute hat man kostenlosen Zugriff auf die Software PolyBrute Connect, die unter Windows und macOS die Parametersteuerung und Verwaltung der Sounds ermöglicht. Sie läuft standalone und in allen gängigen Plug-in-Formaten. Insbesondere letztere Variante ermöglicht es, Klangdaten des Instruments bequem mit dem DAW-Projekt zu speichern. Die Bedienoberfläche ist übersichtlich gestaltet und erlaubt eine gelungene Fernsteuerung aller Funktionen, die mitunter sogar gegenüber der Hardware erleichtert wurden.
Wie klingt der Arturia PolyBrute 12?
Der analoge Sprachschatz des PolyBrute 12 ist beeindruckend flexibel. Dabei weist das Instrument eine Eigenständigkeit auf, die ihn von der Konkurrenz klar abgrenzt. Anders als viele Mitbewerber, etwa Black Corporation, Sequential oder Oberheim, geht es Arturia weniger darum, in die Fußstapfen zweifelsfrei begehrenswerter Legenden zu treten, sondern einen eigenen Weg zu gehen.
Die Extras im Oszillatorbereich, die spezifische Filterkombination, die umfassenden Modulationsmöglichkeiten und das Morphing sprechen eine klare Sprache. Resultierend gehören Klänge mit einer gewissen Komplexität und Klangbewegung zu den Stärken des PolyBrute 12. Insbesondere bei Flächen und atmosphärischen Klängen ist der Synthesizer eine Wucht. Umgekehrt muss man einräumen, dass die Konstruktion anders und moderner als ein Klassiker klingt. Teils tönt er weniger roh, warm, druckvoll oder perkussiv. Weder kann noch will er diese Instrumente ersetzen. Ich ordne das Instrument daher als ideale Ergänzung zu einem Prophet oder OB-Synthesizer und anderen Klassikern oder Re-Issues ein.
Die Klangbasis der beiden Oszillatoren ist durch Zusätze wie PWM, Suboktave, FM und Sync ergiebig. Klangbreite und -fülle erreicht man durch den konfigurierbaren Unisono-Modus, Filter- und Voice-Panning, die digitalen Effekte sowie durch ein Stacking zweier Parts. Die Filter packen effektiv zu, unterscheiden sich klanglich und liefern einzeln und in Kombination ein ganzes Spektrum unterschiedlicher Sounds von satt über aggressiv bis übersteuert und knarzend.
Breite, warme oder transparente Flächen, wuchtige Bässe, Leads, Stabs oder Sequenzen sind unter den zahlreichen Presets ebenso zu finden wie ungewöhnliche Effektklänge. Sie lassen sich schnell und zielsicher umformen und um Modulationen ergänzen. Die üppige Modulationsmatrix, das Morphing und die mögliche Expressivität beim Spiel auf der FullTouch-Klaviatur bieten eine „Tiefe“, die man eher selten in analogen Instrumenten findet. Ein Traum!
Fazit
Der Arturia PolyBrute 12 ist ein wunderbarer Analogsynthesizer, der durch seine verdoppelte Polyphonie und die neue FullTouch-Klaviatur deutlich gegenüber dem regulären PolyBrute zulegt. Für den Mut zu einer solch aufwendigen Konstruktion möchte ich Arturia gratulieren und auch klanglich ein großes Lob für die eigenständige und flexible Architektur aussprechen, die einher mit einer generösen Bedienbarkeit geht. Mir gefällt es, dass Arturia den Blick vorwärts richtet und damit ein eigenes Profil schafft, das weniger auf die allgegenwärtigen Klassiker schielt. Sicherlich darf man einwenden, dass es sich immer noch um einen subtraktiven Analogsynthesizer handelt, aber wer leckt sich danach nicht die Finger? Mit seinem Straßenpreis von 3.899,- Euro ist der Arturia PolyBrute 12 sehr gut im Markt platziert, den Rest entscheiden der persönliche Geschmack und die finanziellen Mittel.
+ enorme Klangmöglichkeiten mit umfassenden Modulationen
+ großzügige Bedienoberfläche
+ zwölfstimmige Polyphonie
+ FullTouch-Klaviatur mit polyphonem Aftertouch
+ Morph-Funktion
– nur ein Stereoausgang
Hier findet ihr den PolyBrute 12 bei Arturia.
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