Synclavier Digital Regen – Desktop-Synthesizer
Das Synclavier II war einst eine Revolution und technischer Superlativ. Nun liefert der Mitbegründer und Chef-Programmierer von New England Digital, Cameron W. Jones, sein Synclavier Regen im Handel aus. Seine kompakte Neuinterpretation des Synclavier legt den Fokus auf die Klangerzeugung und verzichtet auf Hard-Disk-Recording und Sequenzer.
1976 ersannen Cameron Warner Jones und Sydney Alonso am Dartmouth College ein digitales System zur Klangerzeugung und gründeten mit Jon Appleton New England Digital (NED). Das Synclavier war der weltweit erste digitale Synthesizer und dank 8-Spur-Sequenzer sogar ein erster Schritt zur Entwicklung der DAW. Das Synclavier II von 1979 wartet mit additiver Synthese, Partial Timbre Synthese und FM auf. Monofones Sampling/HD-Recording folgte 1982, die Möglichkeit zur Resynthese 1983 und 1984 das 32-stimmige Poly-Sampling. Die Folgemodelle 3200 bis 9600 (1987–92) boten größere Ausbaustufen mit mehrspurigem HD-Recording, Sequenzer und mehr. Ein Technikkoloss im Rackformat, dem eine Holz-Klaviatur mit polyfonem Aftertouch, das V/PK, zur Seite stand.
NED betrat in den späten Siebzigern klangliches Neuland und ging mit höchstem Anspruch an den Start. Das machte ein Synclavier II nur für finanzkräftige Kunden erschwinglich, darunter Michael Jackson, Abba, Frank Zappa, Peter Gabriel, aber auch Produzenten wie Trevor Horn, Filmkomponisten wie Denny Jaeger oder Mute-Inhaber Daniel Miller. 1992/93 wurde NED dann Opfer der Wirtschaftskrise und technischen Fortentwicklung im Computerbereich. Teile der Firma gingen an Fostex und AirWorks, während verschiedene Mitarbeiter das Erbe des teuersten Synthesizer- und Produktionssystems aller Zeiten fortsetzten. Jones hält die Rechte am geistigen Eigentum des Originals. Unter dem Namen Synclavier Digital entwickelte er unter anderem eine macOS-Bedienoberfläche für das Original (Synclavier 3), kooperierte mit Arturia für das Synclavier V und schuf eine iOS-Version des Instruments (Go!).
Quadratisch, praktisch, gut.
Äußerlich hat das Desktop-Gerät (31 ´ 26 ´ 4,2 cm, 1,8 kg) im schwarzen Aluminiumgehäuse mit externem Netzteil nichts mit dem Original zu tun. Es bietet Stereoausgänge (XLR, TS), Kopfhörerausgang, MIDI In/Thru (3,5 mm) und eine USB-Schnittstelle zum Rechneranschluss (DAW-Mode). Hinzu kommen vier USB-Buchsen für Peripherie wie Controller-Keyboards. Ein SD-Slot dient dem Speichern und Laden von Klängen und Samples. Regen verzichtet auf eine Klaviatur, das markante Eingaberad, modulare Technik, aber auch auf mehrere Nullen im Preisschild.
Klangerzeugung und Software wurden penibel nachgebildet und sogar erweitert. Neben Jones und Alonso war auch Software-Entwickler Craig Phillips an der Umsetzung beteiligt. Regen (Firmware 1.06) kann durchschnittlich 98 Stimmen berechnen. Diese verteilen sich auf zwölf Tracks, die sich MIDI-Kanälen und Tastaturbereichen zuweisen lassen und über einen Mixer verfügen.
In den Tracks befinden sich Timbres, die ihrerseits aus zwölf Partials bestehen, wobei jedes Partial auf mehrere Syntheseformen und Sampling zugreifen kann. So arbeiten die Oszillatoren wahlweise additiv, können Samples wiedergeben, per Resynthese zerlegen, gegebenenfalls auch in Kombination mit Sample-Attacks. Auch subtraktive Wellenformen und ein Rauschgenerator sind verfügbar. Hinzu kommen stets ein FM-Modulator, ein stimmbasierter Chorus und ein Bitcrusher. Auf Timbre-Ebene gibt es ferner ein resonanzfähiges Multimodefilter pro Note und ein statisches EQ-Filter. Hinzu kommt ein Nachhall pro Track und für die Stereosumme. Für Modulationen stehen pro Timbre je 24 Hüllkurven und LFOs bereit, ergänzt um MIDI-Controller und Spielhilfen, die sich per Matrix zuweisen lassen. Arpeggiator und Portamento fehlen ebenso wenig wie die Unterstützung von polyfonem Aftertouch und MPE.
Synthese-Parcours und Samples.
Die additive Synthese arbeitet mit bis zu 24 in Pegel und Phase editierbaren Obertönen. Sie sind in überblendbaren Frames in der Lage, spektrale Veränderungen abzubilden. Das gilt auch für die Resynthese, die Klangveränderung automatisch in multiple Frames ablegt.
Bis zu 48 Samples kann ein Partial bereithalten und über die Klaviatur und den Dynamikbereich verteilen. So lassen sich über die Partials und den Track-Multimode komplexe Multisamples und Drumkits aufbauen, einschließlich einer Umschaltung ganzer Sample-Sets per Partial Crossfader. Eigene Samples kann man nicht erstellen, jedoch in Standardformaten in bis zu 300 MB Speicher laden.
Grundsätzlich steht dem Oszillator eines Partials besagter FM-Modulator mit additiver Wellenform zur Seite. Das bietet zwar nicht die Tiefe eines DX7, erfüllt aber die Aufgabe, effizient Obertöne ergänzen zu können.