Songtexte werden simpler, persönlicher und negativer
Früher war alles besser? Zumindest war vieles anders und das ist grundsätzlich positiv, da es eine Entwicklung impliziert. Das gilt natürlich auch für Musik. Diese entwickelt sich allgemein permanent. Es entstehen neue Genres und Subgenres, aber auch diese verändern sich natürlich selbst. Man kann Popmusik aus den 70ern kaum mit Songs aus den 90ern vergleichen, ebenso hat heutiger Heavy Metal ein ganz anderes Gesicht wie in den 80ern.
Eine nun bei “Scientific Reports” veröffentlichte Studio hat sich speziell der Entwicklung von Songtexten gewidmet. Es wurden 353.320 englischsprachige Songs aus der Zeit von 1970 bis 2020 bezüglich ihres Inhaltes und Aufbaus analysiert. Man hat fünf Genres gewählt: Rap, Country, Pop, R&B und Rock.
Dabei ließen sich bestimmte Tendenzen erkennen, die sich allgemein, aber auch unterschiedlich bei diesen Genres abzeichneten. Es gibt eine Zunahmen an repetitiven Mustern, also sich wiederholenden Zeilen. Das heißt, dass der Inhalt weniger komplex ausfällt. Bei Rap ist die stärkste Steigerung dieses Aspektes zu verzeichnen, bei Pop und Rock ist die Ausprägung aber seit jeher am höchsten.
Ein Grund dafür wird in den veränderten Hörgewohnheiten vermutet. Musik wird oft im Hintergrund laufen gelassen und Songs sollen sich auf diesem Weg einprägen. Anderen Analysen zufolge hat sich auch der Aufbau der Songs verändert, sie sind kürzer geworden und steigen mit der prägnanten Zeile ein. Das sei durch Play-Listen und Streaming-Angebote bedingt, bei denen die Hörer nach wenigen Augenblicken entscheiden, ob ein Track geskipt wird oder nicht.
Inhaltlich ist eine größere Ich-Bezogenheit zu beobachten, mit einer Tendenz zu negativen Emotionen wie Traurigkeit, Enttäuschung und Wut. Titel und Texte verwenden häufiger Wörter wie “ich” und “mein”. Die Themen reflektieren oft das persönliche Umfeld, um eine allgemein Wertung und Weltsicht geht es immer weniger. Auch bei diesem Aspekt liegt eine große Steigerung bei Rap vor, während es bei Country am geringsten ausfällt.
Bereits vor fünf Jahren gab es eine Universitätsstudie, die überraschenderweise feststellte, dass es in den Texten von Pop-Musik im Grunde genau so oft gewalttätig, diskrimminierend und sexistisch zugeht, wie bei Rap, also dem Genre, dem spätestens seit dem Subgenre Gangster-Rap diese Tendenz per se unterstellt wird. Der große Unterschied liegt jedoch in der Art der Musik, die bei Pop eine eher überwiegend Ausstrahlung hat, was in der Kombination natürlich als problematisch eingestuft wird. Für diese Studio wurden allerdings nur 400 Songs (aus den Genres Rap, Hip-Hop, Rock, Pop, Country, Heavy Metal und R&B) ausgewertet, die in der Zeit zwischen 2006 und 2016 in den US-Charts oben platziert waren.
Diese Untersuchungen sind aus soziologischer und wissenschaftlicher Sicht sicherlich interessant und auch notwendig, doch was bedeutet es für Musiker? Es wurde ja bereits produzierte Musik ausgewertet. Aber kann man daraus Schlüsse für die zukünftige Arbeit ziehen? Sollte man seine nächsten Texte an diesen Erkenntnissen ausrichten, da sie ein Teil eines “Erfolgsrezeptes” zu sein scheinen? Oder macht man genau das Gegenteil, legt wieder höheren Wert auf komplexere Texte mit tiefer gehenden Aussagen, um sich so vom Mainstream abzuheben? Was meint ihr?