Der Vollgas-Synth

Radikal Technologies Accelerator – Synthesizer im Test

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Radikal Technologies Accelerator_01

Die in München ansässige Firma Radikal Technologies, die sich mit dem Controller SAC 22 und dem kultigen Spectralis weltweit einen guten Namen in der Hardwareszene gemacht hat, tritt wieder kräftig aufs Gaspedal und bringt ein neues Synth-Schwergewicht an den Start.

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An Bord des neuen Boliden, der auf den schnittigen Namen Accelerator hört, sind eine virtuell-analoge Klangerzeugung, die mit einigen Besonderheiten ausgestattet ist, sowie ein leistungsfähiger Stepsequenzer und Arpeggiator. Das Entwicklerteam um Jörg Schaaf wendet sich mit dem Gerät nicht nur an Studiotüftler, es bietet auch viele Features für den Bühnenkeyboarder.

Äußerliches des Radikal Technologies Accelerator 

„Ja, so muss ein Synthesizer aussehen“, denkt man beim Erstkontakt mit dem Accelerator unwillkürlich: edle Holzseitenteile, ein stabiles Metallgehäuse mit geschmackvoller Farbgebung (man will sich ja auf der Bühne auch nicht schämen), das mit 9 kg nicht allzu schwer ist. Eine ausreichende Zahl von Reglern auf der leicht angeschrägten Bedienoberfläche sorgt für ein gutes Grundgefühl. Dieses steigert sich noch beim Antesten der fünfoktavigen, halbgewichteten Tastatur von Fatar (TP8), die ein sehr gutes Spielgefühl vermittelt und mit Channel-Aftertouch ausgestattet ist.

Die Regler entpuppen sich ausnahmslos als hochwertige Push-Encoder, die nicht gerastert sind. Das Display mit den drei zugeordneten Reglern ist kein Riese, genügt aber den Anforderungen und ist gut lesbar. Die Sounds können in 500 Single- und 300 Performance-Speichern gesichert werden und sind für die Anwahl in neun Soundkategorien mit zugeordneten Tastern organisiert. Ein Performance-Patch umfasst Split, Layer und Sequenzer- bzw. Arpeggiator-Einstellungen. Auf der Rückseite findet man vier analoge Ausgänge, einen Kopfhörerausgang (den ich lieber auf der Vorderseite gesehen hätte), einen S/PDIF-Ausgang (bis zu 96 kHz) sowie USB- und MIDI-Anschlüsse.

Es gibt auch noch zwei Audioeingänge, durch die man etwa einen zweiten Synthesizer auf der Bühne anschließen kann und sich so ein Mischpult für den Submix spart; allerdings durchläuft dieses Signal zwar die Effektsektion, aber nicht die Klangerzeugung des Synthesizers.

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Klangerzeugung des Radikal Technologies Accelerator 

In der Grundversion bietet der Synth acht Stimmen, die jeweils mit drei Oszillatoren arbeiten und zweifach multitimbral spielbar sind. Nicht alltäglich ist die Möglichkeit, die Oszillatoren schon auf Wellenformebene stufenlos zwischen verschiedenen Wellenformen überblenden zu können und auch in der Symmetrie zu deformieren. Alle Oszillatoren können von Oszillator 2 und 3 phasenmoduliert werden. Dadurch lassen sich bereits schöne breite und lebendige Sounds realisieren. Die Oszillatoren können außerdem miteinander synchronisiert und ringmoduliert werden. Schön, dass man dem Synth nicht nur eine Portamento-, sondern auch eine Glissando-Funktion mit vielen Einstellmöglichkeiten spendiert hat.

In der Filtersektion findet man zwei Multimode-Filtermodule, die sich auf Wunsch auch seriell verschalten lassen. Sie verfügen jeweils über Low-, High-, Band- und Notchfilter-Typen, die sich entweder mit 12 oder 24 dB Flankensteilheit betreiben lassen. Auch ist hier bereits in der Filtersektion ein dreibandiger vollparametrischer EQ vorhanden, der bei vielen Sounds für den speziellen Charakter sorgt. Zur Erzeugung geräuschhafter Sounds steht ein Noisegenerator mit eigenem, speziellem Noise-Filter zur Verfügung. Es gibt sechs Hüllkurvengeneratoren mit AHDSR-Charakteristik und vier LFOs. Grundsätzlich ist die Tonerzeugung stereophon aufgebaut und die Filterausgänge lassen sich im Panorama verteilen und per LFO modulieren, wodurch sehr räumliche Sounds entstehen.

Die umfangreiche Modulationsmatrix punktet auf der Stimmenebene mit der möglichen Verknüpfung von 32 Quellen (darunter auch Spezialitäten wie z. B. Release-Velocity) auf 80 Modulationsziele; darüberhinaus kommen auf globaler Ebene nochmal acht Routing-Kanäle hinzu. Eine exotische Modulationsquelle wird durch den integrierten Neigungssensor bereitgestellt: Kippt man den Synthesizer auf der Bühne bei extatischem Spiel an, kann das dann auch hörbar gemacht werden; ein weiteres innovatives Feature, das nicht nur Keith Emerson vor Neid erblassen und live die Stimmung überkochen lässt.

String-Filter

Zu den Spezialitäten des Accelerator zählt das ungewöhnliche String-Filter, mit dem man z. B. sehr gut Gittarrensaiten emulieren kann. Es beruht auf Karplus-Strong-Synthese die bei Algorithmen zur Erzeugung virtueller Instrumente häufig eine zentrale Rolle spielt. Hiermit lassen sich wunderbar ausdruckstarke und dynamisch spielbare Klänge erstellen, insbesondere, wenn man zentrale Parameter des String Filter wie String-Feedback oder Dämpfung moduliert oder mit Velocity, Aftertouch oder Fußpedal steuert.

Effekte

In der Effektsektion lassen sich vier EffektBusse mit einer Reihe von detailreich editierbaren Effekttypen bestücken. Darunter befinden sich neben Reverb, Delay und diversen Modulationseffekten auch ein Leslie und eine sehr gut einsetzbare Distortion/OverdriveAbteilung. Die Effektqualität liegt deutlich über dem Durchschnitt vergleichbarer On-Board- Effekte, sodass man im Studio nicht gezwungen ist, externe Prozessoren zu benutzen. Aktuelle Bitreducer- oder Grain-Effekte findet man hier nicht, aber hier gilt wie so oft das Motto: lieber Klasse als Masse.

Radikal Technologies Accelerator_02

Sound

Der Accelerator verfügt über einen edlen und breiten Basisklang: Von brachialen Aggressor-Sounds über schiebende Bässe bis hin zu seidigen Pads werden hier alle Synthesizerdisziplinen kompetent abgedeckt. Geräuschhafte Spektren lassen sich dank Ringmodulation, aufwendig parametrisiertem Noisegenerator und Crossmodulation im Handumdrehen realisieren. Ein Highlight ist das String-Filter: Hier lassen sich wunderbar dynamisch spielbare, lebendige Sounds generieren, die manchmal an Naturinstrumente erinnern können, aber nicht müssen. Sehr schön sind diese Sounds auch in Verbindung mit den gelungenen Verzerrer-Effekten – überhaupt klingt die ganze Effektsektion toll. Die DSP-erzeugten Filter können ihre digitale Herkunft nicht verleugnen und formen den Klang etwas analytischer und nicht so organisch wie etwa die analogen Spectralis-Filter. Dennoch gehören sie in der Riege der virtuellanalogen Klangerzeuger zu den gut klingenden Filtern.

Masterkeyboard

Der Accelerator besitzt eine Menge Möglichkeiten zum Splitten und Mappen von Tastaturzonen mit flexiblen MIDI-Routings und zum Steuern externer Synths. Dadurch lässt er sich sehr gut als Masterkeyboard im Studio, aber auch auf der Bühne einsetzen. Live-Musiker werden auch die praktische Chain-Funktion zu schätzen wissen, mit der man Sounds mit einem Fußschalter umschalten kann.

Sequenzer und Arpeggiator

In der Basisversion sind zwei polyfone Sequenzer-Sektionen an Bord, die jeweils mit vier Spuren mit maximal 32 Steps ausgestattet sind; nach dem Einbau eines kostenpflichtigen Expansion-Moduls erweitert sich die Zahl der Sequenzer-Sektionen auf acht. Eine der acht Spuren ist für die Noten reserviert und lässt sich in Realtime transponieren, die anderen drei lassen sich auf eine der vielfältigen Modulationsziele routen, sodass hier viel Leben ins Klangbild kommt. Alle Editierungen sind bei laufendem Sequenzer möglich. Schritte lassen sich überspringen und muten, die vier Spuren können eine individuelle Abspielrichtung und Länge haben. Die Sequenzen können aneinandergehängt und in einem der 100 SongChain-Speicherplätze abgelegt werden.

Der Sequenzer ist ein mächtiges KreativWerkzeug mit vielen Möglichkeiten, wie z. B. der pfiffigen automatischen Transpose-Funktion. Unverständlich bleibt allerdings die Entscheidung der Entwickler, auf eine Swing-Quantisierung zu verzichten; schließlich erzeugt man oft erst mit dem leichten „Answingen“ einer Sequenz das richtige Groove-Gefühl. Etwas schade ist auch, dass die Sequenzen in der momentanen OS-Version nicht per MIDI ausgegeben werden; hier besteht noch Nachbesserungsbedarf. Wie beim Step-Sequenzer gibt es auch beim Arpeggiator zwei unabhängige Module, die sich per DSP-Option erweitern lassen. Der Arpeggiator bietet neben Standardfunktionen wie Up, Down, Random etc. viele Parameter zur individuellen Anpassung des Abspielverhaltens. Klasse ist auch die Möglichkeit, eigene Arpeggiator-Motive zu erstellen und abzuspeichern.

Erweiterungen

Die Polyfonie des achtstimmigen Basismodells kann mithilfe zusätzlicher DSP- Module auf maximal 32 Stimmen erweitert werden (je Expansion 12 Stimmen Zuwachs). Geplant ist außerdem auch ein kostenpflichtiges Zugriegel-Softwareupdate, das den Synth mit einer Zug riegel-Orgel-Emulation inklusive zusätzlicher Klangerzeugungs-Algorithmen ausstattet. Die 61-stimmige Orgel-Emulation setzt mindestens eine DSP-Erweiterung voraus, nimmt dem Synth dann aber keine Stimmen weg. So hätte man bei einer installierten DSP-Erweiterung 20 Synth-Stimmen plus (!) 61 Stimmen für die Orgel. Aufgrund der Masterkeyboard-Fähigkeiten könnte man sich in einer Performance die Orgel beispielsweise auf ein weiteres angeschlossenes Manual legen und so Orgel und Synthesizer gleichzeitig spielen. Der Preis für das Orgel-Upgrade steht noch nicht fest, es soll aber relativ preiswert (um 30 Euro herum) angeboten werden können.

Bedienung

Der Accelerator gehört zu den Synths, die sich gut bedienen lassen, allerdings erfordert dies vom User eine gewisse Einarbeitungszeit, in der das didaktisch gelungene Handbuch öfter mal zu Rate gezogen werden muss. Die Anwahl der Parameter geht mit der Matrix und dem Display ohne tiefes Menü-Abtauchen gut von der Hand, wenn man das Prinzip einmal verinnerlicht hat. Klasse sind auch der FX-Bypass-Schalter und der Regler für den Effektanteil; so kann man Sounds beim Editieren blitzschnell ohne Effekte hören (was bei vielen anderen Synths keine Selbstverständlichkeit ist), und auch auf der Bühne kann eine beherzte Reduzierung des Effektanteils in manchen Situationen lebensrettend sein.

Die Regler und Schalter arbeiten prima; wünschenswert wäre vielleicht, dass man den Regelbereich mancher Encoder eingrenzen könnte, um z. B. die Cutoff-Frequenz mit einer Drehung zu durchfahren. Bei der Bedienung des Sequenzers muss man kleine Kompromisse machen, da nur immer acht Schritte im Lauflichtmodus gezeigt werden können; das Umschalten auf die nächsten Sequenz-Segmente wird dann mit der Tastatur bei gehaltenen Funktionsknopf vorgenommen. Im Hinblick auf den Live-Einsatz hätte ich mir etwas mehr Komfort gewünscht. Eine schöne Sache ist die Randomize-Funktion: Nach Betätigen des Randomize Knopfes drückt man einen Schalter mit den neun Soundkategorien (Bass, Lead, Pad etc.) und erhält dann relativ zielgerichtet einen neuen Sound, wobei die Ausbeute von brauchbarem bis sehr gutem Material erstaunlich groß ist.

Fazit

Der Accelerator verschafft sich durch seine hervorragenden Klangeigenschaften einen Startplatz in der ersten Reihe der DSP-basierten Top-Synths wie dem Access Virus, dem Clavia Nordlead und dem Arturia Origin. Für knapp 2.000 Euro erhält man mit dem Accelerator einen aktuellen VA-Synth, der nicht nur großartig klingt, sondern auch mit vielen ungewöhnlichen Features ausgerüstet ist. Hervorzuheben sind hier das String-Filter (das momentan seinesgleichen unter den aktuellen Synths sucht) und die Masterkeyboard-Funktionen. Beim Sequenzer wären noch kleine Nachbesserungen nötig, aber ansonsten hat Radikal Technologies alles richtig gemacht. Die Minuspunkte relativieren sich aber, da uns versichert wurde, dass eine Swing-Funktion und auch die MIDI-Ausgabe des Sequenzers in einem der nächsten Betriebssystem-Updates nachgereicht werden

Plus/minus

+ sehr gute Klangeigenschaften
+ String Filter
+ hochwertige Tastatur und gut verarbeitete Hardware
+ Masterkeyboard-Funktionen

– fehlende Swing-Funktion
– keine MIDI-Ausgabe beim Sequenzer

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