M-Audio Venom – virtuell-analoger Synthesizer im Test
M-Audio geht mit seinem Synthesizerdebüt Venom in die Offensive und versucht, sich durch die virtuell-analoge Konkurrenz zu beißen.
Die virtuell-analoge Revolution setzt ihren Siegeszug unvermittelt fort und ruft nun auch einige Synthi-Newbies wie etwa M-Audio auf den Plan, die es sich auf die Fahne schreiben, das Feld der Standort-Ältesten mit frischen Ideen und einem individuellen Ansatz kräftig aufzumischen. Schlängeln wir uns also mal durch Konzept und Aufbau.
Konzept des M-Audio Venom
Synthesizer, Controller oder Audiointerface – der wandelbare Venom möchte alle glücklich machen. Im Innern des mit 49 Tasten bestückten Geräts im weißen Unschuldsgewand steckt ein zwölfstimmiger und vierfach multitimbraler Synthesizer der virtuell-analogen Gangart. Die Klangerzeugung des Venom beruht allerdings nicht, wie man erwarten könnte, auf voll-virtueller Modeling-Technologie. Stattdessen werden die drei vorhandenen Oszillatoren mit 41 Wellenformen und 53 Drumsounds auf Samplebasis befeuert. Im Bereich der Klanggestaltung stehen M-Audios Neuling neben Sync, FM-, Pulsweiten- und Ringmodulation jeweils ein Dreierpäckchen (Low-, High- und Bandpass) „oberheimiger“ 2-pol- (12 dB/Oktave) und „moogiger“ 4-pol-Filter (24 dB/Oktave) zur Seite. Im Auslieferungszustand residieren auf den vorhandenen Speicherplätzen des Venom insgesamt 512 Single- sowie 256 gelayerte Multi-Patches.
Äußerlich zeigt sich der Venom mit einer konsequent klaren Struktur und einer äußerst übersichtlichen Bedienoberfläche. Auf der linken Seite befinden sich neben Arpeggiator-Einheit, Mod- und Pitch-Wheel im Wesentlichen die Potis des integrierten Audiomischers für den rückseitigen Gitarren-, Mikrooder Klangerzeuger-Anschluss. Über eine mit „PERFORMANCE CONTROL“ überschriebene Reglermatrix mit vier parallel nutzbaren Encodern über sechs Parameterzeilen hat man Zugriff auf zum Beispiel Filtereinstellung, LFO und Hüllkurve. Im MODE-Bereich lässt sich der Venom auf die drei verschiedenen Betriebsarten SINGLE, MULTI und PATTERN einstellen, wobei der Pattern-Mode Synth-Grooves oder Drumloops abspielt, die über die Tasten einer Split-Zone gestartet werden und zu denen man dann in einer anderen Split-Zone zusätzlich selber spielen kann. Geänderte Programme lassen sich per STORE-Taster speichern. Die Preset-Navigation wird über einen vierstufigen Bank-Selektor (leider nur aufwärts durchsteppend) im giftgrünen LED-Display in Kombination mit einem VALUE benannten Endlosdrehregler realisiert. Über die angegliederte MULTI-CONTROL-Ecke lassen sich die maximal vier verwendbaren Part-Elemente eines Multi- oder Pattern-Programms per Direktzugriff einzeln aktivieren, muten oder selektieren.
M-Audios Venom zeigt sich überaus kontaktfreudig. Neben den schon genannten Audioeingängen eröffnet die Rückansicht noch ein paar weitere nützliche Aussparungen im weißen Hochglanzkunststoff. Zusätzlich zur mittlerweile obligatorischen USB-Schnittstelle finden sich außer Main-Out, Expression- und Sustain-Pedal-Anschluss auch die zugegebenermaßen ein wenig in die Jahre gekommenen, aber immer noch nicht obsoleten MIDI-In und -OutBuchsen. Der analog zu den anderen Klinkenbuchsen ebenfalls vergoldete Kopfhörerausgang befindet sich im Übrigen vorbildlich auf der Vorderseite des Geräts.
Bei der Begutachtung eines neuen Keyboard-Synthesizers geht der erste Griff trotz allem doch erst einmal unweigerlich in Richtung Tastatur. Und diese entpuppt sich beim M-Audio Venom mit einem griffigen und dynamischen Spielgefühl als wirklich überdurchschnittlich gut. Ein Blick zur Seite offenbart ein erstes technisches und leider bei vielen Herstellern immer noch im Bereich Sonderausstattung rangierendes Highlight in Form eines (besonders im Livebetrieb) nützlichen TAP-Tempo-Buttons. Auch der hier untergebrachte Arpeggiator ist gut zugänglich und macht mit seiner klassischen Arbeitsweise (rauf/runter) einen soliden Job. Dieser zur LFO- oder Pattern-Synchronisation quasi unerlässliche Knopf sollte heutzutage eigentlich ähnlich wie Pitch-Bender und Modulationsrad zur nicht verhandelbaren Grundausstattung eines jeden potenziell bühnenfähigen Synthesizers gehören. M-Audio geht hier mit gutem Beispiel voran.
Die programmatisch klare und aufgeräumte Struktur spiegelt sich auch in der überwiegend intuitiven Bedienung des Venom wider. Diese Klarheit bringt neben allen Vorteilen der Übersichtlichkeit aber auch gewisse Einschränkungen mit sich. Während eine Parametersektion mit vier Reglern und sechs Zeilen im Studiobereich wenig Kopfschmerzen bereiten dürfte, kann es beim „gleichzeitigen“ Justieren von LFO, Hüllkurve und des 1.024-stufigen (!) Cut-Off-Filters auf der Bühne schon mal leicht ein wenig hektisch werden. Letztgenannter Resonanzfilter verfügt neben seiner mikrofeinen Abstufung ebenfalls über eine integrierte, „Drive“ liefernde Röhrensättigungssimulation, von welcher nicht nur die interne Klangerzeugung, sondern auch rückseitig eingespeiste Signale profitieren können.
Beim Durchspielen der über die Knöpfe und Regler zugänglichen Funktionen des Venom sammelt sich allerdings schnell eine nicht unerhebliche Akte voller „Vermisstenanzeigen“ an. So sucht man beispielsweise Einstellmöglichkeiten für die globale Stimmung oder die Option einer Wellenformauswahl für die drei vorhandenen Oszillatoren direkt am Gerät vergebens. Erst die Installation des für Mac und PC mitgelieferten und von Psicraft entwickelten Softwareeditors Vyzex vermag diese Lücke zu schließen und entlarvt das geräteseitige Regelangebot nachträglich als ziemlich mutige Sparversion. Hier wäre zumindest mit Fokus auf den potenziellen Live-Einsatz die Integration frei programmier- und belegbarer Encoder von enormem Vorteil gewesen. Inwieweit sich eine solch konzeptionell rechnergestützte Programmierpraxis auch außerhalb einer geschützten Studioumgebung behaupten wird und kann, bleibt abzuwarten.
I und O
Im Audiointerface-Betrieb integriert sich der Venom dank der mitgelieferten Treiber nahtlos in ein vorhandenes DAW-Setup. Auch die vorgesehene und bei M-Audio ziemlich naheliegende Verwendung als MIDI-Controller bereitet keinerlei Schwierigkeiten. Die Audio-Einbindung ist mit den Mixfunktionen am Gerät recht praktikabel gelöst. Wunder sollte man allerdings bei einer eher mäßigen Per formance von um die 18 ms Latenz und einer festgelegten Abtastfrequenz von 44,1 kHz (24 Bit) nicht erwarten. Etwas schade finde ich den Umstand, dass man sich bei der Konzeption des durchaus nützlichen Mikrofoneingangs nicht zum Einbau einer XLR-Buchse (vielleicht für ein Schwanenhalsmikro …) durchringen konnte. Abgesehen von diesen Kritikpunkten stellt die zumindest für eine unkomplizierte Demoproduktion brauchbare Audiointerface-Funktionalität einen nicht von der Hand zu weisenden Mehrwert dar.
Sounds like?
Ja, der Venom hat ohne Zweifel Biss! Trotz seiner analog-reproduktiven Ambitionen klingt M-Audios Venom vor allem ausgesprochen individuell und eigenständig. Von raumgreifenden Ambients über Beat-Solo-Kombis bis hin zu luftzerteilenden Leads bedient er eine mehr als zufriedenstellende Klangpalette. Selbst Skeptiker, die aufgrund der samplebasierten Oszillatortechnik bei der aufgedruckten Bezeichnung „Virtuell Analog“ zunächst einmal einen Etikettenschwindel vermuten, dürften nach eingängiger Hörkontrolle eines Besseren belehrt werden. Auch die als Röhrensättigungs-Simulation proklamierte Möglichkeit, die virtuellen 2- und 4- pol-Filter in den obertonhaltigen Verzerrungsbereich zu schubsen, weiß durchaus zu gefallen. Die von Grund auf neu kreierte Klangerzeugung des Venom trägt die eindeutige Handschrift einer konsequent ergebnisorientierten Entwicklungspolitik. Klangliche Einschränkungen sind lediglich im Effektbereich zu verzeichnen. Während die in Form von Kompressor, EQ und Distortion vorhandenen Insert-Effekte noch einen durchweg guten Dienst verrichten, sollte man das klangliche Potenzial der gebotenen SummenEffekte wie Reverb, Delay und Chorus eher als komplettierende Verlegenheitsdreingabe betrachten.
Fazit
Nach ausgiebiger Prüfung hinterlässt der M-Audio Venom durchaus gemischte Gefühle. In klanglicher Hinsicht geht die Rechnung aus Multisamplebasis und virtuellem Filter-Modeling im vollen Umfang auf. Trotz ambitionierter Klanggestaltung nach klassischen Vorbildern überzeugt der weiße Giftmischer mit einem selbstbewussten und vor allem überraschend frisch daherkommenden, individuellen Sound. Jedoch ist die Bedienung im Standalone-Betrieb in meinen Augen weder „Fisch noch Fleisch“ (wenn einem Vegetarier dieses Urteil zusteht). Was rückblickend natürlich die Frage aufwirft, inwieweit ein guter Software-Editor auf lange Sicht in der Lage ist, das User-Interface am Gerät nach und nach zu ersetzen. Persönlich wünsche ich mir für nachfolgende Gerätegenerationen in diesem Punkt auf jeden Fall mindestens zwei Wege nach Rom. Dennoch sollte der Venom nicht zuletzt wegen seines guten Sounds und einer nicht unaggressiven Preisgestaltung in der Lage sein, schnell Freunde zu finden.