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Arturia Polybrute – Polyfoner Analogsynthesizer im Test

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(Bild: Vanessa Strub 2020)

Seit der Markteinführung des MatrixBrute zum Jahreswechsel 2016/17 wurde über einen möglichen polyfonen Analogsynthesizer von Arturia spekuliert, der nun real vor mir steht. Ein beeindruckendes Instrument, sechsstimmig, duotimbral und voll programmierbar – für etwa 2.500 Euro. Respekt!

Bereits äußerlich ist Arturia ein ansprechendes Instrument gelungen, das dank 5-Oktaven-Klaviatur direkt spielbar ist. Die aus den Vollen schöpfende, nicht klappbare, aber gut strukturierte Bedienoberfläche ist mit etlichen Reglern, Fadern und Spielhilfen sowie einer 12 x 8 Tastenmatrix und einem Graphikdisplay bestückt. Der Zugriff auf die Klangerzeugung ist oft direkt möglich. Erst bei den Modulationsverknüpfungen nimmt man aufgrund der komplexen Möglichkeiten Umwege. Der Gesamteindruck ist durchaus wertig und die Verarbeitung passt.

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Der Signalweg. Zunächst ist der PolyBrute ein klassischer subtraktiver Synthesizer. Dabei wartet er mit einer leistungsstarken Modulationssektion, Morphing, integrierten Effekten und einer doppelten Filtersektion auf, mit denen er sich von klassischen Geräten absetzt. MIDI, Aftertouch und Anschlagsdynamik gehören heute ebenso selbstverständlich in das Leistungsspektrum wie Speicherbarkeit.

Pro Stimme gibt es zwei VCOs, Suboszillator, Rauschgenerator, je zwei Filter und VCAs sowie drei digitale Effektsektionen. Modulationen erfolgen über je drei Hüllkurven und LFOs mit Matrix-Routing. Neben der anschlagsdynamischen und Aftertouchfähigen Klaviatur mit Modulations- und Pitchrad gibt es Möglichkeiten zum Morphing, Step-Sequencer und Arpeggiator, einen Ribbon-Controller sowie das sogenannte Morphée – ein X/Y-Pad, das sich in seiner Gesamtheit herunterdrücken lässt (Z-Achse). Jedes Patch bietet eine A- und B-Sektion, wobei sich die Sounds alternativ, mit Morphing oder gleichzeitig nutzen (Split/Layer) lassen. Hinzu kommen monofone Betriebsarten, Unisono und dynamisches Unisono.

Zwei VCOs und ein Rauschgenerator bilden das Klangfundament im PolyBrute. (Bild: Vanessa Strub 2020)

Anschlussseitig gibt es einen Stereoausgang, einen frontseitigen unabhängigen Kopfhörerausgang, ein MIDI-Trio, USB, eine Buchse für das interne Netzteil und Anschlüsse für ein Sustain- und zwei Expression-Pedale. Hinzu kommen analoge konfigurierbare Clock-Ein- und Ausgänge und ein Speicherschutzschalter.

Für VCO 1 stehen Sägezahn-, Dreieck- und variable Pulswelle simultan zur Verfügung, die per Waveshaping (Metalizer) angezerrt werden können. Aus dieser Mischung erwachsen klassische, aggressivere und nahezu digitale Klangfarben. Gegenüber dem MatrixBrute entfallen die Ultrasaw-Option und der Suboszillator. VCO 2 bietet die gleichen Basiswellenformen und ersetzt den Metalizer durch einen einfachen Suboszillator – um ein kräftiges Fundament braucht man sich also keine Sorgen machen. Die Oszillatoren können abgestuft synchronisiert werden. Dazu kann man VCO 2 als Modulator für seinen Partner nutzen, um disharmonische und metallische Klänge hervorzubringen. Die FM-Präzision ist zwar nicht mit digitalen Systemen zu vergleichen, liefert aber gleichwohl willkommene zusätzliche Klangelemente. Über einen Mixer gelangen die VCOs und der filterbare Rauschgenerator in die Filter.

Im PolyBrute sorgen zwei unterschiedliche Filtersektionen für charakterstarken
Sound.
(Bild: Vanessa Strub 2020)

Wie im MatrixBrute setzt Arturia auf ein Steiner-Parker-Multimode- und ein Kaskadenfilter in Tiefpasskonfiguration – beide fähig zur Selbstoszillation. Dabei lassen sich die VCOs und der Rauschgenerator einzeln auf einen oder beide Filterstränge routen, die ihrerseits gepegelt und stufenlos von einer seriellen in eine parallele Konfiguration überführt werden können.

Das Steiner-Parker-Filter kann per Regler von Tief- über Hoch- in Richtung Bandpass verändert werden und arbeitet mit einer Flankensteilheit von 12 dB/Okt. Das Ladderfilter steht in Moog-Tradition, verliert aber selbst bei hoher Resonanz keine Bässe und bleibt im Pegel konstant. Übergreifend agiert ein größerer Cut off-Regler, der die Einsatzfrequenz beider Filter gleichzeitig verschiebt. Im Unterschied zum Matrix-Brute wurde übrigens zugunsten der Morphing-Funktionen in beiden Filtern auf eine umschaltbare Flankensteilheit und den Drive-Regler des Steiner-Parker-Filters sowie dessen Notch-Betriebsart verzichtet.

Filter und Stimmen lassen sich im Stereopanorama verteilen, wodurch sich Potenzial für bewegte und breite Klänge ergibt, noch bevor die folgende Effektsektion zum Einsatz kommt. Dort hat man im ersten Slot die Wahl zwischen verschiedenen Modulationseffekten, Ringmodulator und Bitcrusher, während die folgenden Bereiche für Delay und Reverb in unterschiedlichen Varianten reserviert sind. Die Effekte lassen sich als serielle Kette durchlaufen, für Delay und Reverb als Send-Weg adressieren oder auch komplett überbrücken. Die Qualität geht in Ordnung, die Parameterausstattung ist eher reduziert. Für den Liveeinsatz und das Einflechten in Klanggebilde sind sie willkommen, zumal sich die Effektparameter als Modulationsziele adressieren lassen.

Modulationen

Pro Stimme stehen je drei LFOs und ADSR-Hüllkurven sowie ein ergänzender Vibrato-LFO bereit. Die Hüllkurven 1 und 2 sind dem VCA und den Filterfrequenzen zugeordnet und lassen sich über die Anschlagsdynamik steuern. Die dritte Modulationshüllkurve verfügt stattdessen über einen Delay-Parameter. Filter- und Modulationshüllkurve sind über die Matrix zuweisbar. Ergänzend kann man die Regelcharakteristiken der Hüllkurven über das Menü ändern und so zackige und lange Regelzeiten realisieren.

Weiter gibt es Loop-Möglichkeiten für alle Hüllkurven. Die LFOs 1 und 2 bieten je sieben Wellenformen und Geschwindigkeiten von 0,02 bis 100 Hz inklusive variabler Synchronisierung zum Preset-Tempo. LFO 1 bietet eine regelbare Phase und unterschiedliche Triggermodi, während LFO 2 einen Fade-In/Delay-Parameter offeriert. LFO 3 beschränkt sich auf eine verformbare Dreieckswelle und kann auch als One-Shot arbeiten. Zusätzlich lässt sich dieser LFO durch LFO 1 modulieren und triggern.

Ergiebige Vielfalt erhält man über die Modulationsmatrix mit zwölf vordefinierten Modulationsquellen. 32 Ziele und 64 mögliche Verknüpfungen (verteilt auf acht Seiten) einschließlich der LFO- und Hüllkurven-Parameter bietet ein mächtiges Routing ganz ohne Patchkabel. Sogar die Intensität der Verknüpfungen lässt sich modulieren. Die Zuweisung ist geradlinig: In der Matrix werden Modulator und Ziel gewählt und anschließend die bipolare Intensität justiert. Bemerkenswert ist die Möglichkeit, Offsets für die einzelnen Stimmen zu hinterlegen. Gleiches gilt für das variable Keytracking für beliebige Parameter und die Nutzung der Stimmverteilung als Modulator! Ein weiterer Knaller ist der Motion-Recorder, der für einen Parameter pro Preset eine skalier- und loopbare Automationsfahrt aufzeichnen kann – nutzbar sogar für das Morphée. Apropos …

Über die Matrix lassen sich Presets abrufen, Modulationen und auch Sequenzen
programmieren.
(Bild: Vanessa Strub 2020)

Morphing

Der stufenlose Übergang zwischen zwei Parametereinstellungen ist ein Alleinstellungsmerkmal unter analogen Synthesizern dieser Preisklasse. Tatsächlich ist es möglich, zwei unterschiedliche Klänge ineinander zu überführen, wahlweise per Regler oder dynamisch über das Morphée. Klangforschern eröffnen sich dabei vielfältige Möglichkeiten, interessante Klänge zu erschaffen. Gleiches gilt für den Liveeinsatz, bei dem mit einer Bewegung umfassende Klangänderungen umgesetzt werden können, speicherbar pro Preset. Insbesondere gefiel mir diese Funktion bei Klangtexturen, die nochmals an Komplexität gewinnen. Gewisse Einschränkungen nimmt man in Kauf, denn nicht alle Parameter sind stufenlos regelbar oder überhaupt überblendbar, etwa die Polyfonie, der Motion-Recorder, die Effektauswahl oder der Sequenzer. Auf der anderen Seite erreicht man per Morphing sonst nicht umsetzbare Mischklänge der beiden Filter. Unterstützt wird diese großartige Funktion durch helfende Menüfunktionen, etwa um die Morphing-Endpositionen zu kopieren. Und nicht nur das: Die Morph-Position lässt sich sogar über die Matrix modulieren.

Der PolyBrute ermöglicht ein Morphing zwischen zwei Klängen und bietet dazu den passenden dreidimensional arbeitenden Morphée-Controller. (Bild: Vanessa Strub 2020)

Spielhilfen und Sequenzer

Die Modulationsräder sind wertig und in ihrer Funktion pro Preset speicherbar. Auch der kaum sichtbar oberhalb der Klaviatur integrierte Ribbon-Controller kann über die Matrix zugewiesen werden und dabei relativ, absolut und mit Haltefunktion arbeiten. Der Morphée kann für den Morphvorgang und den Sequenzer/Arpeggiator abgestellt oder über die Matrix zugewiesen werden. Es gibt Modi, bei denen man Klangänderungen durch Berührungen hervorruft oder durch Halten dauerhaft herbeiführt – jeweils absolut oder in Relation zur Anfangsposition.

Der Sequenzer bietet 64 polyfone Schritte, die sich über die Matrix um Akzente und Slides ergänzen lassen. Hinzu kommen drei Modulationsspuren, über die sich beliebige Parameter per Aufzeichnung animieren lassen. Auch der Sequenzer ist als Modulationsquelle über die Matrix nutzbar. Die Sequenzen werden mit dem Preset gespeichert und weisen eine übergreifende Länge auf. Die Aufnahme kann in Echtzeit oder schrittweise mitsamt Pausen und gebundenen Noten erfolgen, einschließlich der Möglichkeit zur Editierung. Bei der Wiedergabe, die mit unterschiedlichen Laufrichtungen möglich ist, lässt sich die Sequenz über den unteren Bereich der Klaviatur transponieren, während man mit den oberen Tasten dazu improvisieren kann. Der direkte Zugriff auf die Schritte über die Matrix ermöglicht zusätzlich schnelle Eingriffe. Alternativ lässt sich der Arpeggiator nutzen, dessen Ausgang bei Bedarf in eine Sequenz verwandelt werden kann. Und schließlich gibt es mit dem Matrix-Apreggiator noch eine Mischform, bei der sich im Unterschied zum Sequenzer die beteiligten Noten über gespielte Akkorde jederzeit verändern lassen.

Praxis

In der Praxis macht der PolyBrute Spaß. Die meisten Bedienelemente sind selbsterklärend und sinnvoll platziert. Auch die Klaviatur ist ansprechend. Lediglich die Position der Modulationsräder oberhalb des klobigen Morphée gefällt mir nicht. Letzterer hätte mir zudem als versenkte oder flache druckempfindliche Lösung besser gefallen. Für Besonderheiten wie Morphing, Modulationen und andere Details wie Wertesprünge sollte man die leicht unvollständige Dokumentation konsultieren, die Arturia um Online-Videos ergänzt.

Menüeinstellungen erfolgen im Settings-Bereich mithilfe von Display und acht kontextsensitiven Tasten. Die Navigation ist durchaus schnell, taucht aber mitunter weit in die Menüstruktur ein, sodass ich mir zusätzliche Navigationstasten gewünscht hätte. Immerhin gibt es Kurzbefehle für den Aufruf spezifischer Menüs. Apropos: Oft finden sich dort schaltbare Optionen statt frei regelbarer Parameter, wie etwa bei der Gestaltung der Hüllkurvenformen.

(Bild: Vanessa Strub 2020)

Verbesserungswürdig ist die Kategorisierung der 768 Speicher, die namentlich benannt werden können, aber mit einer Kategorisierung auskommen müssen. Vorbildlich hingegen sind die fünf Snapshots für temporäre Editierungen.

Der PolyBrute erlaubt einen Split- und Layer-Betrieb sowie die Nutzung auf unterschiedlichen MIDI-Kanälen. MIDI funktioniert dabei über die DIN-Buchsen und USB. Die Regler lassen sich über MIDI als Controller-Daten ausgeben und empfangen. Die Begrenzung auf sechs Stimmen ist eine Einschränkung, die je nach Einsatz durchaus relevant sein kann. Bei einzelnen Klängen hat mich diese Limitierung kaum gestört; dazu darf man feststellen, dass sie sicher einen Einfluss auf den Preis und die Größe des Geräts genommen hat.

Auch im Höreindruck überzeugt der PolyBrute: Die Presets liefern einen üppigen Rundumschlag subtraktiver Klänge. Tendenziell klingt es dabei eher modern als explizit nach alten Geräten. Abgedeckt wird das gesamte Klangspektrum eines polyfonen Analogsynthesizers: druckvolle Bässe, weiche Flächen, atmosphärische Klänge, Leads, Hooks, wabernde Sequenzen, Bläser und SFX. Die Oszillatoren liefern ein dichtes Fundament und die Filter überzeugen mit Charakter. Die Steiner-Parker-Sektion klingt offen und dank Brute-Faktor und möglicher FM per VCO auch bissig und aggressiv. Das Ladder-Filter packt satt, kräftig und perkussiv zu und verfügt über eine prägnante Resonanz. Biss lässt sich in Form einer regelbaren Verzerrung sowie durch FM per Rauschgenerator hinzufügen.

(Bild: Vanessa Strub 2020)

Das Bassfundament kann dank Suboszillator und Unisono-Stacking üppig, aber eben auch straff ausfallen. Was mir besonders gefällt: Im PolyBrute lassen sich Klänge durch diese Stellschrauben spielerisch in eine moderne, komplexe und schmutzigere und eigenständige Richtung umformen. So überzeugt er durch Hoch- und Bandpassfilter mit Klängen, die etliche polyfone Klassiker nicht drauf haben. Der PolyBrute kann also warm und dicht, aber eben auch böse, düster und sogar ein wenig »digital« klingen. So lässt er sich nicht eindeutig auf eine Klangsparte festlegen – ein überzeugendes Kriterium für jeden Synthesizer. Dazu hat er die Gabe, den Musiker über seine Bedienoberfläche und die Morph-Funktion ständig neu zu inspirieren. Und wenn es daran einmal hapert, bietet er eine Zufallsfunktion für das Morphing, die schnell zu gut einsetzbaren neuen Ergebnissen führt.

Fazit

Arturia gelingt mit dem PolyBrute ein brillanter Einstand im Bereich der polyfonen Analogsynthesizer. Er liefert vielfältige Sounds, innovative Funktionen und gelungene Bedienbarkeit zu einem bemerkenswert attraktiven Preis. Damit spielt er aus dem Stegreif auf Augenhöhe mit der Konkurrenz, von der er sich durch seine Eigenständigkeit gleichzeitig sinnvoll abgrenzt. Das sollte man sich persönlich anhören. Gratulation!

Hersteller/Vertrieb: Arturia, Tomeso

Preis: 2.499,– Euro

Internet: www.arturia.com; www.tomeso.de

Unsere Meinung:
++ überzeugender Klang, überzeugende Bedienung
+ Morphing
++ attraktiver Preis
– sechs Stimmen sind für manche nicht ausreichend


Polybrute Connect

Arturia stellt für den PolyBrute einen kostenlosen Editor (Win/macOS) bereit. Er lässt sich standalone sowie als Plug-in nutzen und kommuniziert bidirektional über NRPN/RPN mit dem Synthesizer, um etwa die beteiligten Regler beim Morphing zu visualisieren. Insbesondere die Verwaltung von Klängen wird hier erleichtert, aber auch das Management von Projekten innerhalb der DAW. Gleichzeitig erhält man schnelleren Zugriff auf die Parameter, die sich in den Menüs verbergen. Auch für Firmware-Updates wird die Software genutzt. Etwas überflüssig empfinde ich die nötige Registrierung mit einer begrenzten Anzahl von Aktivierungen.

Der kostenlose Editor PolyBrute Connect bietet von der DAW aus vollständigen Zugriff auf die Klangerzeugung des PolyBrute. (Bild: Vanessa Strub 2020)

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