Die nächste Rakete

Transkription: Martin Tingvall – The Rocket III

Anzeige

Mit dem aktuellen Solopiano-Album The Rocket platzierte sich der in Hamburg lebende schwedische Pianist Martin Tingvall im Herbst 2019 auf Platz 1 der deutschen Jazz Charts, was ihm auch schon mit seinem Album Circlar gelang, dass er mit seinem Trio eingespielt hatte. Wer sich die 14 meist ruhig gehaltenen Songs anhört, wird auf schön ausgearbeitete Melodiebögen stoßen, die rhythmisch fein unterlegt sind und mit perlenden Solos angereichert werden − aber ist das auch Jazz?

Anzeige

Martin Tingvall ist ein musikalischer Tausendsassa, der sich neben seinen eigenen Projekten auch als Film- und TV-Komponist (Tatort) einen Namen gemacht hat. Er spielte in der Band von Udo Lindenberg und schrieb und schreibt weiterhin Songs für ihn, und er arbeitete z. B. auch mit der Kinderlied-Ikone Rolf Zuckowski zusammen. Wer ihn live gesehen hat (z. B. in der Hamburger Elfi), erlebt einen virtuosen und zugleich sensiblen Pianisten, der jeden Song zu einem Erlebnis macht − die Standing Ovations des Publikums sind der Dank dafür.

Als Transkription haben wir den Titelsong The Rocket III ausgesucht, der auf drei Klavierspuren beruht. Die erste Spur enthält die Melodie und eine einfache Begleitung für die linke Hand − hier gilt es, die Melodie dynamisch abwechslungsreich zu gestalten. Das zweite Piano beginnt mit der Begleitung erst im B1-Teil ab Takt 21 und endet in Takt 89. Im Anschluss an die Transkription ist die Begleitstimme des B1-Teils ausnotiert worden − das Prinzip ist klar erkenntlich als einfacher Wechsel von Dreiklängen und sus2 -, sus4- und add#4-Varianten.

Die Akkordwechsel aus der Begleitversion habe ich als kleine Akkordsymbole auch in die Transkription eingetragen, sodass daraus die Begleitstimme abgeleitet werden kann. Die Begleitung variiert durchaus: Im A4-Abschnitt setzt Martin Tingvall auch Dreiklänge ein, und außerdem können die Bässe mit Oktaven angereichert oder in tiefe Lagen verschoben werden, je nachdem, wie dramatisch und voll das Arrangement klingen soll.

Die dritte Klavierstimme besteht aus einem sich wiederholenden Loop, die bis auf wenige Pausen durch das gesamte Stück läuft. Diese Klavierspur hat uns Martin dankenswerter Weise als Download zur Verfügung gestellt, sodass nun die Songidee besser zum Tragen kommt, und außerdem sind damit auch die Leertakte im Intro und im Interlude gefüllt.

Noch ein kleiner Hinweis zu den Akkorden: In den beiden Versionen (Theme und Comping) werden die Akkordwechsel nicht immer gleich eingesetzt, da trifft ein Csus4 in der einen Versionen auch schon mal auf einen C-Dur-Akkord − dieser Harmoniemix ist aber durchaus beabsichtigt und macht die Akkorde weniger eindeutig, und die Klänge beginnen zu schweben.

Als kleines Goodie verlosen wir mehrere Exemplare des neu erschienen Songbooks mit allen Songs der CD, hier sind die beiden Begleitstimmen auch komplett transkribiert worden.

Martin Tingvall startet im September zu einer Tournee mit den Songs seines Solo-Albums, die Termine finden sich auf unserer Homepage.

Martin, wie würdest du die Stilrichtung deines Solo-Albums definieren?

An das erste Soloalbum habe ich mich 2011/12 gewagt und gezielt Songs für Solo-Piano komponiert; einige Songs gingen in Richtung Klassik. Beim zweiten Album wurde es jazziger.

Bei The Rocket geht es mehr um die Melodie und die romantische Seite in mir. Wenn Leute sagen, das ist ja kein Jazzalbum, was ist es dann? Am liebsten hätte ich eine kleine Schublade, die »Tingvall« heißt. Da bin ich lange noch nicht, aber vielleicht hören die Leute Unverwechselbares wie bei Arvo Pärt oder auch Björk. Dieses dritte Album ist für mich weniger ein Jazz-Album als ein Neo-Klassik-Album mit Pop-Einflüssen.

Du sagst, du arbeitest jeden Tag an einer Idee. Schreibst du die gleich auf oder nimmst sie auf?

Ich schreibe selten etwas auf. Ich nehme das auf dem Rechner oder auf dem Handy auf. Manchmal singe ich das auch ein, wenn ich unterwegs bin. Und manchmal kommen die Anregungen auch von selbst: Ich war mit dem Tingvall Trio in Ungarn unterwegs, und als wir nachts vom Auftritt zurückkamen, stand da, wo wir übernachtet haben, so ein akustisches Mini-Klavier mit nur einer Oktave. Wenn du nur eine Oktave hast, kommen andere Ideen. Als ich später ein Video von meinem Spiel gesehen habe, das jemand an diesem Abend aufgenommen hat, merkte ich, wie stark die Melodie ist, und habe daraus den Song From Above gemacht. Manchmal nutze ich diese instrumentale Einschränkung auch beim Komponieren zu Hause und spiele auf einer Melodika.

Wie ist der Song The Rocket III entstanden? Das hört sich ja nach mehr als einem Klavier an?

Beim dem Song hatte ich unterschiedliche Stimmen im Kopf − daraus wurden dann letztendlich drei Klaviertracks, darum auch der Namenszusatz »III«. Ich habe diese Tracks nacheinander mit Click im Studio eingespielt und links-Mitte-rechts ausgemischt. Ich habe auch mit einem Fender Rhodes und Celeste experimentiert − die reine Klavierversion fand ich aber spannender. Und weil ich in den letzten Jahren auch Arrangements für das »Vier Pianisten«-Projekt mit Joja Wendt, Sebastian Knauer und Axel Zwingenberger schreibe, werde ich diesen Song auch für diese Gruppierung arrangieren − das heißt dann logischer Weise Rocket IV. Für meine Solo-Konzerte habe ich die Version Rocket I für ein Klavier mit viel Übergreifen der rechten Hand entwickelt. Da wechselt die Melodie auch innerhalb einer Phase zwischen beiden Händen. Das ist auch der einzige Mehrspur-Song auf der CD − andere Songs wurden durch das Aufteilen der Melodie und das Übergreifen der beiden Hände realisiert.

Die Transkription findest du in der KEYBOARDS-Ausgabe 3/2019. Hier versandkostenfrei bestellen oder als PDF kostengünstig herunterladen. 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.