Synth-Pop-Legende Howard Jones im Interview
Ich hätte nie gedacht, dass ich in meinem Leben jemanden treffen werde, der 1985 beim wohl legendärsten Konzert, dem Live-Aid im Londoner Wembley Stadion, vor über 70.000 Konzertbesuchern und 2,9 Milliarden Menschen weltweit an den Bildschirmen aufgetreten ist. Nach meinem Treffen mit Howard Jones, kann ich diesen Punkt in meiner Liste abhaken. Ich treffe den smarten Briten in einem Hotel in Köln und spreche mit ihm über seinen Auftritt in Wembley, seine Musik und Queen.
Howard, wie hast du dich während deines Auftritts bei LiveAid, was als das legendärste Konzert aller Zeiten gilt, gefühlt?
Es war ein großartiger Tag. Ich bin sehr froh, dass ich einen kleinen Teil dazu beitragen konnte. Der Song, den ich ausgewählt hatte, war auch wirklich der richtige für diesen Tag.
Du hast Hide & Seek am Piano gespielt, was eigentlich ein ElektroTrack ist. Startet dein Songwriting denn am Piano, und war das die UrVersion des Songs?
Nein, eigentlich nicht. Ich habe mit 7 Jahren angefangen, Piano zu spielen. Aber zu der Zeit habe ich während des Songwritings immer mit Synthesizern und Drummachines begonnen. Ich habe den Song also von den Synthesizern auf das Piano transformiert. Ein paar Songs habe ich am Piano geschrieben, wie beispielsweise No One Is To Blame.
Hast du den Film Bohemian Rhapsody gesehen?
Ja.
War das für dich nicht eine Art Zeitreise?
Ja klar, die haben es wirklich sehr gut rekonstruiert. Es gab nur ein paar Aspekte, die nicht ganz richtig waren. Sie haben den Bereich mit den Wohnwagen gezeigt, die als Umkleide dienten. Die gab es nicht. Sie kamen auch nicht alle in einer Limousine, sondern nur Freddie. Der Rest flog mit einem Helikopter ein. Das weiß ich, weil ich mit ihnen dort zusammen drinsaß. Aber die Atmosphäre haben sie wirklich super eingefangen.
(Bild: Will Stead)Kommen wir zurück zu deinem Songwriting. Kannst du dokumentieren, wie dein größter Hit What Is Love von 1984 entstand?
Klar! Eigentlich starte ich mit dem Groove. Bei What Is Love hatte ich aber tatsächlich zuerst die Lyrics und fing dann mit der Musik dazu an.
Ich hatte eine 808-Dummachine und den Pro-One Mono-Synth mit einem 12-Step-Sequenzer; den hatte ich so modifiziert, dass ich kleine Sequenzen einprogrammieren konnte. Die Arpeggios stammen aus dem Juno-60, Brass-Elemente kommen aus dem Jupiter-8 und dem DX7, die Flöten aus Emulator One. Der Moog Prodigy spielte den Bass. Dann kamen erst die anderen Gitarren-Spuren usw. Der Song entstand also durch die Limitierung meines Equipments und ist so aufgebaut, dass ich ihn auch als One-Man-Show performen kann.
Aufgenommen wurde der Song damals in den Farmyard Studios in Buckinghamshire.
Du hast ein neues Album Transform, was vor Kurzem veröffentlicht wurde. Wo ist das neue Album entstanden?
Bei mir zu Hause in Summerset in meinem Studio. Es ist kein aufwendiges Studio. Ich habe gute Studiomonitore, einen Mac, meine Hardware-Synths, mein Piano und mein Vocal-Mic, ein Röhrenmikrofon von Rode. Gemischt habe ich die Tracks zusammen mit meinem Freund Brian Transeau, der das Album auch co-produziert hat, in seinem Studio in Bristol.
Wenn du deinen Songwriting-Prozess von damals mit dem von heute vergleichst, wo liegen für dich die größten Unterschiede?
Die größte Veränderung ist, dass man nicht mehr limitiert ist. 1984 haben wir nicht mit Computern gearbeitet, sondern es gab nur Sequenzer und Drummachines, die Impulse und Trigger ausgespielt haben, und die Hardware-Synths, die man halt so hatte. Damit war man schon stark limitiert. Heute gibt es diese Limitierung nicht mehr. (lacht) Was immer du tun willst, kannst du tun, du musst nur lernen, mit den Tools umzugehen. Logic bietet beispielsweise so viele Audio- und MIDI-Funktionen. Dann hat man eine endlose Anzahl an Plug-ins zur Verfügung, um den Sound zu bearbeiten. Es gibt so viele Software-Synthesizer, die man auch kombinieren kann. Ich nutze trotzdem auch noch Hardware. Man muss da wirklich sehr diszipliniert sein, damit man nicht in einen Experimentier-Wahn verfällt und sich in die falsche Richtung bewegt, wo man schon gar nicht mehr versteht, was man tut. Ein guter Song braucht schöne Akkorde und eine gute Struktur, der Rest wird dann durch den Sound verfeinert! Ich habe nicht wirklich einen gewissen Ablauf. Ich folge einfach der Idee und füge das dazu, was der Song gerade braucht.
Du hast also die Songs in Logic produziert, richtig? Kam dabei auch analoge Hardware zum Einsatz?
Ich liebe Hardware und nutze sie, wenn sie den Song weiterbringt! Den Jupiter-8 nehme ich sehr oft. Die Emulationen sind großartig, aber das Original klingt unglaublich. Den spiele ich auch live ein und editiere dann in der DAW das Audiosignal. Ich nutze zwar auch MIDI, vor allem am Anfang und auch im Processing, allerdings spiele ich auch vieles als Audio ein. Dann kommt es oft zu einem Mix aus MIDI und Audio.
Kannst du uns eine kleine Übersicht der Software-Synths geben, die es auf dein neues Album geschafft haben?
Ich nutze den Jupiter-8, den Juno-60 und das Synclavier aus der Arturia-V-Collection, da die Emulationen wirklich exzellent sind. Ich setze auch Omnisphere 2 ein, was man auch über die Hardware steuern und damit viele Sounds gleichzeitig beeinflussen kann. Das ist echt toll! Ich nutze auch nicht immer nur den einen Sound, sondern lege viele übereinander. Ich liebe die Kombination der Sounds aus Hardware und Software.
Die Songs vom neuen Album haben eine wirklich kraftvolle Bass-Linie, die diktiert, wo der Song langgeht. Ich habe sehr viele Tage daran gearbeitet, da man sie so nicht spielen könnte.
Dein neues Album ist voller Klangelemente aus den 80ern, und trotzdem klingt es modern und sehr detailliert. Wie würdest du den Sound beschreiben?
Absolut! Es klingt zeitgetreu. Es war nicht mein Ziel, dass es so klingt. Alles was ich wollte, war, ein Album zu produzieren, das gut klingt. (lacht) Ich muss mich nicht mehr anpassen. Ich bin ich, und ich tue, was ich will. Ich bin nicht in einem Wettbewerb mit den neuen Artists, die ich sehr liebe. (lacht)
Wenn du neu startest, musst du dich irgendwo anpassen. Wenn sich deine Karriere weiterentwickelt, ist es dein Sound, den die Menschen wollen! Und das ist das, was ich tue!
Was bedeutet der Titel des Albums Transform für dich persönlich?
Die lyrische Philosophie hinter dem Album ist die persönliche Transformation. Wenn wir die Welt verändern und verbessern wollen, müssen wir alle bei uns, unserem Verhalten und unserer Denkweise anfangen. Das ist ein Thema, das sich durch alle Tracks durchzieht!
Was war der letzte Synthesizer, den du gekauft hast?
Puh, das kann ich dir gar nicht mehr sagen … Aber ich kann dir sagen, welchen ich als Nächstes kaufen werde. Das ist der Moog One!
Gerade neu erschienen, am 9. Sept. 2022, ist das Album Dialogue. Dialogue folgt auf die von der Kritik gefeierte Veröffentlichung Transform aus dem Jahr 2019.
2022 ist Howard auch in Deutschland wieder mit seinem neuen Album Dialogue auf Tour:
14.11 Hamburg, Markthalle
15.11 Köln, Kantine
16.11 Stuttgart, LKA
17.11 Frankfurt, Batschkapp
18.11 Berlin, Columbia-Theater
19.11 Bremen, Schlachthof
Mehr Infos unter: http://www.jesspr.de/howard-jones-2022-neues-album-tour/
HJ war bei Live Aid, keine Frage ein Höhepunkt. Er hat aber auch mit Ringo Starr (und dort in der All Starr Band mit Legenden wie Greg Lake, Roger Hodgson, Ian Hunter und Sheila E) gespielt und mit Phil Collins gearbeitet. Das sollte hier auch nicht unerwähnt bleiben.
Ich habe mir gerade das Video angeschaut und muss sagen: ich muss gleich kotzen. Hat mit HJ ja wohl nix mehr zu tun. Arme Welt.
Na ja, wenn er sich anfangen würde selbst zu kopieren, fände ich das wesentlich trauriger. 🙂