Kolumne mit Martha Bahr

Vom Sinn und Unsinn, sich von anderen Künstlern inspirieren zulassen

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Panic_Girl Martha Bahr
Martha Bahr aka. Panic Girl

Die Gründe, weshalb jeder für sich beschließt, in den modularen Kaninchenbau hinabzusteigen, sind vielfältig. Der eine findet den Look cool, der andere findet das Konzept bestechend, und ein Dritter hat sich von einem Kumpel überreden lassen.

Häufig kommt es auch vor, dass man auf YouTube, Instagram oder Facebook über einen Künstler stolpert, von dessen Musik man hin und weg ist, die einem dermaßen unter die Haut geht und inspiriert, dass man sich gleich die komplette Diskografie reinzieht, alle Social-Media-Seiten durchgräbt und herausfinden möchte, wie er oder sie den Sound produziert hat. „Oh wow, mit einem modularen Synthesizer? Was ist das denn? Sieht ja abgefahren aus.“ Man recherchiert, welche Module der Musiker verwendet hat, und beschließt nach langem Hin und Her, sich auch so ein Gerät zuzulegen. Man liest sich in die Materie ein, schaut sich Tutorials an, und nach ein paar Patches ist man auch schon kein blutiger Anfänger mehr. Und immer wieder hat man den Sound von diesem Musiker im Hinterkopf, der für all das verantwortlich ist.

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Bis man sich dann an genau diesen Sound heranwagen möchte. Man zoomt im Netz so nah wie nur möglich in alle möglichen Live-Videos und Fotos rein, um zu sehen, wie der Patch aufgebaut ist. Man sucht auf Modulargrid nach seinem oder ihrem Rig und googelt nach Interviews, in denen man vielleicht mehr zu seinem oder ihrem Signature-Sound erfährt. Und tatsächlich, es klingt schon so in etwa wie sein/ihr Sound! Der Grundpatch ist geschafft!

Nach einer anfänglichen Euphorie merkt man aber ziemlich schnell, dass es bei diesem „in etwa“ zu bleiben scheint. Genauso wie bei ihm/ihr klingt es nie. Und je mehr man selber an dem Patch weiterschraubt, desto mehr entfernt man sich davon. Frustrierend.

Aber mal ehrlich, ist das denn wirklich so verwunderlich? Und noch wichtiger: Ist das nicht sogar gut so? Es wäre doch schlimm, wenn alle gleich klängen. Gerade bei Musik spielt so viel Persönlichkeit mit rein, eigene Vorlieben, Abneigungen, wie man sich aktuell fühlt, ob man happy ist, traurig, ob man gerade eine Trennung hinter sich hat oder am Strand sitzt und dabei eine Runde patcht.

Und eben dieses Instrument zwingt einen ja beinahe dazu, seine Handschrift zu finden, die eigene, ganz individuelle Stimme herauszuschälen. Das kann Wochen, Monate, gar Jahre dauern – manche finden sie nie, manche haben das Glück und müssen gar nicht erst danach suchen. Es lohnt sich aber allemal dranzubleiben, zumal der Weg dahin ja auch sehr erfüllend ist. In diesem Sinne, ich bin dann mal patchen.

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