POND – die elektronische Band der einstigen DDR
Wolfgang Fuchs kultivierte mit POND einst elektronische Musik in der DDR – und ist auch lange nach der Wende aktiv.
Welche Schikanen ein DDR-Profimusiker mit Reiseerlaubnis in das „nichtsozialistische Ausland“ zu befürchten hatte, wenn er mit einem Kofferraum voll West-Instrumenten den Grenzübergang Berlin-Invalidenstraße zu passieren gedachte, beschreibt Wolfgang Fuchs – nach seinem einstigen Idol Paul McCartney auch „Paule“ genannt – in seiner Autobiographie höchst eindrucksvoll. Von seinem im Westteil der heutigen Bundeshauptstadt erstandenen wertvollen Equipment musste der Gründer der Elektronik-Gruppe POND sich nach dem oben geschilderten Vorfall jedenfalls vorerst verabschieden – zweimal war es ihm bereits gelungen, Synthesizer unentdeckt über die Grenze zu bringen, der dritte Versuch schlug fehl, und erst nach zahlreichen Behördengängen erhielt Fuchs sein Eigentum, ein Atari-Computersystem, einen Roland D-50 sowie 8-Kanalmixer wieder zurück – allerdings erst kurz vor dem Mauerfall. „Für meinen ersten Synth, einen Roland SH2000, musste ich noch einen Diplomatenfahrer mit einem gewissen Obolus für diesen Dienst bedenken – vom horrenden Umtauschkurs, den man eh einzukalkulieren hatte, einmal ganz abgesehen“, erinnert sich Fuchs.
Solcher Unwägbarkeiten erlebte der heute 58- Jährige zahlreiche, dennoch hielt er an seinem Traum fest, als Profimusiker für die DDR quasi das zu werden, was jenseits der Mauer Künstler wie Tangerine Dream oder Jean-Michel Jarre darstellten: Ikonen der Elektronischen Musik. „So ziemlich jede erfolgreiche Westband hatte in der DDR ihr Pendant“, erklärt Fuchs. Und nachdem er als studierter Schlagzeuger und „staatlich geprüfter Rockmusiker“ in den Siebzigerjahren unter anderem in der Hardrockband Babylon auf den Pfaden von Bands wie Deep Purple oder Led Zeppelin gewandelt war, wuchs in ihm das Verlangen, experimentellere Wege einzuschlagen und eine für die damaligen DDR-Verhältnisse einzigartige Band zu gründen.
„Fahren Sie bitte rechts ran“ – ein Satz, bei dem mir heute noch
übel wird. Er sah in den Fahrgastraum und befahl, die Aldi-Tüten
auszuschütten. Außer Süßigkeiten für die Kinder war nichts drin.
„Kofferraum öffnen!“, war sein nächster kurzer Befehl. Ich schluckte
und öffnete zögerlich. „Was ist das?“, fragte er in scharfem Ton.
Beeindruckt vom polnischen Duo SBB, das aus einem Keyboarder und einem Schlagzeuger bestand, gründete er 1978 zusammen mit dem Babylon-Keyboarder Manfred Henning POND. Organist Frank Gursch bereicherte samt seiner Hammond kurze Zeit später das Line-up. „Wir waren anfangs noch sehr dem Progressive-Rock verpflichtet“, erinnert sich Fuchs. „Wie Emerson, Lake & Palmer versuchten wir uns an anspruchsvollen Klassikadaptionen.“ Deren Arrangement von Modest Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ führten POND schließlich auch stilecht mit dem Cottbuser Sinfonieorchester auf. Fuchs, der bereits eine Vorliebe für elektronische Instrumentalmusik hegte, regte allerdings schon bald einen Stilwechsel an, worauf Gursch die Band verließ. Auch Henning verpflichtete sich kurze Zeit später anderweitig, was „Paule“ Fuchs endgültig zum Anlass nahm, den Schlagzeugerschemel zu verlassen und mit dem neuen Keyboarder Harald Wittkowski POND gewissermaßen neu zu erfinden – und den eigenen Sound definitiv zu prägen.
Beispielhaft für diesen sei der frühe Hit „Planetenwind“ von 1982 genannt. Fuchs: „Eine reine Rundfunkproduktion.“ Das Jarre-eske Uptempo-Stück mit treibendem Beat und Ohrwurm-Melodie spielten POND weitestgehend live im Radiostudio ein: „Ich hatte eine Trommel um den Bauch geschnallt, und mit einer Hand spielte ich die Snare mit einem Wind-Sound auf dem ARP Odyssee“, lacht Fuchs. Der ARP sei übrigens immer noch sein Lieblingssynth, „wegen der Vangelis-Bläser“. Als die Komposition zum Radiodauerbrenner avancierte, wurde schließlich auch das Monopollabel Amiga auf POND aufmerksam, wo das Debüt „Planetenwind“ und das zweite Album „Auf der Seidenstraße“, der Soundtrack zu einer gleichnamigen TV-Serie, mit je über 100.000 verkauften Einheiten auch zu kommerziellen Erfolgen wurden.
Es folgten weitere Besetzungswechsel – Wittkowski stieg aus, Fuchsens Zwillingssöhne ein –, und nachdem man sich nach der Wende längere Zeit an Coverversionen im Techno-Gewand versuchte, kehrte „Paule“ 2003 mit dem Album „TransPONDer“ zum klassischen Sound des Duos Fuchs/Wittkowski zurück. Seitdem spielen die Beiden auch wieder verstärkt live.
Auf der Bühne bedient Fuchs dann – neben Yamaha PTX8 und Drumpads, Gongs und Glocke, was der ursprüngliche Hardrock-Schlagzeuger sich nicht nehmen lässt – Roland Fantom und DW-8000, worüber er Rack-Expander wie Roland XV-3080 und JV-2080 ansteuert. Kollege Wittkowski spielt unter anderem die Yamaha-Workstations Motif 6 und SY85 – „für die Orgeln der rockigeren Stücke“. Und auch beim Live-Sequencing der Backing-Tracks verlässt man sich auf Equipment mit teilweise nostalgischem Flair wie den Korg SQD1. Manches wird auch komplett live gespielt, bei anderen Stücken kommen die Fantom- und Motiv-Bordsequenzer zum Einsatz. „Für die typischen Analogsounds benutze ich den Roland S-50 – und die Vangelis-Bläser bekommt der Fantom mindestens genauso gut hin wie der ARP Odyssee“, erläutert Fuchs. Bei der Auswahl der Sounds gibt er sich eh pragmatisch: „Ich bin heute so sehr mit dem eigenen Label, der Organisation von Auftritten und meinen Kompositionen beschäftigt – da greife ich gerne auf Presets zurück, statt eigene Sounds zu editieren. Ich bin halt ein Preset-Mensch.“ Auch Soft-Synths findet man im POND-Studio nicht: „Ich besitze ja schließlich viele Originale. Und sich da einzuarbeiten – das wäre wieder zeitraubend. Da konzentriere ich mich lieber auf die Musik.“ Einige Schätzchen, wie den Roland Vocoder Plus, soll man bald aber auch wieder auf der Bühne sehen können.
Zurzeit bereitet Fuchs Auftritte im Westen der Republik vor – wo er mit POND ja einiges nachzuholen hat. Die „Bilder einer Ausstellung“ hat Fuchs dafür in voller Länge arrangiert, die Premiere fand am 27. Oktober in Halle statt