Volle Kontrolle in blau

Viscount Physis Piano K4 EX

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Ganz anders als das Touch-Oberflächen-Luxus-Modell H1 warten die Physis-Pianos der K-Serie mit handfesten Fadern, Potis und Buttons auf. Davon gibt’s dann auch gleich so reichlich, wie aktuell kein anderes Stagepiano bietet. Ebenso gibt es die Controller-Pianos auch ohne integrierte Klangerzeugung.

Physis Piano 2

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Für Pianisten im Studio und auf der Bühne bietet Viscount inzwischen eine abwechslungsreiche Instrumentenpalette an. Neben den teureren Stagepianos der H-Serie (Test des H1 in KB 4.2013) haben die Italiener die K-Serie auf den Markt gebracht. Die kompakten blauen Keyboards legen den Fokus sowohl auf eine Klaviatur mit gewichteten Tasten und Hammermechanik wie auch auf mannigfaltige und ausgeklügelte Controller-Eigenschaften. Bei Listenpreisen zwischen 2000 und 3000 Euro visiert der Hersteller klar die Oberklasse der Stagepianos bzw. 88er-Controller-Keyboards an. Die K-EX-Modelle konkurrieren also mit Top-Stagepianos wie dem Roland RD-800, Kawais MP-Serie und Yamahas CP4 Stage, während ein K4 konzeptuell so ziemlich außer Konkurrenz spielt: Am ehesten vergleichbar – die zahlreichen schwächer verarbeiteten Low-Cost-Controller-Keyboards einmal außen vor gelassen – sind noch das Doepfer LMK4+ mit sehr ähnlicher Fatar-Tastatur sowie das Kawai VPC1, das mit seiner Top-Klaviatur Spitzenreiter in diesem Segment ist. In Sachen Controlling aber können beide einem K4 längst nicht das Wasser reichen; das wiederum schlägt sich im höheren Preis des Viscounts nieder.

Uns stellte der Hersteller als Testmodell ein K4 EX zur Verfügung, auf dem die Version 1.1 des Betriebssystems lief. Das „EX“-Logo mit der Aufschrift „Physis Expansion inside“ führt übrigens ein wenig in die Irre: Für den User selbst ist es nämlich nicht ohne Weiteres möglich, ein K4 nachträglich mit der Sounderweiterung zum K4 EX aufzurüsten. Einen Einbauschacht für ein „Board“ gibt es nicht, und Viscount nennt bislang auch keinen offiziellen Preis für die Soundexpansion. Auf Anfrage teilte man uns mit, die Aufrüstung sei technisch möglich, werde aber ausschließlich bei Viscount in Italien vorgenommen.

Grundsolide und doch extravagant

Mit metallener Ummantelung, holzverstärktem Boden und robusten schützenden Hartplastik-Seitenteilen sind sie solide Bühnenpartner. Mit knapp 20 Kilo ist ein K4 noch einigermaßen gut für eine Person zu transportieren.

Markenzeichen der K-Serie ist eine Controller-Section mit neun Fadern, Buttons und Potis. Dank der Gehäuse – beschriftungen auf der Oberseite kann man auch gut Zubehör wie Fußpedale oder MIDI-Kabel anstöpseln, ohne seine Position vor dem Keyboard verlassen zu müssen. Schon allein die Ausstattung mit acht MIDI-Outs, zwei MIDI-Ins und vier Host-sowie einer Device-USB-Buchse zeigt, dass sich ein K4 oder 5 auch in jedem größeren MIDI-Verbund – auf der Bühne wie im Studio – gut machen dürfte. Ob man wiederum mit acht belegten Pedal- bzw. Fußschalterbuchsen noch die Übersicht behalten kann, sei, zumindest für die Live- Situation, einmal dahingestellt; zu wünschen jedenfalls bleibt hier nichts übrig.

Physis Piano

Feel The Pressure

Als Klaviatur kommt am K4 EX ein TP/40L-Keyboard aus dem Hause Fatar zum Einsatz. In den Spieleigenschaften hält es durchaus mit den Manualen der teureren Physis-H-Serie mit. Die Repetition dieser zwar leichtgängigen, aber doch recht schwer gewichteten Tasten ist insgesamt gut, aktuelle Flügelklänge lassen sich damit dynamisch und ausdrucksstark spielen.

Eine Hammermechanik-Simulation und eine graduelle Gewichtung sind in dieser Klasse Standard und veredeln auch bei der K-Serie das Spielgefühl. Individuell anpassen lässt sich die Klaviatur über eine Auswahl von sechs Velocity-Kurven, darunter eine „User“-Kurve; zusätzlich gibt es die „Fixed“- Einstellung für Orgeln und Co. Toll sind die Einstellmöglichkeiten für den Aftertouch, um auch ihn dem eigenen Spielgefühl anzupassen. Die K5-Modelle kommen mit einer leichter gewichteten TP100LR-Tastatur, die zum Beispiel ebenfalls an einigen der Numa Pianos von Studiologic zum Einsatz kommt.

Für Control-Freaks

Mit dem Scene- und Performance-System können sich die Ks deutlich von den meisten Controller-Keyboards abheben: Denn wie an einem Stagepiano oder einer Workstation ruft man über das sehr gute, große Farb-LC-Display der Viscounts Setup-Speicherplätze auf, die überdurchschnittlich viele Möglichkeiten zum Programmieren von Tastaturzonen und Einbinden von Controllern sowie MIDI-Klangerzeugern bieten.

MIDI-Geräte und auch Software-Instrumente lassen sich damit optimal in die Planung einer Live-Performance integrieren. Beim Gig ruft man dann einfach die Performance ab und hat alle Sounds sowie Effekte sofort parat und kann beliebige Funktion der externen Geräte über die Controller des K4 steuern. Im Refrain mehr Delay und das Filter vom Layer-Synth-Sound aufziehen – alles kein Problem.

Schon die Struktur dieser Setups überrascht. Es gibt eine untergeordnete Ebene namens „Scene“. Jede Scene organisiert bis zu acht unabhängige (Tastatur-)Zonen, gleich vier verschiedene Sets von Einstellungen für die Controller-Section („Control Banks“) sowie natürlich die zonenabhängigen Einstellungen der Wheels und Fußschalter; hinzu kommen die „Input Maps“, in denen die acht MIDI-Outs den beiden MIDI-Ins inklusive Kanal- und Filtereinstellungen gezielt zugewiesen werden können (wenn externe Controller-Hardware eingebunden werden soll); außerdem noch die „Initializing Messages“, die angeschlossene Expander oder Software Instrumente einstellen, sobald die Scene aufgerufen wird.

Die übergeordnete Ebene ist die „Performance“: Ein solcher Speicherplatz versammelt vier Scenes, zwischen denen komfortabel mit den „Scene A“- bis „Scene D“-Buttons unter dem Display gewechselt werden kann; es ist aber immer nur eine Scene zurzeit aktiv, sodass es bei acht gleichzeitig nutzbaren Tastaturzonen bleibt. K4 und K5 bieten 128 programmierbare Performances. Bei Bedarf können Performances auch via USB-Stick gesichert und geladen werden.

Physical-Modelling inklusive

Die EX-Klangerzeugung entspricht laut Viscount technisch der Klangerzeugung der Physis-H-Serie. Deshalb gibt es auch am K4 EX physikalische Modelle für die Akustik Pianos, die E-Pianos und die Mallet-Sounds; Klänge aus diesen Kategorien sind vollpolyfon spielbar. Für Orgeln, Streicher und Bläser, Gitarren und Flächen besitzt das K4 EX zweitens eine 128-stimmige samplebasierte Klangerzeugung.

Bei Namen wie „Italian Grand“ und „US Grand“ der A-Pianos denkt man unwillkürlich an Fazioli und Steinway. Aber auch, wenn ich zu ihren Klängen nicht sofort bestimmte Flügelmodelle vor Augen habe: Die Grundsounds sind durchweg ordentlich und abwechslungsreich. Zwar übertreffen sie aktuell gängige A-Piano-Klänge vom Samplingbasierten Stagepianos nicht wirklich, können aber technisch allemal mit diesen mithalten. In Sachen Vielfalt hat das Physis Piano ganz sicher die Nase vorn – ganz klar ein Vorteil der Physical-Modeling-Klangerzeugung.

Die K4-EX-Flügel und -Klaviere klingen zumeist ausgewogen und bieten eine gute stufenlose Dynamikentwicklung, die im Fortissimo-Bereich in den Tiefen und Höhen noch etwas zupackender sein könnte. Bei der Nachbildung von Saiten- und Dämpferresonanzen, den Spielgeräuschen der Hammermechanik und Tastaturgeräuschen gefallen die Klänge. Im Bassbereich sind sie für mein Empfinden zwar nicht ganz so realistisch geraten wie sehr gute Sounds auf Samplebasis bei der Konkurrenz, doch im Zusammenspiel stimmt das Ergebnis.

Die Fender-Rhodes-Varianten (Mark I/II, Dyno) und die Wurlitzer-Sounds sind sehr detailgetreu in den Feinheiten der elektromechanischen Klangerzeugung nachempfunden und von zumeist warmem, vollem Sound. An den sehr guten CP-70/80- und FM-E-Pianos gibt es ebenfalls nichts zu meckern. Die Mallet-Fraktion bildet dann eine willkommene Abwechslung: Diese Physical-Modeling-Vibras, -Marimbas und Co. gefallen mir besser als die in vielen Digital-Pianos üblichen statischeren Sounds. Ebenfalls via Modeling werden die Clavinet-Sounds der Hohner-Modelle D6 und E7 am K4 EX neu geboren – und das auf überzeugende Art. Das Harpsichord wiederum ist aus Samples gebaut, was aber klanglich in Ordnung geht.

Auch alle übrigen samplebasierten Sounds bewegen sich auf gutem bis sehr gutem Niveau. Es sind keine überflüssigen Klänge an Bord. Mit Streichern und Bläsern mit natürlichen und im Oberheim-Synth-Sound, E- und Pfeifenorgeln von der Hammond B3 bis zur großen Kirchenregistrierung, verschiedenen universellen Oberheim-Pads, zwei universellen Chören, guten Gitarren und Bässen sowie einigen Akkordeon-Klängen ist man auf alle Fälle gut bedient. Gut gemacht hätte sich noch eine kleine Auswahl an Lead- und SoloSounds im EX-Repertoire – zumal es Aftertouch, drei Wheels und die vielen Regler gibt.

PhysisPianoOuts

Etwas Pianotechnik

Editieren lassen sich die Klänge bereits jetzt recht umfangreich. Von „Hammer Hardness“ bis „Hit Point“, der „String Stiffness“, verschiedensten Tuning-Parametern sowie in allen wichtigen Saitenresonanz-Einstellungen und im durch den virtuellen Resonanzboden veränderbaren Timbre kann man die Flügelsounds dem eigenen Geschmack anpassen.

Allerdings fehlt mir hier doch ein wenig der Aha-Effekt gegenüber gängigen Samplepianos – bei diversen aktuellen Modellen von Kawai, Roland oder auch Yamaha sind solche Zugriffe auf Klangdetails bereits mit vergleichbaren Auswirkungen möglich. Hinzu kommen Klangaussetzer beim Editieren der K4- EX-A-Pianos – vom Morphen des Klangs beim Verändern eines Klangparameters wie etwa bei einem – ebenfalls PM-basierten – Roland V-Piano kann am Physis noch keine Rede sein. Eine Sache, die ebenso verbesserungswürdig ist wie die kurzen Soundaussetzer nach dem Umschalten von einer A-Piano-Performance auf eine andere; beim Umschalten der Scenes innerhalb einer Performance kommt dieses Phänomen nicht ganz so schlimm zum Tragen. Viscount arbeitet aber bereits am nächsten OS-Update, das bei Erscheinen dieser Ausgabe schon verfügbar sein könnte.

Insgesamt überzeugt die Klang- und Effekte-Ausstattung im K4 EX als teils auch mal erfrischend andere Grundausstattung für jeden Bühnenpianisten. Den besonderen Vorteil des Physical-Modeling an Bord sollte man aber auch in der nachträglich noch möglichen Klangverbesserung sehen. Am H1 hat Viscount bereits eindrucksvoll unter Beweis gestellt, was über OS-Updates noch herauszuholen ist.

Verbesserungswürdig ist übrigens die Boot-Zeit: Nach dem Einschalten benötigt das K4 EX rund 90 Sekunden, bis es spielbereit ist. Ursache ist die Sounderweiterung, deren physikalische Modelle und Sounds geladen werden wollen. Für den Live-Einsatz ist das nicht gerade praktisch.

Fazit

Was die Controller-Keyboards für Pianisten angeht, zeigt Viscount manch anderen, wie’s gehen kann: Die Modelle der K-Serie sind wertig und robust verarbeitet, bieten ein ausgezeichnetes Masterkeyboard/Controller-System, durch welches in Verbindung mit den vielen Hardware-Controllern und der üppigen Anschluss-Sektion enorm viel möglich wird.

Wer zum K4/K5 EX greift, erhält obendrein eine eingebaute Klangerzeugung mit Sounds, mit denen man in keinem Fall danebenliegt. Die innovative Physical-Modeling-Technologie war zum Testzeitpunkt durchaus konkurrenzfähig mit guten Sampling-Stagepianos – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Kinderkrankheiten wie die Soundaussetzer beim Umschalten sollte Viscount unbedingt in den Griff bekommen. Was darüber hinaus noch rauszuholen ist, bleibt für den Hersteller eine Art Kür – denn den Stagepiano-Anspruch kann das K4 EX schon jetzt erfüllen.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Das Design ist grauenhaft. Die blaue Farbe hemmt die Kreativität. Müsste erst mal umlackiert werden in schwarz. Kein Platz für einen Monitor abzustellen um möglichst Nahe am Bildschirm alles erfassen zu können.

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  2. hab rechts mit klett ein iPad befestigt – geht prima
    ausserdem liebe ich das blau

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