Interview

Michel Geiss & Perry Rhodan CD Project

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Sein Name mag in Deutschland weniger bekannt sein, in Frankreichs Musikszene aber ist Michel Geiss ein fester Begriff. Und dies nicht nur aufgrund seiner langjährigen Zusammenarbeit Jean-Michel Jarre …

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Durch seine Aktivitäten als Tontechniker, Mastering-Experte, Musiker, Sounddesigner und Produzent kann Michel Geiss auf eine lange Credit-Liste verweisen. Außerdem leistete er in den 70ern einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung elektronischer Musikinstrumente, indem er für Jean-Michel Jarre Sequenzer und Rhythmuscomputer schuf, die auf dem Erfolgsalbum Equinoxe erstmalig zum Einsatz kamen.

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SOUND&RECORDING-Autor Christophe Martin de Montagu traf den vielseitigen Michel Geiss in seinem Studio in Paris, um mit ihm über seine Mitarbeit am kürzlich veröffentlichten Perry-Rhodan-CD-Projekt zu sprechen.

Bitte erzählen Sie unseren Lesern etwas über Ihre Karriere.

Nachdem ich mein Diplom in Elektroniktechnik erhielt, habe ich zunächst in der Telekommunikationsabteilung einer Kabelfirma angefangen, wo ich geholfen habe, die allerersten Modems zu entwickeln. Schon von Kindesbeinen an habe ich Musik gemacht, und als dann die ersten Analogsynthesizer erschienen, war ich fasziniert. Mein Interesse galt ganz besonders dem ARP 2600. Durch einen Vortrag, den ich über diese faszinierende Maschine auf der französischen AES hielt, kontaktierte mich Jean-Michel Jarre, der einen 2600 besaß.

1976 habe ich in den Barcley Studios in Paris als Techniker gearbeitet, und jeden Tag huschte ich nach Feierabend ins Studio von Jean-Michel Jarre, wo ich mich in einer ganz neuen Welt wiederfand, nämlich der des Oxygène-Projekts. So unkompliziert und eng wie meine Beziehung zu Jean-Michel Jarre war, konnte ich natürlich kaum erahnen, wie erfolgreich das Album werden sollte.

Gemessen an heutigen Standards war das Studio-Setup sehr einfach: Eine 1″-Achtspurmaschine, ein speziell angefertigtes Pult, ein paar Synthesizer, eine Eminent-Orgel, Gitarreneffekte und, nicht zu vergessen, das immens wichtige Revox A77 Bandecho. Auf dem 2600 habe ich Effekte und einige Melodiesounds programmiert.

Sie haben aber auch selber Technik entwickelt, die bei Jean-Michel-Jarre-Produktionen eingesetzt wurde.

Später hat mich Jean-Michel gebeten, mit ihm an seinem nächsten Projekt Equinoxe zu arbeiten, was eine der besten musikalischen Erfahrungen meines Lebens werden sollte. Das war der Anfang von allem. Bevor wir die Aufnahmen angingen, entwarf und baute ich zwei elektronische Instrumente: den Geiss Matrisequencer 250 und den Rythmicomputer. Während der Rythmicomputer nur auf ein paar Tracks zum Einsatz kam, wurde der Matrisequencer 250 ein essenzieller Bestandteil von Equinoxe.

Jean-Michel Jarre wünschte sich einen Matrix-Sequenzer, und, von dieser Grundidee ausgehend, entwickelte ich eine Maschine von Grund auf mit wirklich musikalischen Features, wie z. B. zwölffacher Unterteilung der Oktave, einem Tonumfang von vier Oktaven für jede Note sowie 15 Notenlängen, Portamento, Step-by-Step-Modus und vor allem Tape-Sync! Darüber hinaus erlaubte das CV/Gate-Konzept, Transpositionen live vorzunehmen, was Jean-Michel bei einigen Bass-Spuren verwendet hat.

Später, Anfang der 90er hatte ich eine Idee für eine neue Version, die anstelle der Steckmatrix eine Matrix hatte, die man anfassen konnte, ähnlich wie beim Acxel Technos-Synthesizer. Die Zeilen und Spalten bestanden aus kleinen Metallquadraten mit einer LED in der Mitte. Daraus wurde der Geiss Digisequencer, den Jean-Michel bis heute auf der Bühne und im Studio benutzt. Einige Jahre später habe ich im Auftrag eines Pariser Mastering-Studios eine automatisierte Schnittkonsole entwickelt.

Als Studio- und Bühnenmusiker, Sounddesigner, Arrangeur und Toningenieur war ich an den meisten von Jean-Michel Jarres Projekten beteiligt, bis wir 1995 nach rund 20 Jahren unsere Zusammenarbeit beendeten. Das war eine Kollaboration auf vielen Ebenen und eine außergewöhnliche Lebenserfahrung.

Danach habe ich mit zwei Freunden eine kleine Musikproduktionsgesellschaft aufgebaut, durch die ich zum Mastering gekommen bin, was ich bis heute betreibe. So habe ich Bekanntschaft mit der Welt der gesungenen Musik gemacht und wurde dafür mit Goldalben und sogar einem Platinalbum belohnt!

Geiss_Matrisequencer_250
Für Jean-Michel Jarre entwickelte Michel Geiss den Matrisequencer 250, der essenzieller Bestandteil des Erfolgsalbums Equinoxe werden sollte.

Gab es außerdem musikalische Aktivitäten?

Darüber hinaus komponierte ich Trailer für französische Fernsehsender, Musik für eine Lasershow im Futuroscope in Poitiers, Frankreich und vor allem eine Reihe von Musiken für Kurzfilme und Soundeffekte für die französische Filmgesellschaft Gaumont. Das war in den frühen 90ern. Es war eine ganz tolle Erfahrung; die computergenerierten Filme wurden auf riesige Leinwände von 24 Metern projiziert, dazu kamen Laser von vorn und von hinten – das Publikum war begeistert.

Wie entstand die Zusammenarbeit zum aktuell vorliegenden Perry-Rhodan-Projekt „Spyce“?

Den Initiator des Spyce-Projekts, Eckhard Reuter, habe ich im Rahmen eines früheren Projekts kennengelernt. Er erzählte mir von seinem Versuch, ein Musikprojekt aufzuziehen, das einen in Deutschland legendären Science-Fiction-Helden zum Mittelpunkt hat: Perry Rhodan. Die Musik war bereits komponiert. Als ich mir die Tracks anhörte, fand ich, dass sie dem Projekt zwar gerecht werden. Ich regte aber an, dass es noch interessanter wäre, den musikalischen Inhalt in eine Klangumgebung zu betten, die eine besondere Stimmung schafft.

Für mich gibt es keinen Zweifel, dass die elektronische Musik die Musik von Science-Fiction ist, nämlich die, in der neue Klänge erschlossen werden. Ich glaube, was den Synthesizer tatsächlich adelt, ist die Magie seiner unbegrenzten Klangalchemie und die damit verbundene Fähigkeit, die Vorstellungskraft unter Strom zu setzen. Das Spyce-Album wurde vor etwa fünf Jahren begonnen, veröffentlicht wurde es aber erst im November 2007 bei Edel Entertainment. Was mich motivierte, war auch Eckhard Reuters besonderes Interesse an elektronischer Musik. Überraschenderweise habe ich Eckhard Reuter bis heute nie getroffen; das ganze Projekt wurde allein durch Unterhaltungen am Telefon aufgebaut!

>> Le Grand Monsieur Analogue – Studiobesuch bei Jean Michel Jarre <<

Was war Ihre Rolle bei diesem Album?

Meine Rolle bestand darin, ein Gesamtkonzept für die CD vorzuschlagen. Statt einer Serie von einzelnen Tracks schwebte mir vor, eine Geschichte zu erzählen, die nur aus sehr wenigen Worten besteht und hoffentlich die Kraft besitzt, die Hörer zum Träumen zu bringen, sodass die Imagination den Rest erledigt.

Eckhard Reuter gab mir wertvolle Ratschläge, da er Perry Rhodan viel besser kennt als ich. Manchmal versuchte er, mit Worten die Klänge zu beschreiben, die er sich zu hören erhoffte. Natürlich ist es sehr schwer, bisher ungehörte Soundeffekte zu beschreiben! Aber nach ein paar MP3-Skizzen haben wir uns gut verstanden.

Ich hatte kein Budget für meine Arbeit, aber ich war dennoch daran interessiert mitzuwirken; ich habe es als eine Art persönliche Investition betrachtet.

geiss_digisequencer
Später folgte der Geiss Digisequencer, den Jean-Michel Jarre noch heute im Studio und live einsetzt.

Ex-Kraftwerk-Mitglied Wolfgang Flür ist ein großer Fan von Perry Rhodan und bereitet gerade eine Performance vor, in der er Texte dieser Kultserie verwendet. Sind Sie mit ihm in Kontakt?

Als Perry-Rhodan-Fan wollte Wolfgang Flür bei einem TV-Feature (das bereits auf Arte, Tracks gesendet wurde; Anm. d. Red.) zu dem Thema mitwirken; das war eine nette Überraschung. Seit ihren frühen Alben gehört Kraftwerk zu meinen Lieblingsbands. Wolfgang Flür und ich haben eine ganze Reihe gemeinsamer Interessen, schließlich waren wir beide an der Entwicklung neuer elektronischer Geräte und Musikinstrumente beteiligt. Seit der Arte-Sendung tauschen wir uns per E-Mail aus und diskutieren zukünftige Projekte – aber mehr kann ich Ihnen momentan nicht verraten …

Lagen Ihnen nur musikalische Modelle vor, oder gab es bereits Soundeffekte?

Was ich am Anfang des Projekts bekam, waren fertige Musikstücke im Rohzustand, ohne Soundeffekte. Daraufhin habe ich angefangen, eine Art „musikalisches Staging“ der Stücke vorzunehmen, einschließlich der Effekte, die an die Hauptthemen der Buchreihe erinnerten.

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Vor einigen Jahren designte Michel Geiss das Semantic Danielou, das auf einer Theorie des französischen Musikwissenschaftlers Alain Danielou basiert. Vor dem Hintergrund indischer Musik beschrieb dieser eine Intonationsskala von 53 Intervallen pro Oktave. Die Tonleiter könnte man als „natürlich“ bezeichnen, weil sie auf einfachen ganzzahligen Frequenzverhältnissen basiert, die in den Hauptobertönen der meisten Instrumente vorkommen. Michel Geiss: „Die Intervalle erwecken bestimmte, scheinbar universelle Gefühlsreaktionen. Faszinierend!“

Wie sah die technische Seite aus? Haben Sie mit virtuellen Instrumenten gearbeitet?

Ich habe die Architektur des Projekts auf meinem Pro-Tools-TDM-System erstellt, das es mir erlaubte, meine Arbeit bequem und flexibel zu strukturieren. Auf diese Weise habe ich eine Hauptsession zur Konstruktion des gesamten Projekts erstellt, wo ich Effekte einfügen und Crossfades machen konnte usw. Ich fand aber, dass es bequemer war, die Soundeffekte außerhalb der Hauptsession zu erstellen und sie erst einzubinden, wenn ich mit dem Ergebnis zufrieden war. Dafür habe ich verschiedene Klangbearbeitungs-Plug-ins benutzt, u. a. die GRM Tools oder gar ganz gewöhnliche Filter, wobei ich die Parameter-Automation benutzt habe, um dynamische Veränderungen zu erzielen. Virtuelle Instrumente waren bei meinem Soundeffekt-Design nicht im Spiel. Ich habe aber vor Kurzem in einem anderen Projekt welche eingesetzt, als ich für ein belgisches Museum spezielle Sounds für ein interaktives Touchscreen-Terminal designt habe.

Hatten Sie für Ihre Arbeit Bilder aus der Serie, oder haben Sie sich ganz auf die musikalische Welt der ursprünglichen Komposition konzentriert?

Ich habe es vorgezogen, mich dem Einfluss der Bilder der Romanserie zu entziehen und habe damit Eckhard Reuters Rat beherzigt. Es sind so viele Perry-Rhodan-Geschichten veröffentlicht worden, dass es für einen Newcomer wie mich schwierig gewesen wäre, sich zu entscheiden, welche Bilder besonders relevant gewesen wären. Abgesehen davon, dass vor wenigen Tagen ein Videospiel veröffentlicht wurde, hat es wohl einen Grund, dass bisher weder ein großer Film von Star-Wars-Dimensionen produziert wurde noch eine TV-Serie im Star-Trek-Format. Aber wer weiß, kann ja noch passieren!

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Diese Perry Rhodan Geschichte scheint mehr ein alter Hut zu sein — anscheinend geht sie schon auf 2007 oder 2008 zurück. Aktuellere musikalische Aufhänger gibt es nicht?

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