Black Polivoks System: Parafoner Modularsynth von Erica Synths im Test
Nur vier Jahre seit seiner Firmengründung brauchte Erica Synths aus Riga, um sich von seinen mittlerweile Legion zählenden Fans in aller Welt seinen exzellenten Ruf in schwarzen Beton, … Entschuldigung: Bakelit gießen zu lassen. Nein, mittlerweile sind die Module und Modulzusammenstellungen der sogenannten »Black«-Reihe nicht mehr aus den Synthesizerwelten dieses Planeten wegzudenken.
Zunächst hieß das kleine Schwarze schlicht »Black System«, nun liegt es auf meinem Studiotisch und möchte plötzlich »Erica Synths Black Polivoks System« genannt werden. Zwei helle Holzteile flankieren den Test-Synth, und das gesamte schwarz lackierte Aluminiumrack mit seinen neun Modulen aus der insgesamt mehrere Dutzend Module umfassenden »Black«-Reihe macht hinsichtlich seiner Verarbeitung eine sehr edle Figur. Gerade die Bakelit-Potis liegen wunderschön in der Hand und möchten unbedingt angefasst werden. Selbstredend ist das kleine Modularsystem mit mitgeliefertem Netzteil und einigen Patchkabeln gleich anschlussfertig, und ich zähle insgesamt 55 Abgriffpunkte.
Didaktisch richtig und pragmatisch gut konzipiert ist das erste Modul links im Rack ein Black MIDI-CV v2, also ein kompaktes zweistimmiges MIDI-Interface. Es versteht mono- oder duofone Signale und kann diese auch als zwei getrennte MIDI-Kanäle verwalten. Ein kleiner versteckter Button möchte vier Sekunden lang gedrückt werden und eröffnet dann diverse Konfigurationsmöglichkeiten, die ich mit einem angeschlossenen MIDI-Keyboard auf der untersten Oktave auswählen kann. In diesem Modus können schlicht MIDI-Kanäle gesetzt werden. Drücke ich ein weiteres Mal auf den kleinen Schalter, was die kleine LED mit einer schnelleren Blinkfrequenz quittiert, gelange ich in die Konfiguration für externe Modulationen wie Pitchbend an CV1, CV2 etc. Zusätzlich beherrscht das kleine vielseitige Modul MIDI-Clock-Output und smoothes Portamento auf beiden Kanälen. Funky!
Workin’ up a black sweat!
Doch weiter geht’s mit den restlichen acht Modulen. Ich zähle 1x Black Modulator, 2x Black VCO, 1x Black Mixer, 1x Black Polivoks VCF, 2x Black EG und 1x Black VCA. Somit ist alles an Modulen an Bord, um einen exotischen Monosynth bauen zu können. Wir fangen logischerweise mit dem Oszillator an: Der Black VCO ist auf den ersten Blick nichts Besonderes, doch das täuscht. Klar, zum einen kann er simultan Sinus, Dreieck, Sägezahn und Pulswelle ausgeben. Dass die Pulswellenbreite dabei auch manuell per Poti oder per CV angesteuert werden kann, ist allenfalls Sounddesign-Grundausstattung. Im interessanten Innern werkelt allerdings ein berühmter russischer Polivoks VCO nebst dazu passend gematchten Transistor-ICs. Typischerweise generiert dieses Team leicht abgerundete Rechteckwellen, die Analogpuristen in schiere Entzückung versetzen, weiterhin besitzt er einen auf eine Oktave herunter stimmbaren Suboszillator. Ein FM-Input erlaubt klassische Yamaha-FM-Vibes durch externe Frequenzmodulation im hörbaren Bereich. Dass der VCO hervorragend über 8 Oktaven die Tonhöhe tracken kann, sollte man ebenfalls nicht unerwähnt lassen.
Der Blick bleibt als Nächstes beim Black Modulator hängen. Dessen LFO gibt alle notwendigen analogen Wellenformen aus, die man so im Klangverwalteralltag brauchen kann: Sinus, Dreieck und eine typisch analog warme Pulswelle mit leicht abfallendem horizontalen Verlauf. Ein Switch schaltet den Regelbereich wahlweise auf LFO-typische Frequenzen oder in den Audiobereich. Sample&Hold-Modulationen lassen sich per Clock-In extern triggern.
Der Black Modulator ist dank der verbauten Zenerdiode außerdem ein Rauschweltmeister, er haut sowohl White, Pink als auch ein schön geclipptes Crushed Noise raus; Letzteres besitzt seinen eigenen einladenden Poti. Dieser kann von 1-Bit-Noise bis zu komplett zufällig getriggerten Impulsen liefern. Hier merkt man der Black-Serie bereits an, dass in der Entwicklung die Bedienbarkeit im Vordergrund stand. Jene Funktionen, die mit höherer Wahrscheinlichkeit Sound machen, wurden schlicht mit einem Drehregler ausgestattet − danke Lettland!
(Bild: www.andrey.lv)Black Heart
In der symbolischen Mitte der Brust trägt das Erica Synths Black Polivoks System den Polivoks VCF. Laut Hersteller »emuliert« er einen Formanta Radio Factory Polivoks, ein äußerst charmant klingender 80s-Synthesizer aus russischer Fertigung. Basierend auf den ebenfalls russischen ICs K140UD12 ist er hervorragend geeignet, um brachiale Bässe oder wirklich hysterisch-wild aggressives AcidGeschrei abzusondern. Nur Traditionalisten spielen ihn brav wie einen Moog, denn erst das Modulieren an seinen Grenzbereichen evoziert seinen komplexen Charme.
Das Filter des Black Polivoks VCFs kann per Kippschalter entweder einen 12-dB/Okt-Tiefpass oder einen 6-dB/Okt-Bandpass erzeugen. Streng der Erica-Bedienphilosophie folgend regelt hier der große Drehregler den Cutoff, der zweitgrößte die Resonanzflanke (notfalls bis zur Selbstoszillation), und die kleineren Parameter wie »CV1 Level«, »CV2 Level« oder schlicht »In Level«. Im Großen und Ganzen klingt er so, wie man es von einem Polivoks erwartet, nur hat Erica Synths an entscheidenden Stellen die Schaltung optimiert, um Pegelsprünge in Form von Clicks oder invertierten Phasenmodulationen zu vermeiden. Insgesamt führte dies zu einer »moderneren« Variante der russischen Sounds mit stabilerer Bassdarstellung und genauerer Regelbarkeit.
Aber Odin-sei-Dank ist es trotz der Verbesserung kein Moog geworden. Der Polivoks VCF hat beispielsweise sehr interessante, extremere Klangfarben, sobald man die Resonanz auf extreme Werte jenseits von 15 Uhr rein dreht − nicht gerade etwas, was man als Synthesepilot allzu oft tut.
Kommt alles in den schwarzen Umschlag!
Kommen wir zum Black VCA und Black EG − Envelope Generator, schließlich sollen unsere Sounds ja auch eine »Form« bekommen. Im Falle des hier vorgestellten VCAs haben wir es mit einer Eigenentwicklung von Erica Synths zu tun, die mit einer ausgefeilten Spannungsteilung und speziell angepasster CV-Verarbeitung glänzt. Neben Input und Output finden wir hier noch die Eingänge CV1 und CV2, jeweils mit eigenem Level-Poti. Der Response-Regler kann dabei stufenlos zwischen linear und logarithmisch regeln, was Einfluss auf die Impulsfreude des Signals hat. Umso »logarithmischer«, desto knackiger also, damit macht man dann Percussion.
Der BIAS-Regler ist nun aus jenem Grunde wiederum der größte Regler, da man mit ihm prinzipbedingt die Abschwächung der Amplitude des VCAs vornehmen kann. Stark nach rechts gedreht lassen sich gediegene Sättigungseffekte fahren. Das alles steht natürlich in Relation zu den beiden CV-Eingängen, wobei CV2 die Qualität des Response-Reglers beeinflusst. Was kompliziert klingt, ist auch erst einmal schwierig einzustellen. Für Modular-Einsteiger lauert hier die größte Hürde, wer diese aber bewältigt, ist einen enormen Schritt weiter und darf sich bald mal vor eine riesige Schaltwand setzen oder den Mädchen in einer Telefonzentrale beim Patchen zuschauen.
(Bild: www.andrey.lv)Zwei knackfreie Black EGs
sind in der rechten Hälfte des Black Systems verteilt. Sie bieten eine klassische ADSR-Hüllkurve, verfügen aber ebenfalls über einige schmutzige Tricks und wahlweise sehr lange Decay- (bis zu 30 s) und Release-Zeiten (bis zu 35 s): So finden sich ein Umschalter für zwei Betriebsarten namens »Single« und »Loop« sowie ein »Gate« (Input) und »Gate Delay«. Am Gate Delay erscheint das Gate-Signal, sobald die Attack-Phase durchlaufen ist. Wer clever verschaltet, kann so von perkussiven Sequenzen bis hin zu langen Drones einige spannende, rhythmische Modulationen erstellen.
Gemischt wird übrigens alles naturgemäß im kleinen und geradezu perfide einfach gehaltenen Mixermodul, das dafür da ist, drei Audiosignale zu mischen, aber diese auch wahlweise gepuffert abzweigen kann. Wer also möchte, kann damit sogar ein Signal doppeln und in ein anderes − auch externes − Gerät filtern oder modulieren. Achtung: Hier bitte keine Steuerspannungen rein!
Black Celebration
Das Ding macht Spaß und klingt wild und rund. Es ist sehr einfach, den Herstelleraussagen bei Erica Synths Glauben zu schenken, dass bei der Black-Baureihe nur hochqualitative Elemente verarbeitet wurden. Sämtliche Ein- und Ausgänge sind gegen versehentlich zugeführte Überspannung gesichert, diskret und analog aufgebaut. Weiterhin hat man mit diesem stimmig zusammengestellten System eine Menge Spaß, wobei sich die Möglichkeiten der Varianten von Klangsignaturen und Sounds, die man mit dem Black System erreichen kann, dank der latent versteckten Unterfunktionen einzelner Module so schnell nicht erschöpfen werden. Egal ob als Einstiegsmodell in die Modularsynth-Klasse oder als Erweiterung eines anderen Systems: meine Empfehlung!