Arturia MiniBrute 2, 2S & RackBrute im Test
Wir wissen nicht, was Caesar in der Stunde seines Todes durch den Kopf gegangen ist, sicher ist aber, dass er den schneidenden Sound des MiniBrute einem Messerstich durch seinen Sohn Brutus vorgezogen hätte. Der neue semimodulare MiniBrute 2 von Arturia kämpft jedenfalls auch mit allen Mitteln um den Thron des besten monofonen Analogsynths im Preisbereich unter 700,− Euro. Kann er überzeugen? Wie unterscheidet er sich von der ersten MiniBrute-Version?
2009 begann die französische Firma Arturia, die bisher für ihre klangstarken Software-Synths bekannt war, mit dem Origin ihren ersten Hardware-Synth auszuliefern. Obwohl der digitale Bolide kein großer Erfolg war, stellte die französische Firma drei Jahre später den Analog-Synth MiniBrute vor. Der monofone, relativ preisgünstige Kompakt-Synth kam hingegen sehr gut an und wurde zum Verkaufsschlager. Nach der noch kleineren Variante namens MicroBrute und dem großen, ebenfalls monofonen MatrixBrute-Boliden mit der charakteristischen Modulations-Matrix sind die Erwartungen an den halbmodularen Nachfolger des MiniBrute-Erfolgsmodells hoch.
Erster Eindruck: Ja, der MiniBrute ist erwachsen geworden. Das signalisieren nicht nur die hölzernen Seitenteile und die Handräder aus Aluminium, die jetzt neben der Tastatur positioniert sind und da zusammen mit den Oktavlagen-Tastern besser in Griffweite liegen, sondern auch die dezente Farbgebung, die von den jüngsten bonbonfarbenen Versionen des MiniBrute 1 meilenweit entfernt ist. Die Gehäuseoberseite des gut verarbeiteten Instruments ist aus stabilem Plastik, die Unterseite aus Stahlblech; für seine Größe (484 x 336 x 58 mm) ist er mit 4,8 kg fast schon ein Schwergewicht. Jedenfalls rutscht er bei engagiertem Spiel nicht vom Keyboard-Ständer und bildet eine gute Basis für den RackBrute (s. u.). Ein echter Hingucker ist die gut ausgestattete Patchbay, die das Klangspektrum des Synths erheblich erweitert.
Die zweioktavige, normalgroße Tastatur ist halbgewichtet, verfügt über Anschlagsdynamik, Aftertouch und lässt sich sehr gut spielen. Einziger kleiner Kritikpunkt: Sie ragt einige Millimeter ungeschützt über die vordere Gehäuseseite heraus; Vintage-Freaks denken da an das »herausragende« Keyboard des ARP Odyssey, bei dem Tastenbruch vorprogrammiert war.
Nicht mehr allein zu Haus: der VCO.
Einer der essenziellsten Unterschiede zum Vorgänger besteht in der Oszillatorbestückung. Der MiniBrute 2 besitzt zwei Oszillatoren. Oszillator 1 generiert Sägezahn, eine modulierbare Ultrasaw, Rechteck mit Pulsweitenmodulation und Sinus, wobei sich die Wellenformen parallel hinzu mischen lassen; neu hinzugekommen ist hier − auch dank der Patchbay − neben Cross- Modulation und Oszillator-Hardsync, eine lineare und exponentiale Frequenzmodulation, wodurch noch mehr bösartig verwurstete Soundmonster erstellt werden können. Auch das Metalizer-Waveshaping der Sinuswellenform wurde leicht modifiziert.
VCO 2 ist einfacher gestaltet und bietet alternativ Sägezahn, Rechteck und Sinus; im LFO-Tuning-Mode kann er auch als Modulationsquelle dienen. Abgerundet wird die VCO-Sektion durch den White-Noise- Generator und die Portamento-Funktion.
Das Steiner-Parker Multi-Filter trägt viel zum charakteristischen, durchsetzungsfähigen Sound des MiniBrute bei. Es arbeitet mit 12 dB Absenkung pro Oktave und kann als Low-, High-, Band- und Notch-Filter agieren; die letzteren beiden Modi sind als 6-dBFilter ausgelegt. Die Filterfrequenz reicht von 20 Hz bis ca. 18 kHz. Das Filter liefert eine schöne Selbstoszillation, und die Resonanz lässt sich modulieren, was nicht selbstverständlich ist. Drei Modulations-Routings sind ohne Patchbay am Start: Cutoff zu ADSR-Envelope und Aftertouch sowie LFO 1 zu Resonance.
Envelopes
Der Kenner des MiniBrute 1 könnte auf den ersten Blick etwas enttäuscht sein: Statt der zwei ADSR-Hüllkurven gibt es bei der 2er-Version nur eine ADSR- und eine zweistufige AD-Hüllkurve. Letztere hat es aber in sich und ist ein erstklassiges Klangwerkzeug: Sie lässt sich loopen, kann wahlweise als ASR-Hüllkurve arbeiten, und ihre Attack- und Decay-Zeiten sind CV-steuerbar.
Die VCA-Sektion wurde überarbeitet und erzeugt weniger Verzerrung als beim MiniBrute 1. Auch der namensgebende Brute-Effekt klingt jetzt erfreulicherweise etwas subtiler.
Die zwei LFOs des MiniBrute 2 bieten jeweils sechs Wellenformen, deren Geschwindigkeit bis in den Audiobereich reicht. Zusätzlich kann ja auch VCO 2 als LFO eingesetzt werden. Der Vorgänger ist mit einem LFO mit wählbaren Wellenformen, einem Vibrato- und einem Supersaw-LFO ausgestattet.
Die Patchbay verfügt über 48 Patchpoints. Darunter sind Ein- und Ausgänge für Oszillator, Filter, VCA und AD-Envelope, es gibt Eingänge für externes Audiomaterial, entweder vor dem Filter oder vor dem Master, Anschlüsse für den Sequenzer (Clock- und Reset-Eingänge, Sync- und Run-Ausgänge), ein CV/Gate-Interface und vieles mehr wie etwa einen Inverter. Die klangliche Bandbreite des Synths wird dadurch extrem erweitert. Allerdings benötigt man noch externe Mixer und Multiples, wenn man das volle Potenzial des Gerätes ausschöpfen will.
Nicht nur ein Sequenzer, sondern auch ein Arpeggiator sind beim MiniBrute 2 an Bord − der MiniBrute 1 bietet je nach Version nur das eine oder das andere. Der Arpeggiator liefert acht Betriebsarten inklusive Zufalls-Mode; allerdings fehlt mir hier eine Oktave-Funktion, mit der man das Arpeggio über mehrere Oktaven laufen lassen kann. Dieses Feature wurde bei der ersten MiniBrute-Version implementiert. Der Step-Sequenzer kann bis zu acht Sequenzen speichern, die bis zu 64 Schritte lang sein können; die Gate-Länge ist einstellbar, und eine Legato-, SwingFunktion ist auch vorhanden. Der Synth ist mit einer Tap-Funktion und einem Clock-Teiler mit acht Auflösungen ausgestattet. Leider werden Auflösung, der Swing-Faktor und die Gate-Länge nicht mit abgespeichert. Dafür gibt es ein Metronom, das der erste MiniBrute nicht liefert. Sequenzer mit Clock- und Reset-Eingängen sowie Sync- und Run-Ausgänge sind ebenfalls am Start.
Mit dem MiniBrute 2S liefert Arturia auch eine tastaturlose Version des Synths mit der gleichen Klangerzeugung. Er hat keinen Arpeggiator, ist aber mit einem ausgefuchsten 4-Track-Sequenzer mit Lauflicht und Real-Time-Programmierung ausgestattet (einen Arpeggiator gibt es hier nicht), den man auch zur Modulation einsetzen kann. Sequenz 1 und 2 ist immer Pitch und Gate zugeordnet, mit den Spuren 2 und 3 lassen sich jeweils bis zu 13 unterschiedliche Modulationsziele dynamisch steuern. Darunter sind auch Parameter wie Pitch, Gate, LFO-Retrigger, Cutoff Resonanz etc. So kann man z. B. duofone Pattern abfeuern oder beide Envelopes mit unterschiedlichen Gates triggern. Außerdem lassen sich Attack und Decay der AD-Hüllkurve ebenso wie die LFO-Rate und Amplitude individuell pro Step eingeben!
RackBrute
Modular-Synths können echte Platzfresser sein. Arturia hat sich diesbezüglich Gedanken gemacht, und man hat ein pfiffiges Racksystem für den neuen MiniBrute 2 entwickelt. RackBrute kann am Gehäuse des MiniBrute befestigt werden und ein einreihiges (3H) oder zweireihiges (6H) Euro-Rack- Gehäuse aufnehmen, das dann benutzerfreundlich im rechten Winkel über dem Synth schwebt. Das System ist zudem im zusammengeklappten Zustand extrem transportfreundlich. Schade nur, dass man nicht den MiniBrute 2 und die tastaturlose S-Version kombinieren kann.
Praxis
Zwei Dinge fallen beim Anspielen des MiniBrute 2 auf! Erstens: Der Spaßfaktor ist sehr hoch, man vergisst beim Rumschrauben schnell die Zeit. Zweitens: Anders als der Vorgänger ist der neue MiniBrute 2 ein komplexes Instrument, dessen Features man erst mal kennenlernen muss, um damit zielgerichtet arbeiten zu können. Kleine Poti-Drehungen können u. U. massive Klangänderungen zur Folge haben. Bei VCO 2 z. B. hätte ich mir übrigens eine feinere Auflösung des Tune-Bereichs gewünscht. Etwas umständlich ist auch das Filterkeyboard-Tracking, das nur via Patch aktiviert werden kann. Ansonsten ist alles sehr gut bedienbar, und man behält die Übersicht. Um auf dem Panel Platz zu sparen, haben einige Bedienelemente eine Doppelfunktion, die mit der Shift-Taste erreicht werden kann.
Der Basis-Sound des neuen MiniBrute 2 ähnelt dem des Vorgängers, besitzt aber dank seiner zwei VCOs eine viel größere Fülle; jetzt sind auch Schwebungen und fette Bass- und Leadsounds möglich. Das Steiner-Parker-2-Pol-Filter begünstigt einen offenen, sehr durchsetzungsfähigen Klang, der auch mal ruppig werden kann und selbst bei hohen Resonanzwerten nicht ausdünnt. Durch das ReDesign des VCAs und des Brute-Parameters gelingen aber jetzt auch subtilere und »edel« klingende Sounds. Die Hüllkurven sind schön schnell, sodass perkussive Sounds unproblematisch erstellt werden können. Mit der Integration der Patchbay ist natürlich die Büchse der Pandora geöffnet, und man hat Zugriff auf eine extrem große Bandbreite klanglicher Möglichkeiten, inklusive vieler ungewöhnlicher Sounds.
Fazit
Der MiniBrute 2 und sein Bruder 2S sind definitiv Anwärter auf den Cäsarenthron im Bereich der preisgünstigeren, semimodularen Synths. Die neuen MiniBrutes agieren klangstark und bilden eine exzellente Basis für den Aufbau eines Modularsystems; mit ihnen kann man auf sehr wenig Raum und vor allem in Verbindung mit dem cleveren RackBrute-Gehäuse einen bühnentauglichen Modularsynth konfigurieren.
Arturia MiniBrute 2 / 2S Straßenpreis: ca. 660,− Euro
Arturia RackBrute 6H Straßenpreis: ca. 359,− Euro
Arturia RackBrute 3H Straßenpreis: ca. 259,− Euro
Unsere Meinung:
+ gelungenes Design
+ große klangliche Flexibilität
+ Sound
− Arpeggiator ohne Oktav-Funktion; Sequenzer speichert Gate-Länge, Auflösung und Swing-Faktor nicht ab.