Behringer Model D – Minimoog-Clone im Test
Vor gut zwei Jahren ging ein lang gehegter Wunsch vieler Synthesizer-Fetischisten in Erfüllung, als die Firma Moog Music eine detailgetreue Reissue des legendären Minimoog Model D ankündigte. Einziger Knackpunkt: der Preis von rund 4000 Euro. Knapp ein Zehntel dessen kostet Behringers Clone, der nach langer Vorankündigung nun endlich in den Läden steht. Wir haben eines der ersten Geräte erworben und mit Moogs Minimoog Reissue verglichen.
Liebling, ich habe deinen Synth geschrumpft!
Ein perfekter Samstagmorgen, trotz des nasskalten Märzwetters, denn mit frischer Beute unterm Arm verlasse ich den Laden. Tags zuvor hatte mein lokaler Händler Six + Four auf Facebook gepostet, die erste Lieferung von Behringers Model D sei eingetroffen. Wenige Stunden später kann ich gerade noch das Vorführexemplar ergattern: restlos ausverkauft. In die Euphorie des Triumphs mischen sich leichte Gewissensbisse, denn der eine oder andere junge Musiker wird heute mit leeren Händen den Laden verlassen, während in meinem Studio bereits ein „echtes“ Model D wartet, Moogs 2016er Minimoog Reissue. Aber irgendjemand muss die beiden ja vergleichen und der Welt sagen, was Sache ist. Ich beschließe, dass ich das sein werde. Außerdem hat die Bundesliga an diesem Spieltag nicht viel zu bieten …
Unboxing
Behringer nennt seinen Clone wie das Original „Model D“. Das ist juristisch wohl okay und erhöht die Trefferquote bei Google, hat aber auch schon zu einer Reihe von Spitznamen wie „Boog“ und „Ulimoog“ geführt, um das Behringer Model D vom Minimoog Model D zu differenzieren. Um Missverständnisse zu vermeiden, muss ich mich im Folgenden z. T. dieser Praxis anschließen – ohne das Produkt herabwürdigen zu wollen.
Im persönlichen Aufeinandertreffen wird man die beiden Model Ds indes kaum verwechseln, schon aufgrund des Formfaktors: Der Behringer ist ein Desktop-Synthesizer von 367 x 130 x 80 mm, den man samt Karton fröhlich pfeifend unter den Arm klemmen kann. Moogs Minimoog Reissue ist ein schmuckes Vintage-Möbel mit einem Gehäuse aus massivem Walnussholz und einer sehr gut spielbaren Fatar-Tastatur. Sein überdimensionierter Karton (den man für eventuelle Posttransporte aufbewahren sollte) ist locker zehn mal so groß wie der des Behringers. Verglichen mit monofonen Synthesizern jüngeren Datums, wirkt der Minimoog geradezu ungeschlacht. Die Reglerabstände sind luxuriös (wie groß waren die Menschen damals?), die Potis und Schalter fühlen sich sehr hochwertig an. Diese Haptik strahlt handfeste Erotik aus!
Behringers Model D hat im Wesentlichen das gleiche Layout, jedoch mit geschrumpften Reglern und deutlich verkleinerten Abständen. Die Bedienfläche von 355 x 130 mm misst nicht einmal die Hälfte des Originals (670 x 165 mm). Die Potis haben aber einen angenehmen Drehwiderstand, und auch wenn sie ein bisschen klein sind, fassen sich die Knöpfe nicht billig an. Für die Ewigkeit ist der „Boog“ kaum gebaut, er macht aber keineswegs den Eindruck, als würde er fünf Minuten nach Ende der Garantiezeit in Flammen aufgehen. Gemessen am Preis scheint der „Ulimoog“ wirklich ordentlich verarbeitet.
Klangerzeugung
Der Grundaufbau ist identisch mit dem Original und sollte den meisten bekannt sein; ansonsten findet man sich sehr schnell zurecht, denn das Bedienfeld ist logisch gegliedert: Drei Oszillatoren (32’ bis 2’ sowie Low für Modulationen) mit je sechs Wellenformen werden in der Mixer-Sektion (inklusive Rauschgenerator) zusammengefasst und münden im legendären Ladder-Filter (24 dB/Okt Lowpass). Als kleines Schmakerl lässt sich beim „Boog“ das Filter wahlweise auch im Hochpass-Modus betreiben, was zusätzliche Effektsounds ermöglicht. Darunter befinden sich die ADS-Hüllkurven fürs Filter und den VCA. Der Release-Parameter ist nicht separat regelbar, sondern kann nur über den Decay-Schalter aktiviert werden; die Release-Time folgt dann der Decay-Einstellung. Beim „Ulimoog“ gibt es getrennte Decay-Schalter für Filter und Amplituden-Hüllkurve, worin ich allerdings keinen großen Mehrwert entdecken konnte.
Filter-Modulation und Keyboard-Tracking werden ebenfalls über Wippschalter aktiviert. Weitere Modulationseinstellungen, insbesondere der Oszillatoren, bietet die Controllers Sektion ganz links. Hier findet sich beim „Ulimoog“ auch ein separat regelbarer LFO (Dreieck/Rechteck) – anders als beim Ur-Minimoog, bei dem man dafür den dritten Oszillator opfern musste. Spätestens hier wird klar, dass Behringers Clone sich nicht am Minimoog der 70er-Jahre orientiert, sondern an der 2016er Reissue, wo das Originalrezept ebenfalls um einen separaten LFO angereichert wurde.
Die Minimoog-Reissue hat außerdem ab Werk MIDI-Anschlüsse. Die hat Behringers Model D auch, sogar doppelt, mit altbewährten DIN-Buchsen und „neumodisch“ per USB. Die MIDI-Steuerung beschränkt sich indes auf Notenwerte, Pitch Bend und Modulationsrad. Bei Moogs Reissue werden zusätzlich Velocity und Aftertouch zu Steuerspannungen gewandelt, um z. B. Lautstärke und Filter-Cutoff beim Spielen zu modulieren. Das gelingt beim Behringer nicht, dafür gibt es aber 15 Miniklinkenanschlüsse, um den „Ulimoog“ in ein Eurorack-System einzubinden. Das Gehäuse ist nämlich so konstruiert, dass man die Frontplatte mitsamt der dahinter liegenden Elektronik herauslösen und in ein Eurorack-Gehäuse einbauen kann. Sinnvollerweise wurde dazu der Main Out als Miniklinke auf der Frontplatte gespiegelt, denn die rückwärtigen Anschlüsse – wie beim Original in doppelter Ausführung: High für Line-Eingänge und Low für Instrumentenverstärker bzw. Effektpedale – gehen beim Eurorack-Einbau ja verloren.
Spürst Du das ‚D’?
Dem Manual der 2016er Reissue ist ein Motto von Moogs kürzlich verstorbenem Marketing-Genie David Van Koevering vorangestellt mit dem der Minimoog 1971 beworben wurde: „All the sounds you’ve ever heard are like a second. The Moog is an eternity.” Das Zitat – es ist eigentlich noch länger – gehört gewiss zur schönsten Produkt-Poesie, die je verfasst wurde. Aber wie das mit Dichtung so ist, sie entspricht nicht immer so ganz der Realität. Der Minimoog wurde primär als Performance-Instrument konzipiert. Experimentelle Klänge sind nicht seine Stärke, sondern ein massiver Grund-Sound, der sich organisch, auch während des Spielens, in die gewünschte Richtung formen lässt.
Behringers Model D entfaltet einen ähnlichen Druck wie das Original; wuchtige Synth-Bässe sind kein Problem. Die Oszillatoren klingen fett, das Filter packt ähnlich kräftig zu, und die Hüllkurven sind ähnlich flott. Am auffälligsten sind die Klangunterschiede bei Lead-Sounds: Das Moog-Original klingt glatter und „beseelter“ als der Behringer-Clone. Bereits ohne jede Modulation und ohne bewusst herbeigeführte Schwebungen haben die Moog-Oszillatoren eine gewisse Lebendigkeit, ein unnachahmliches Phasing, das den Sound stets interessant macht. Man könnte stundenlang zuhören. Im Direktvergleich klingen die Behringer-Oszillatoren etwas statischer, und in die oberen Mitten schleicht sich eine leicht aggressive „Heiserkeit“; der Grund-Sound wirkt etwas körniger. Ähnliches gilt für das Filter: Es klingt satt und Moog-ähnlich, aber nicht identisch. Im Bereich der Cut-Off-Frequenz klingt das Original offener und lebendiger. Auch diese charakteristische „Öligkeit“ des Originals in den Filterverläufen erreicht der Clone nicht so ganz.
Unterschiede hört man auch beim Mixer-Feedback. In den 70ern kamen findige Minimoog-Spieler auf die Idee, den Audio-Ausgang mit dem external Input zu verbinden, was geschmeidige Verzerrungen erzeugt. Außerdem kompensiert das Mixer-Feedback den Bassverlust bei höherer Filterresonanz. Aber Obacht: Dreht man den External-Input-Regler zu weit auf, erklingt ein tieffrequentes Grunzen. Praktischerweise liegt bei der Minimoog Reissue das Ausgangssignal bereits intern am external Input an, solange die Buchse nicht belegt ist. Da Behringer sich an der Reissue orientiert, ist es hier genauso. Der Klangeffekt ist beim Behringer indes etwas anders; er geht ein wenig abrupter in die Verzerrung, und der Bass-Boost klingt etwas dröhnig und aufdringlich; gleichzeitig werden die Höhen beschnitten, was beim Original weniger der Fall ist. Gleichwohl kann man auch mit dem „Ulimoog“ extrem satte Bässe mit markanter Resonanz erzeugen. Auch beim Filter Feedback betreffen die Klangunterschiede eher die Lead-Sounds, die beim Behringer-Clone nicht ganz so sonor und geschmeidig wirken wie beim Original.
Selbst wenn man Exemplarstreuungen und Poti-Toleranzen nicht ganz ausschließen kann, sollten die beschriebenen Klangunterschiede zwischen Original und Clone kaum Anlass zur Verwunderung geben. Denn obwohl Behringer auf die originalen Schaltpläne zurückgegriffen haben dürfte (die Patente sind längst abgelaufen), ist der Clone ja nicht aus den identischen Bauteilen gefertigt. Der „Ulimoog“ wird in moderner SMD-Technik gefertigt, d. h. aus miniaturisierten Bauteilen aus aktueller Produktion, während der Minimoog in Handarbeit weitestgehend aus Originalteilen besteht. Moog Music hat übrigens die Minimoog Reissue vor Kurzem abgekündigt, weil der Vorrat an Originalbauteilen aufgrund der hohen Nachfrage bereits erschöpft ist.
Als „Goody“ lassen sich bis zu 16 „Boogs“ per MIDI Polychain als polyfoner Synthesizer spielen. Ausprobieren konnte ich es mangels weiterer Geräte leider nicht. Wer es wagen möchte, sollte Zeit mitbringen, denn sämtliche Einstellungen müssen selbstredend von Hand kopiert werden. Wie beim Original lassen sich Parameterwerte weder speichern noch per MIDI übertragen. Diesbezüglich sind beide Model Ds echte Steinzeit-Synths – aber diese Entschleunigung hat bekanntlich ihren eigenen Charme! Für notorische Preset-Hopper und Live-Keyboarder, die auf schnell abrufbare Sounds angewiesen sind, wäre der Moog Sub 37 bzw. Subsequent 37 die bessere Alternative.
Womit wir bei den Performance-Eigenschaften angelangt wären. Während der Original-Minimoog mit seiner variabel neigbaren Bedienfront und den weiten Reglerabständen ergonomisch ein Traum ist (bis auf das schwergängige Pitch-Bend-Rad) und das organische Klangformen beim Spielen begünstigt, ist der Behringer-Clone als tastaturloses Desktop-Gerät mit engen Reglerabständen primär ein Synth für zu Hause.
Zumindest mein Exemplar ist auch nicht besonders stimmstabil, ganz im Gegensatz zur Minimoog Reissue (auf ältere Minimoogs trifft das bekanntlich nicht immer zu). Das betrifft insbesondere auch das Verhältnis der drei Oszillatoren zueinander, sodass man beim Behringer öfter mal nachstimmen muss, weil die Schwebungen zu heftig werden. Das schränkt die Live-Tauglichkeit zusätzlich ein, denn ob der weiten Wertebereiche und der kleinen Regler gestaltet sich das Nachstimmen ein bisschen fummelig. Mein „Ulimoog“ ist ab Werk auch nicht ganz korrekt kalibriert, sodass die 440-Hz-Stimmung stets deutlich rechts der Mitte des Tuning-Reglers liegt. Außerdem lassen sich bestimmte Settings wie Pitch-Bend-Range und Modulationskurven nur über kryptische SysEx-Kommandos ändern – für ein Gerät, das mutmaßlich in riesigen Mengen verkauft wird, könnte der Hersteller ruhig ein paar Mannstunden in ein entsprechendes Software-Utility investieren.
Fazit
Ohne Frage muss man dem Behringer Model D ein sehr gutes Preis/Leistungs-Verhältnis attestieren; der Verkaufserfolg dürfte alleine davon abhängen, ob es Behringer gelingt, die hohe Nachfrage überhaupt zu befriedigen. Wie nah der Clone dem Original kommt, darüber werden sicher noch erbitterte Diskussionen entbrennen; dafür lieben und hassen wir das Internet. Die Beantwortung dieser Frage hängt definitiv von der Perspektive ab: Heimanwender, die einen kostengünstigen Mono-Synth mit vollanalogem Aufbau und ebensolchem Sound suchen, werden mit dem Behringer Model D gewiss glücklich werden. Moog-Snobs hingegen werden die Nase rümpfen, denn der miniaturisierte, tastaturlose „Ulimoog“ widerspricht dem Wesen des Originals als Performance-Instrument.
Auch klanglich gibt es Differenzen. Der Behringer erreicht nicht ganz den sonoren, glatten Sound des Originals, der mit seiner humanoiden Emotionalität tief berühren kann. Was auf die derzeit (noch) erhältliche Reissue vielleicht sogar noch mehr zutrifft, da sie über Velocity und Aftertouch noch ausdrucksstärker spielbar ist als der Ur-Minimoog. Behringers Model D klingt im Direktvergleich etwas körniger, kratziger, aggressiver und auch etwas statischer; Behringer-Hasser werden sagen: seelenloser. Andererseits: Riesig sind die Klangunterschiede nun auch nicht. Nüchtern betrachtet, ist der „Boog“ ein sehr druckvoll und fett klingender Mono-Synth zum Hammerpreis.
Wer sich nun fragt, wie ich mich nun fühle: Meine Minimoog-Reissue werde ich definitiv nicht verkaufen. Jedes Mal, wenn ich das Studio betrete, fällt mein Blick auf dieses wunderschöne Walnuss-Möbel, und mein Herz geht auf. Oft berausche ich mich an ein paar Tönen, bevor ich mich der täglichen Arbeit widme. Dieses Gefühl kann man nicht kaufen. Das heißt, schon, aber eben nicht für 350 Euro. Ein echter Minimoog ist ein Stück Luxus, und wer hart arbeitet, sollte sich auch einmal etwas gönnen. Dazu kommt das gute Gefühl, anderen hart arbeitenden Menschen in Nordamerika den Job zu sichern. Überhaupt: Muss man Musikinstrumente dem Diktat der Wirtschaftlichkeit unterwerfen? Ich finde, nein.
Trotzdem werde ich auch den Behringer-Clone behalten. Denn auch wenn das Original letztlich besser klingt, wird mir der „Boog“ als Bass-Synth gute Dienste leisten, während der Minimoog für Lead-Sounds in Beschlag ist. So, und nun vertragt euch, ihr beiden Model Ds!
Hersteller/Vertrieb: Behringer/Music Group
UvP/Straßenpreis: 394,99 Euro / ca. 349,– Euro
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sehr gutes Preis/Leistungs-Verhältnis
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fetter, druckvoller Sound
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Anschlussfeld, Eurorack-kompatibel
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eher Soundmodul als Performance-Instrument
–
klingt nicht ganz so sonor wie das Original
Danke für diesen ehrlichen Test ! Für mich ist das die KERNAUSSAGE: “Muss man Musikinstrumente dem Diktat der Wirtschaftlichkeit unterwerfen? Ich finde, nein.”
Ich empfinde das genauso 🙂 !
Danke für diesen Test,der sorgfältig,kompetent und auch mit der nötigen Begeisterung geschrieben ist,auf zynische und selbstsichere Bemerkungen und Seitenhiebe verzichtet und eine sehr gute Mischung findet zwischen Sachlichkeit und Emotionalität,zwischen Sorgfalt und Spontaneität…Bernd aus der Schweiz
Danke, wir haben die reissue von moog vergleicht mit zwei original model-d’s serials 2 und 6 tausend: beiden vintage model-d’s klangen Besser , groBere sweetspot, offner sound ausgewogener klang , als die reissue. Die reissue klang ein wenig swichen voyager und vintage …
Das unterschied war in 30 secunde klar.
Schade das die test nur die reissue mit die boog vergleicht deshalb
https://www.youtube.com/watch?v=pYxc8R_Qys0&t=246s
nAja dann hast Hundeohren
In den meisten Punkten kann ich dem Tester zusteimmen .
Stimmstabilität entspricht eher dem ersten Minimoog Modell (das läßt sich aber ändern durch Einbau von präzi.Trimmer . Filter Resonanz klingt leider nur bis Stellung 2 nach Moog und die wärme fehlt etwas . Aber Lead Sounds der 70er von Chick Corea bis Wakeman klingen im Arrangement zu 100% authentisch bei super Spielgefühl. Wozu braucht man da noch das original …
war klar, dass hier am ende dann doch der synth-rentner versucht sich seinen überteuertes moog-spielzeug schön und den behringer schlechtzureden. kann man nicht einmal etwas gutes auch so weiterempfehlen? allein die aussage, dass der behringer kein peformancetoll sein soll – absolut lachhaft. schaut euch doch mal heutige live-jams an – es wird zu 99% genau mit solchen geräten, wie dem behringen, live peformt. eure engstirnige sichtweise ist einfach nur lächerlich. und ich bin ja wirklich gespannt, ob diese kritik auch veröffentlicht wird…
Leider ja!
Aber das hier der Boog schlecht geredet wird, also das nun wirklich nicht!
Und mit Performance ist nicht eine Gesamtperformance/Jam inklusive Minimoog gemeint, sondern die Performance auf dem Minimoog; also ein Solo mit Live-Schrauben am Moog!
Hat Model D einen Hall? Ich habe gerade dieses video gesehen https://www.youtube.com/watch?v=itX2iauAy7c
Nein, er hat Valhalla Shimmer benutzt.