Faszination Modular-Synthesizer: Schneider ist schuld!
Sobald man jemanden vertieften Blickes einen Sound an seinem Modular-Synthesizer patchen sieht und der- oder diejenige wie von Zauberhand geführt genau weiß, wo man hingreifen muss, um die Filter-Resonanz zu bedienen oder die LFO-Depth zu erhöhen, spürt man die Neugierde in einem aufkeimen. Man fragt sich, wie der Signalfluss in diesem scheinbar chaotischen Durcheinander verläuft, und möchte wissen, welches der vielen Module der Klanggeber ist und beispielsweise diesen schönen, nach Regentropfen klingenden Sound erzeugt, welches Modul die Hüllkurve antriggert und welches die MasterClock vorgibt.
Und woher kommt eigentlich das Delay auf dem Percussion-Sound?
Wenn man sich dabei ertappt, solche und ähnliche Fragen zu stellen, ist es meist schon um einen geschehen, und man kann die Tage zählen, bis sich der- oder diejenige ein kleines, aber feines »Einsteiger-Case« zulegt.
Mein System habe ich mir bereits vor einigen Jahren beim Hieber Lindberg in München gekauft. Ich war dort anscheinend die erste Frau, die sich für derlei interessierte. Nun ja, wenn’s schön macht … Diverse Recording-Sessions und zahlreiche Patches später verebbte die anfängliche Euphorie zugegebenermaßen nach und nach, bis das Case schließlich eine Weile in der Ecke meines Studios verstaubte, da zwischenzeitlich andere Instrumente meine Aufmerksamkeit in Anspruch genommen hatten. Wer kennt so etwas nicht?
Bis ich schließlich auf der Frankfurter Musikmesse, es dürfte das Jahr 2011 gewesen sein, den Stand von Schneiders Buero entdeckte. Ja, Schneider ist schuld −das werden mir sicher einige bestätigen! Da war also dieser Stand, der sich wenig bescheiden »Superbooth« nannte und sich im ersten Stock der Halle 5.1 befand. Hier war es eng, laut, bunt, mit Gestalten, die Mate- Absinth-Drinks in der Hand hielten, und anderen, die in Doktorkitteln dem neugierig und gleichzeitig ein wenig verwirrt dreinblickenden Messebesucher ihre
Expertise darboten.
Am kuriosesten und am stärksten beeindruckend zugleich war wohl die enorme Vielfalt, dieses wilde Wirrwarr an Controllern, Effektgeräten, Synthesizern und vor allem Modularsystemen, die man damals eher sporadisch bis selten zu Gesicht bekam. Eine wahre Augenweide, eines schöner als das andere! Da war ein klassisches Doepfer-System, rein in Silber gehalten, edel, klinisch elegant, »very german«. Hier ein Buchla-System aus den USA, betörend mit seinem roten Touch-Keyboard, verschiedenfarbigen Reglern und Buchsen, für einen Einsteiger wohl nicht die richtige Preisklasse. Und dann waren da noch die wild zusammengewürfelten, bunten Systeme, mit Modulen der verschiedensten Hersteller aus den verschiedensten Herkunftsländern. Ich befand mich im Modular-Nerdhimmel.
Und da war es auch schon wieder um mich geschehen. Völlig überfordert ob der großen Auswahl an Modulen machte ich mich bereits auf der Zugfahrt direkt an die Recherche: Welche Module hatte ich mir auf der Messe vorgemerkt? Welche Alternativen sind aktuell auf dem Markt erhältlich? Welche beliebt und warum? Welche Hersteller sind für solide Qualität und guten Sound bekannt? Und überhaupt, welche
Module brauche ich, um diesen Regentropfen-Sound von neulich nachbauen zu können?
Und schon war ich wieder mittendrin − in der nie enden wollenden Quest nach dem heiligen Eurorack-Gral. Nach dem einen Modul (naja, es dürfen auchzwei oder drei sein …), das alle Wünsche erfüllt. Dasmöglichst viele Funktionalitäten beherbergt, dabeiangenehm zu bedienen ist und vielleicht auch noch optisch etwas hermacht. Je tiefer man sich allerdings in den Kaninchenbau begibt, desto klarer wird einem:
Jedes Modul ist ein kleines Universum für sich, mit eigener Philosophie und eigenen Charakteristika im Gepäck. Eastcoast − Westcoast, digital − analog, Vactrols − Transistoren, silberne − farbige Frontplatten …die Liste ist lang. Ganz abgesehen von all den herstellereigenen
Specials, die ein jedes Modul einzigartig machen. Frei nach Sokrates’ »Ich weiß, dass ich nichts weiß« muss man sich irgendwann einmal damit begnügen, nicht alle Module, Funktionen und Möglichkeiten kennen, geschweige denn ausschöpfen zu können.
Und genau das ist ja auch das Faszinierende und zugleich Herausfordernde an Modularsystemen: Jedes ist ein Unikat, jedes zugeschnitten auf seinen Benutzer und jedes limitiert in seinen Funktionen.
Man muss sich auf das Gegebene einlassen, um durch ausgiebiges Experimentieren immer wieder zu überraschend neuen, anders klingenden Ergebnissen zu kommen. Um sich anschließend jedes Mal zu wundern, wie viel man doch aus »so wenig Equipment« herausholen kann, und festzustellen, dass dieser Umstand auch etwas Befreiendes haben kann.
So long, ich geh dann mal patchen!