Arturia MiniBrute – Monofoner Analog-Synthesizer
Analoge Synthesizer sind gefragter denn je, und dass Arturia mit dem MiniBrute einen Volltreffer landen würde, zeichnete sich bereits bei der ersten Präsentation zu Anfang des Jahres ab. Leider hatte Arturia mit argen Startschwierigkeiten zu kämpfen, was die Markteinführung immer wieder verzögerte. Nun ist es endlich so weit: Der Arturia MiniBrute ist in größeren Stückzahlen lieferbar und kann eifrig in den Läden angetestet werden.
Unsere Generation ist geprägt von den Vorzügen des Total-Recall. Die meisten Musikproduktionen werden mittlerweile im Rechner erstellt, und sämtliche Daten stehen dank Cloud-Speicherung jederzeit und überall zum Abruf bereit. Dagegen erscheint ein analoger Synthesizer, der nur einen einzigen Speicherplatz besitzt, wie ein Anachronismus. Und der Gipfel der Ironie ist erreicht, wenn der Hersteller dieses Synthesizers normalerweise Softwaresynthesizer produziert.
Dass die Grenobler Software-Experten wissen, wie man analoge Klassiker in Software wiederauferstehen lässt, hat Arturia mit Produkten vom Moog Modular V über den CS-80 V bis zum Oberheim SEM V mehrfach bewiesen. Und auch die ersten Aktivitäten auf dem Hardwaresektor haben tolle Instrumente wie den Drumcomputer Spark und den digitalen Modularsynthesizer Origin hervorgebracht.
Während aber ein Teil der Konkurrenz daraufsetzt, den allgemeinen Virtualisierungstrend mit Geräten zu stoppen, die mit immer mehr Funktionen und möglichst hoher Polyfonie ausgestattet sind, geht Arturia jetzt einen komplett anderen Weg und stellt mit dem MiniBrute einen erschwinglichen analogen Synthesizer vor, der zwar jede Menge Synthesizerpower unter der Haube hat, aber mit einer einzigen Stimme und einem Speicherplatz auskommt.
№4 2017
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Reduced 2 the Max
Weniger ist das neue Mehr, könnte man meinen, wenn man den MiniBrute zum ersten Mal sieht. Das mausgraue und superkompakte Gehäuse, die 2-Oktaven-Tastatur und nicht vorhandene Effekte werden aber durch den ausgeprägten Klangcharakter und den hohen Spaßfaktor beim Arbeiten mit dem Instrument schnell zum Nebenschauplatz. Die permanente Herausforderung, in der jeweiligen Situation spontan einen geeigneten Klang erstellen zu müssen, fördert nicht nur die Kreativität, sondern schult nebenbei auch noch das Verständnis dafür, wie Synthesizer funktionieren. Nebenbei führt das immer wieder zu unerwarteten klanglichen Überraschungen, die wiederum neue musikalische Ideen triggern können.
Da das eigene Know-how in Sachen digitaler Nachbildung von Synthesizern nicht automatisch eins zu eins in die analoge Welt übertragen werden kann, hat sich Arturia für das MiniBrute-Projekt mit dem Analogsynthesizer-Guru Yves Usson zusammengetan. Heraus – gekommen ist ein Synthesizer, der nicht nur durch seine Ausmaße seinem Namen alle Ehre macht. Obwohl sich insgesamt 56 Taster und Regler den begrenzten Platz teilen, ist deren Handhabung auch für Wurstfingertypen wie mich kein Problem.
Was du siehst ist, was du kriegst
Die grundsätzliche Architektur des MiniBrute ist schnell beschrieben: Ein VCO mit Suboszillator passiert ein analoges Multimode-Filter und einen VCA. Zwei Hüllkurven und LFOs sowie ein einfacher Arpeggiator sorgen für Bewegung im Klang.
Bei näherer Betrachtung entpuppt sich der VCO als eine Art Mischbatterie für analoge Wellenformen, die den Anwender quasi dazu auffordern, nach bester DJ-Manier den Grundsound permanent on the fly neu zu mixen. Nicht nur, dass die vier Grundschwingungsformen Sägezahn, Rechteck, Dreieck und Rauschen gleichzeitig zum Einsatz kommen können, für die ersten drei Wellenformen steht außerdem ein jeweils unabhängiger Modulator mit zwei Parametern bereit, mit dem sich die Wellenform einfach, aber effizient verändern lässt. Im Fall des Sägezahns heißt der Modulator Ultrasaw und erzeugt mittels zweier phasengedrehter Kopien der Schwingungsform eine Art analoge Version der legendären Supersaw. Beim Rechteck lässt sich erwartungsgemäß die Pulsbreite einstellen und über die Filterhüllkurve steuern, und bei der Dreieckswelle kommt ein Waveshaper zum Einsatz, den Arturia als Metalizer bezeichnet und der dem Klang scharfe Obertöne hinzufügt. Auch dieser Effekt lässt sich über die Filterhüllkurve modulieren – ein probates Mittel um z. B. einem Klang gezielt in der Attack-Phase mehr Charakter zu verleihen. Zusätzlich kann ein Suboszillator als Stütze zum Einsatz kommen, um z. B. Bass-Sounds mehr Druck zu verleihen. Der Suboszillator bietet eine Auswahl zwischen Sinus und Rechteck und kann ein oder zwei Oktaven unter dem Hauptoszillator schwingen.
Als sechste Quelle kann ein Audiosignal hinzu gemischt werden, das über den rückseitigen Monoeingang eingespeist wird. Dadurch wird der MiniBrute zum Effektgerät, mit dem man ideal Drumloops und Vocals verfremden kann.
Die Summe all dieser Signale wird dann im Multimode-Filter weiterverarbeitet. Das Filter – design basiert auf dem Synthacon-Filter, den der legendäre Nyle Steiner Mitte der 70er-Jahre entwickelt hat. Im Low-Pass-Modus arbeitet das Filter mit 12 dB und in den Hi-Pass-, Band-Pass- und Notch-Modi mit 6 dB pro Oktave. In Verbindung mit der Resonanz lassen sich damit Klänge realisieren, die teilweise an den Korg MS-20 erinnern – bei hohen Resonanzwerten schreit das Filter geradezu. Die Filterfrequenz lässt sich durch einen LFO und/oder die Filterhüllkurve modulieren.
Die beiden ADSR-Hüllkurven lassen sich übrigens zwischen Fast und Slow umschalten, um damit entweder extrem knackige Zaps zu erzeugen oder sich langsam entwickelnde Drones zu kreieren. Aftertouch ist ebenfalls ein möglicher Kandidat zur Modulation der Filterfrequenz. Leider gibt es keine Möglichkeit, die Anschlagdynamik als Modulator zu verwenden. Umso erstaunlicher, da die Tastatur des MiniBrute Velocity-Daten über MIDI ausgibt.
Der gefilterte Klang wird zum VCA weiter – gereicht. Bevor er aber da endgültig in seiner Lautstärke geformt wird, muss er zuerst den Brute-Faktor passieren, dem das Gerät seinen Namen verdankt. Dabei handelt es sich um eine Art Feedbackschleife, die das gefilterte Signal – ähnlich wie beim legendären Minimoog – nochmals zurück zum Filter leitet. Die dabei entstehenden Klänge reichen von subtiler Sättigung bis hin zu ultrabrutalen Verzerrerorgien, die sich perfekt für Industrial und Dubstep eignen.
Der MiniBrute bietet maximalen Spielspaß, da jeder Parameter einen eigenen Regler bzw. Schalter besitzt. Dank seiner umfangreichen Ausstattung mit CV/Gate-Anschlüssen und USB ist der kleine Synth zudem das ideale Bindeglied zwischen Audiorechner und Modularsystem.
Modulation
Der MiniBrute ist mit zwei LFOs ausgestattet, von denen einer fest als Vibrato verdrahtet ist und über das Modulationsrad bzw. Aftertouch gesteuert werden kann. Sinus und Rechteckwellenformen ermöglichen klassische Vibratos und typische Triller-Effekte.
Der zweite LFO verfügt über insgesamt sechs Wellenformen und kann unter anderem gleichzeitig die Pulsbreite, den Metalizer-Effekt, die Filterfrequenz und die Lautstärke modulieren. Er schwingt außerdem schnell genug, um damit auch Sounds zu erzeugen, die an oder erinnern. Selbstverständlich lässt sich dieser LFO auch per MIDI-Clock zum Songtempo synchronisieren. Das gilt natürlich auch für den eingebauten Arpeggiator, der mit den Standardfunktionen Up, Down und Random ausgestattet ist.
Ein nettes kleines Feature ist, im HOLD-Modus die Tonabfolge des Arpeggios frei zu bestimmen – fast wie bei einem Stepsequenzer. Außerdem gibt es noch eine Swing-Funktion.
Praxis
Schade, dass die Regler des MiniBrute nicht als MIDI-Control-Changes übertragen werden, wie z. B. beim Minitaur von Moog. Letzterer hat aber deutlich weniger Regler, sodass der Vergleich hinkt. Denn aufgrund der weitaus größeren Anzahl der Regler beim Arturia-Synth hätte dieses Feature den Preis des MiniBrute deutlich nach oben gepusht. Der Grund: Die externe Steuerung der Parameter würde voraussetzen, dass jeder Regler mit einem D/A-Wandler ausgestattet ist – was übrigens dann auch grundsätzlich Speichermöglichkeiten mit sich bringen würde.
Meines Erachtens hat Arturia die richtige Entscheidung getroffen, den MiniBrute mit möglichst vielen Reglern auszustatten, denn so bekommt man den maximalen Spielspaß und muss nicht – wie beim Minitaur – einen Software-Editor nutzen, um an wirklich alle Parameter heranzukommen.
Arturia setzt beim MiniBrute ganz klar einen anderen Schwerpunkt, der besonders bei der Integration des Synthesizers in die unterschiedlichsten Setups zum Tragen kommt. Neben der klassischen MIDI-Steuerung kann der MiniBrute per USB direkt an einen Audiorechner angeschlossen werden, außerdem kann er als CV-Gate/USB-MIDI-Interface eingesetzt werden, was besonders für Besitzer von Modularsystemen interessant sein dürfte, die den MiniBrute in ihr Setup einbinden möchten.
Was die externe Steuerung des Filters betrifft: Dies geht natürlich über den analogen Weg, wo – bei sich mit dem Einsatz eines externen MIDI-to-CV-Interfaces letztendlich doch bestimmte Parameter via MIDI-Sequenzer automatisieren lassen.
Die Schieberegler laufen vielleicht nicht so schön smooth wie die Drehpotis, aber …: keine Doppelfunktionen, keine Shift-Buttons, kein Trick – beim MiniBrute hat jeder Parameter seinen eigenen Regler und vermittelt spontanen Spielspaß.
Dass der MiniBrute über keinerlei Speichermöglichkeiten für seine Klangeinstellungen verfügt, kann man sicher verschmerzen. Dank des klaren Layouts der Klangerzeugung hat man schnell alle Parameter und Funktionen im Griff, und dem MiniBrute liegen einige Patch Memory Overlays bei, auf denen typische Soundeinstellungen eingezeichnet sind. Für eigene Einstellungen gibt es weitere zehn leere Overlays.
Mit der im Lieferumfang enthaltenen MiniBrute-Software können über die USB-Leitung Einstellungen für die Velocity- und Aftertouch-Kurven sowie für den MIDI-Kanal und andere Systemparameter vorgenommen werden.
Neben dem Sound begeistert auch die robuste Verarbeitung von Gehäuse und Bedienelementen. Und eine leicht gewichtete Tastatur würde man bei einem kleinen Monosynth fast gar nicht erwarten – die Tastatur ist zwar klein, spielt sich aber sehr angenehm und komfortabel. Unschön daher, dass sich bei unserem Testgerät einige der Tastaturgewichte im Laufe des Tests lösten. Der Hersteller versicherte uns jedoch, dass dieser Fertigungsmangel nur bei vereinzelten Geräten auftrat.
Fazit
Auch wenn er auf den ersten Blick aussieht, als wäre er von Mattel, entpuppt sich der MiniBrute als ein ausgewachsener Synthesizer mit durchaus eigenem Klangcharakter. Die Tatsache, dass der MiniBrute weltweit permanent ausverkauft ist, spricht Bände. Es sieht so aus, als habe Arturia mit diesem Produkt genau den Nerv getroffen.
Klanglich bietet das Gerät mehr Möglichkeiten als vergleichbare Konkurrenzprodukte. Die Stärke liegt eindeutig in extrem ausdrucksstarken Solosounds, aber dank der Noise-Wellenform lassen sich auch alle erdenklichen FX- und Percussion-Sounds problemlos realisieren, und mithilfe des Suboszillators sind megatiefe Bässe ebenfalls ein Thema.
Bei den umfangreichen Klangmöglichkeiten ist es schon ein wenig schade, dass keine Speicherplätze vorhanden sind, aber letztendlich muss man hier auf das megagünstige Preis/Leistungs-Verhältnis des MiniBrute schauen. Arturia liefert hier einen waschechten Analog-Synth und zeigt, wie man aus einem 1-Oszillator-Konzept das Maximum herausholen kann.
+ individueller Klangcharakter
+ sehr gutes Preis/Leistungsverhältnis
+ flexible Klangerzeugung
+ intuitive Bedienung
+ MIDI-, USB-, CV-Gate-Anschlüsse
+ robuste Hardware
– leichte Verarbeitungsmängel
Hersteller/Vertrieb: Arturia
Internet: www.arturia.com
UvP / Straßenpreis: 499,– Euro