Das Roland V-Stage 88 folgt einem bei dem japanischen Hersteller in der Stagepiano-Oberklasse so zuvor noch nicht umgesetztem Konzept: Als „All-in-one-Live-Keyboard“ ausgestattet mit Drawbars und zahlreichen Echtzeitreglern, positioniert es sich funktional gesehen zwischen Rolands klassischem Top-Stagepiano RD-2000 EX und der Flaggschiff-Workstation Fantom 8 EX.
Hardware und Ausstattung des Roland V-Stage 88
Das Roland V-Stage 88 ist ausgesprochen robust verarbeitet. Fast komplett in Metall gehüllt und mit Seitenleisten sowie einer Bodenplatte aus Holz verstärkt, ist das knapp 22 Kilogramm schwere Instrument perfekt für den rauen Bühnenalltag. Alle Anschlüsse sind mit Namen über der Benutzeroberfläche gekennzeichnet, sodass man auch aus der Spielposition heraus nicht lange nach einer Buchse suchen muss.
Die Ausstattung an Anschlüssen lässt keine Wünsche offen. Neben zwei Standardklinken-Output-Paaren und einem -Input-Paar gibt es symmetrische XLR-Ausgangsbuchsen sowie einen XLR-Mikrofon-Eingang. Ein MIDI-Buchsen-Trio mit als Out 2 nutzbarem Thru und vier Pedalanschlüsse, außerdem neben USB-to-Device und einer USB-C-Buchse als Audio/MIDI-konformer Computeranschluss zwei weitere USB-A-Buchsen für den Anschluss von Controller-Keyboards werden geboten. Das Netzteil ist in dieser Preisklasse natürlich im Instrumentengehäuse verbaut.

Vier Engines liefern den Sound
Das Roland V-Stage 88 besitzt vier Soundengines: „Acoustic Piano“ arbeitet auf Basis der V-Piano-Technologie des Herstellers. „Electric Piano“ werkelt mit der Super-Natural-Klangerzeugung des Herstellers. Bei der „Organ“-Engine wiederum ist die Virtual-Tone-Wheel-Technologie für die additive Synthese mit Sinus-Sounds verantwortlich. Die „ZEN-Core Synthesizer“-Engine schließlich arbeitet samplebasiert und lässt sich über die Roland Cloud noch mit weiteren Klängen erweitern.
Die vier Soundengines des V-Stage 88 bestimmen auch den Aufbau der Benutzeroberfläche: Für jede Engine steht ein Feld mit eigenen physikalischen Bedienelementen zur Verfügung. Dazwischen, genau mittig, gibt es ein grafikfähiges 4,3-Zoll LC-Display, das eine gute Übersicht über alle gerade aktiven Sounds liefert. Editiert man Klänge, sind die Tone- und Parameterlisten, die auf dem LCD angezeigt werden, für eine übersichtliche Bedienung unverzichtbar.
Roland V-Stage 88 – Piano-Qualitäten
Das V-Stage 88 kommt mit Rolands hammermechanischer Pianotastatur vom Typ PHA-4. Sie besitzt eine Druckpunkt-Simulation und Ivory-Feel-Beläge für den besseren Gripp, während die schwarzen Tasten zumindest mattiert sind. Dank gut ausbalancierter Gewichtung lässt sich darauf ausdrucksvoll und präzise spielen, die Repetition ist sehr gut. Es handelt sich allerdings nicht um die derzeit wertigste Roland-Pianotastatur: Dies ist die PHA-50 mit Holzelementen und noch längeren Tasten bis zum Drehpunkt, über die sich wiederum das RD-2000 EX sowie die Fantom 8 EX spielen.
Bei den akustischen Pianoklängen wird dagegen auch im V-Stage 88 das Feinste geliefert. Enthalten sind sowohl der Hauptflügel „Stage Grand“ aus der ersten Auflage des RD-2000 als auch das „German Concert“ von dessen EX-Erweiterung. Hinzu kommen als Klavierklänge die „Recital Upright“-Erweiterung aus dem RD-2000 EX sowie das neue „Felt Upright Piano“: Als ich selbst einst die Filzschicht meines damaligen Kemble-Klaviers zwischen Hämmer und Saiten klappte, um leiser üben zu können, ahnte ich noch nicht, dass jemand diesen reduzierten Sound einmal als stilprägend entdecken sollte.
Insgesamt liefert die Engine „Acoustic Piano“ 73 Tones – die bei Roland kleinste und unveränderbare Klangeinheit. Alle diese Tones kann man im Menü „Piano Designer“ mit Modelling-Parametern der V-Piano-Technologie editieren. Saiten-, Dämpfer- oder Gehäuse- und Soundboard-Resonanzen, die Position des virtuellen Flügeldeckels und viele weitere Piano-Parameter sind veränderbar. Sogar der Ton jeder einzelnen Taste lässt sich im Klangcharakter nachregeln. Ausdrucksstarke und sehr dynamisch spielbare Flügel- und Klavier-Sounds von unterschiedlicher Couleur erfreuen im V-Stage. Auch im Ausklang verhalten sich die A-Pianos ausgesprochen realistisch.

Combo-Orgel an Bord
Das Bedienfeld für die Virtual-Tonewheel-Orgel ist das weitaus größte auf der V-Stage-Oberfläche, gibt es doch eine echte Zugriegelgruppe für die neun Oktavlagen. Über den Regler „Tone“ wird der Grundsound der virtuellen Orgel eingestellt: Vier „Tone Wheel“-Klänge von unterschiedlichem Charakter für die Hammond-B3/C3-Emulation, zwei Sounds von Transistor-Orgeln à la Vox Continental sowie vier Pfeifenorgel-Klänge stehen zur Wahl, wobei jeder Grundsound wiederum in mehreren Variationen vertreten ist. 66 Tones sind es insgesamt, die den Grundstock bilden. Die Simulation aller Orgeltypen ist auf sehr gutem Niveau.
Eine Vibrato/Chorus-Sektion, Percussion, drei Amplifier-Effekte mit Verzerrung und natürlich der Rotary-Effekt inklusive Brake-Funktion lassen sich beim Spielen über das Bedienfeld der Orgel-Sektion regeln. Für die Zugriegelgruppe wird eingestellt, ob sie auf „Pedal“, „Lower“, oder „Upper“ einwirken soll: Diese drei unabhängigen Orgel-Sektionen kann das V-Stage nämlich gleichzeitig ausgeben. So können sich Organisten via MIDI-Keyboard eine zweimanualige Orgel bauen und auch noch ein MIDI-Basspedal anschließen.
Vintage-Keyboards mit SuperNATURAL-Technologie
Insgesamt 54 Tones umfasst die Sektion „Electric Piano“ des V-Stage. Davon sind allein 18 verschiedenen Varianten des Rhodes gewidmet: begonnen mit dem Fender Rhodes „Silver Top“ aus den 60ern über die Mark-1- und Mark-2-Modelle der 70er bis hin zum modifizierten Dyno-Rhodes. Es folgen drei Tones für das Wurlitzer 200, bevor Roland seinen eigenen SA-Pianos sowie verschiedenen Yahama DX-E-Piano-Sound liefert. Doch auch das Hohner D6 Clavinet der 70er ist prominent vertreten.
Diese E-Piano-Engine des V-Stage spult keineswegs bloß Multisamples ab, sondern besitzt analog zu den V-Pianos ein ganz eigenes „Piano Designer“-Menü mit passenden virtuellen Klangparametern. Den Anschlag glockiger klingen zu lassen, Tasten-, Dämpfer- und Mechanikgeräusche sowie Resonanzen der Stimmstäbe, Klangzungen oder Saiten zu verändern – all das ist möglich. Echtzeitregler wiederum gibt es beispielsweise für „Detune“ sowie „Soundlift“. Und auch diese Sektion besitzt ihre eigenen amtlichen Modulationseffekte inklusive Amp-Simulationen. Eine Emulation vom Feinsten.

Synths and more
Soundengine Nummer ist nicht nur dem namengebenden Bereich „Synthesizer“ verschrieben: In Kategorien wie „Strings“, „Bass“, „Key“ und „Other“ gibt es im V-Stage 88 auch diverse Workstation-Klänge à la Roland-Fantom. So finden sich neben Synth-Leads und -Pads auch allerlei realistische Streicher und Chöre, Solo- und Ensemble-Bläser sowie Akustik-, E- und Bass-Gitarren. Einzig Drumkits sind nicht mit an Bord.
Alle Klänge mit Zen-Core-Technologie entstammen Soundcollektionen aus der Klangerzeuger-übergreifenden Roland-Cloud. Das V-Stage ist ab Werk im synthetischen Bereich für ein Stagepiano sehr gut aufgestellt und kommt mit einer Fülle an sehr guten Flächen- und Lead-Klängen. Unter den Keyboard-Sounds dieser Engine findet man noch wichtige Piano-Klänge vom Yamaha CP70/80 oder Orgel- und E-Piano-Alternativen sowie A-Pianos auf Sample-Basis. Schwach, weil deutlich in die Jahre gekommen, sind allerdings diverse Roland-Samplesounds von Gitarren und Solo-Bläsern – sie gehören eigentlich nicht in ein Instrument dieser Preisklasse.
Zum Glück sind dies Einzelfälle unter den 448 Tones der Synthesizer-Engine. Dass der Fokus auf dem Synth-Bereich liegt, zeigt auch die Option auf vier Sound-Expansions aus der Roland-Cloud, die man nach der Registrierung des V-Stage gratis nachladen darf: Es handelt sich um die Erweiterungen „Jupiter 8“, „Juno-106“, „SH-101“ und „JX-8P“. Damit wächst die Gesamtzahl der Tones im V-Stage 88 auf mehr als 1050.
Regler für Attack- und Release-Phase der Hüllkurve, Filter-Cutoff sowie zwei frei mit Effekt-Parametern belegbare weitere sind unter anderem auf dem Bedienfeld dieser Sektion versammelt. Vor allem aber gibt es mit „Synth A“ und „Synth B“ zwei Tastatur-Parts, die frei mit den vorhandenen Zen-Core-Sounds besetzt werden können.

Stay on the Scene
Wann immer man einen Sound am V-Stage spielt, handelt es sich um eine „Scene“. Zwar kann in einer Scene immer auch nur ein einzelner Tone erklingen, dennoch handelt es sich um ein Multi-Klangprogramm. „Tone“ wiederum ist keine eigene Ebene eines spielbaren Sounds, sondern nur das Material, aus denen die Scenes aufgebaut werden.
Jede der vier autarken Soundengines des Stagepianos kann ihren Part oder ihre Parts zu einer Scene beisteuern. Inklusive der drei Organ- und der zwei Synthesizer-Parts kommt man also auf insgesamt sieben live spielbare Klänge, die eine solche Scene verwaltet. Mitgespeichert werden die Einstellungen der On/Off-Taster jeder Engine, sodass natürlich nicht jeder Part in einer Scene aktiv sein muss. Splits und Layer sind ohnehin rasch erstellt, denn jede Engine besitzt dazu entsprechende Buttons, und Splitpunkte sind stets frei wählbar.
Des Weiteren lässt sich pro Tastaturpart einstellen, ob ein interner Sound, ein via MIDI eingebundener externer oder beides zugleich erklingen soll: Dazu folgen die Status-LEDs an den On/Off-Schaltern der Parts einem Drei-Farben-Schema (gelb, blau, rot – Umschaltung per gedrückter Shift-Taste). Ein unkompliziertes wie effektives Masterkeyboard-Feature des V-Stage 88!
Neben den speziellen Effekteinheiten für die Zonen bietet das Stagepiano als Mastereffekte mit MFX, Delay und Reverb drei weitere Blöcke mit jeweils unterschiedlichen Typen an. Diese Master-Effekte können Parts anteilig zugewiesen werden – was auch wieder mit in der Scene gespeichert wird. Zum raschen Effektwechsel in der Live-Situation haben diese drei Master-Blöcke aber ein eigenes Bedienfeld mit zahlreichen Steuermöglichkeiten erhalten. Daneben auf der Benutzeroberfläche lassen sich dann noch ein Drei-Band-Master-EQ sowie das Signal eines angeschlossenen Mikros steuern.
Mit 512 Scenes bietet das V-Stage 88 eine große Menge Multi-Setups an. Allerdings waren an unserem Testgerät ab Werk lediglich 64 davon mit Soundkonfigurationen bestückt – da hätten sich die Programmer gerne mehr einfallen lassen dürfen.

Weitere Möglichkeiten des Roland V-Stage 88
Scenes des V-Stage 88 sind dank einer zusätzlichen Funktion nicht ausschließlich an die – nicht ganz übersichtliche – Ordnung der Speicherbänke gebunden. Dafür sorgt das Feature „Scene Chain“: Ketten von bis zu acht beliebigen Scenes können in solch einem Speicherplatz frei programmiert werden. So können Keyboarder am V-Stage ihre Set-List für einen Gig praktisch im Rahmen einiger vorbereiteter Scene-Chains, von denen 128 zur Verfügung stehen, abarbeiten, ohne live durch die eigentlichen Scene-Bänke scrollen zu müssen.
Scene- und Scene-Chain-Speicherbänke können via USB-Stick gesichert sowie nachgeladen werden. Abspiel- oder Aufnahmefunktionen per Stick, wie am RD-2000 EX möglich, scheinen wiederum derzeit für die V-Stage-Modelle nicht vorgesehen zu sein. Auch das Thema Bluetooth für drahtlose App-Anbindungen wird ignoriert. Womöglich wegen der dürftigen Latenz in Verbindung mit dem Anspruch, hier ein neues Profi-Instrument zu etablieren.
Stattdessen lassen sich Audio- und MIDI-Daten über den USB-C-Anschluss zwischen PC, Laptop oder auch Mobilgerät übertragen. Im V-Stage ist ein USB-Audio/MIDI-Interface integriert, das auch für das Arbeiten mit Daws und Plug-Ins benötigt wird. Über einen Roland-Treiber gibt das Stagekeyboard zudem auf Wunsch die Stereo-Signale der einzelnen Engines getrennt aus, was vor allem für Recording-Zwecke mehr Kontrolle ermöglicht.
Übrigens: Über die Polyfonie des Instruments macht Roland keine Angaben. Also spielte ich vollgriffig und mit Haltepedal-Einsatz mit einem Fünffach-Layer unter Einsatz aller Engines. Ergebnis: Stimmenprobleme stellten sich dabei nicht ein.

Die Konkurrenz fest im Blick
Es hätte gar nicht erst der roten Seitenteile und der roten Streifen auf dem Bedienfeld gebraucht. Klar ist, dass das V-Stage Rolands Antwort auf Clavias Nord Stage 4 ist. Yamaha ist diesen Schritt ebenfalls schon gegangenen und hat sich in Form der YC-Serie in dieses Bühnenkeyboard-Segment vorgewagt. Da ist das V-Stage vom Start weg in guter Gesellschaft.
Neben dem V-Stage 88 mit hammermechanischer Klaviertastatur, für das ca. 4.000 Euro aufgerufen werden, ist auch das V-Stage 76 erschienen. Es besitzt bei ansonsten gleicher Ausstattung eine halbgewichtete Waterfall-Tastatur mit Channel Aftertouch nach dem Vorbild der Hammond B3/C3. Wer den Fokus auf die Orgel anstatt aufs Piano legt, sollte also mit dem V-Stage 76 besser bedient sein. Ein drittes Modell mit verkürzter Hammermechanik-Klaviatur bietet Roland im Gegensatz zu Clavia und Yamaha derzeit nicht an.
Fazit
Das Roland V-Stage 88 ist das gelungene Debüt des japanischen Herstellers im Metier der professionellen All-in-one-Bühnenkeyboards. Lange mussten Roland-Fans auf ein solches Instrument im Stil des Clavia Nord Stage warten. Nun rückt der Hersteller mit seinen effektivsten Soundengines und seinen besten Pianos, Orgeln und samplebasierten Synthesizern in dieses beliebte Instrumenten-Genre vor. Dieses Feld lebt gerade auch durch eine flexible Echtzeit-Bedienung. In dieser Hinsicht liefert das V-Stage 88 ebenfalls ab, manches geht sogar besser von der Hand als bei der Konkurrenz. Zugleich hat Roland dem perfekt verarbeiteten Bühnenflaggschiff eine ansprechend zeitgemäße Optik verpasst.
Pro
– Stage-Keyboard mit Konzentration auf vier Top-Soundengines
– Hauptklänge auf höchstem Roland-Niveau
– üppige Reglerausstattung und gutes Bedienkonzept
– hochwertige Effekte
– zahlreiche User-Speicher
– praktische „Scene Chain“-Funktion
– absolut robuste Verarbeitung
– üppige Anschlussausstattung
Contra
– hohes Gewicht
– vereinzelt ältere Roland-Sounds im ROM
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