Die Geschichte zum Crumar Bit 99: In den 1980er Jahren erlebte die italienische Synthesizer-Industrie eine Blütezeit. Die Firma Crumar, bekannt für ihre String-Machines und Multikeyboards wie den legendären Multiman, spielte dabei eine zentrale Rolle. Neben Orgeln und ungewöhnlich klingenden E-Pianos stellte Crumar auch Synthesizer her, darunter den DS-2, der Ende der 1970er Jahre auf den Markt kam. Dennoch konnte sich Crumar nie den Ruf von US-amerikanischen oder japanischen Herstellern erarbeiten. Selbst der in Zusammenarbeit mit Bob Moog entwickelte Crumar Spirit änderte daran wenig.
Die Entstehung der Bit-Serie
Um das Image zu verbessern, entschied sich Crumar, eine neue Marke mit einem modernen Klang zu etablieren: „Bit“. Zu dieser Zeit galt alles Digitale als zukunftsweisend – selbst der analog arbeitende DS-2 wurde aufgrund seiner DCOs als „Digital Synth“ vermarktet. Die Synthesizer der Bit-Serie wurden in den USA unter dem Namen „Unique“ vertrieben.
Das erste Modell, der Bit One, erschien 1984 für rund 2.200 DM. Entwickelt wurde er von Mario Maggi, der bereits mit dem Elka Syntex einen Synthesizer-Klassiker geschaffen hatte. Der Bit One bot sechsstimmige polyfone Klangerzeugung, eine anschlagdynamische Tastatur und eine damals noch seltene MIDI-Schnittstelle. Allerdings war die MIDI-Implementierung sehr eingeschränkt: Der Synth sendete lediglich Velocity- und Note-On/Off-Befehle auf Kanal 1, ohne Programmwechsel- oder Controller-Befehle zu unterstützen.
Crumar Bit 99 – Verbesserungen und neue Features
1985 brachte Crumar mit dem Bit 99 eine überarbeitete Version auf den Markt. Dieses Modell wurde unter anderem von der britischen Band 808 State eingesetzt. Es bot einige wesentliche Verbesserungen gegenüber dem Bit One, darunter eine erweiterte MIDI-Funktionalität, die Speicherung von Split-Sounds sowie die Möglichkeit, das Fine-Tuning der DCOs abzuspeichern. Der Bit 99 wurde für etwa 2.600 DM verkauft und galt damit als preiswerte Alternative zu deutlich teureren Konkurrenten wie dem Yamaha DX7.

Design und Bedienung
Optisch präsentiert sich der Bit 99 in einem futuristischen Look der 1980er Jahre. Anstelle klassischer Drehregler und Fader dominiert ein flaches Metallgehäuse mit Funktionstasten, einem Zahlenfeld und zwei ergonomisch ungünstig platzierten Wheels für Modulation und Pitch-Bend. Diese sind hintereinander über der Tastatur angebracht, was die Handhabung erschwert.
Die anschlagdynamische 5-Oktaven-Tastatur spielt sich angenehm. Zur Bedienung stehen vier zweistellige LED-Displays bereit. Die Parameter sind in ein aufgedrucktes Signalflussdiagramm integriert, was dem Synthesizer eine moderne, wissenschaftliche Anmutung verleiht. Rückseitig befinden sich zwei Audioausgänge für die Layer-Sounds, ein Kopfhörerausgang sowie Anschlüsse für ein Sustain-Pedal und einen Fußschalter zur Patch-Anwahl. Außerdem verfügt das Gerät über eine vollständige MIDI-Schnittstelle (In, Out, Thru). Der Bit 01 Expander, der zeitgleich erschien, besitzt jedoch keinen MIDI-Out.
Klangarchitektur und Synthese-Features
Die sechsstimmige Klangerzeugung des Bit 99 basiert auf zwei digital gesteuerten Oszillatoren (DCOs) pro Stimme mit den Fußlagen 2′, 8′, 16′ und 32′. Ergänzt wird das Klangspektrum durch einen Rauschgenerator. Der Synth arbeitet mit zwei ADSR-Hüllkurven (für VCA und VCF), wobei die Filterhüllkurve invertiert werden kann. Das 24-dB-Filter mit Resonanz basiert auf Curtis-Chips (CEM3328) und liefert den charakteristischen analogen Sound. Frühe Modelle bis zur Seriennummer 248 nutzen hingegen SSM-Chips (SSM2044), die weicher klingen.
Der Bit 99 ist duotimbral und kann im Split- oder Layer-Mode betrieben werden, wodurch pro Sound jedoch nur noch drei Stimmen zur Verfügung stehen. Zwei LFOs mit den Wellenformen Dreieck, Sägezahn und Rechteck bieten Modulationsmöglichkeiten für DCOs, Filterfrequenz und VCA. Die Pulsweitenmodulation erfolgt über Anschlagdynamik, nicht über einen LFO. Allerdings lassen sich FM-artige Klänge durch die hohe LFO-Geschwindigkeit von bis zu 250 Hz erzeugen.

Speicherung und MIDI-Funktionen
Der Bit 99 verfügt über 75 Speicherplätze für Single-Sounds und 25 Speicherplätze für Split- bzw. Layer-Sounds. Im Stereo-Modus lassen sich interessante Klangverteilungen realisieren, da die sechs Stimmen auf zwei Ausgänge verteilt werden.
Die MIDI-Implementierung wurde im Vergleich zum Bit One deutlich verbessert. Sende- und Empfangskanal sind frei wählbar, Sounds können extern gespeichert werden, und verschiedene MIDI-Filterfunktionen (z. B. für Sustain, Program-Change oder Modwheel) stehen zur Verfügung. Zudem lässt sich der Bit 99 als Masterkeyboard nutzen und auf zwei Kanälen senden.
Soundcharakter und Einsatzmöglichkeiten des Crumar Bit 99
Wer den Bit 99 kauft, sollte sich nicht von den oft schwachen Werkspresets abschrecken lassen. Diese bestehen häufig aus mittelmäßigen E-Piano-Sounds oder wenig überzeugenden Naturinstrument-Imitaten. Das wahre Potenzial des Synthesizers zeigt sich in durchsetzungsfähigen Leads, druckvollen Bässen und experimentellen Klangstrukturen. Klanglich erinnert er entfernt an einen Oberheim Matrix, wenn auch mit eingeschränkteren Möglichkeiten.
Charakteristisch für den Bit 99 sind leichte interne Verzerrungen und Resonanzeffekte, die dem Sound eine besondere Wärme verleihen. Er eignet sich sowohl für klassische analoge Klangästhetiken als auch für moderne elektronische Musikstile.

Fazit – Ein unterschätzter Synthesizer mit Charme
Trotz seiner technischen Einschränkungen bietet der Crumar Bit 99 einen eigenständigen und vielseitigen Klang. Wer sich nicht von der umständlichen Bedienung abschrecken lässt, kann mit diesem Synth einzigartige Sounds kreieren. Dank der verbesserten MIDI-Funktionalität und der speicherbaren Split- und Layer-Sounds ist der Bit 99 eine deutliche Weiterentwicklung des Bit One.
Für Interessierte gibt es hilfreiche Ressourcen im Netz, darunter die Freeware „Bitedit“ von Pierre Gander (www.pierregander.com/Bit), die nützliche Tools und das Handbuch als PDF bietet. Auch die Website von Bernhard Döring (www.bernhard-doering.de) ist eine empfehlenswerte Anlaufstelle für Bit-Synth-Fans.
Features des Crumar Bit 99
- Analoge Klangerzeugung mit Curtis-Chips
- Sechsstimmige Polyfonie
- Zweifach multitimbral
- Zwei DCOs pro Stimme
- Rauschgenerator
- 24-dB-Filter mit Resonanz und Filtertracking
- Zwei ADSR-Hüllkurven
- Zwei LFOs mit hoher Geschwindigkeit
- Anschlagdynamische Tastatur
- 75 Speicherplätze für Single-Sounds
- 25 Speicherplätze für Combination-Sounds
- 5-Oktaven-Keyboard
- MIDI mit verbesserter Implementierung
- Stereoausgänge und Kopfhörerausgang
- Patch-Chain-Funktion für Live-Performance
Trotz des Niedergangs von Crumar 1988 bleibt der Bit 99 ein Geheimtipp für Synthesizer-Liebhaber. Wer auf der Suche nach einem besonderen Vintage-Sound ist, sollte ihn in Betracht ziehen.
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