Modular Live: Mario Schönhofer und Tobi Weber im Interview
Seit 2015 rockt die aus den beiden Musikern Mario Schönhofer und Tobi Weber bestehende Modular-Formation Ströme mit ihrer Mischung aus harten Elektro-Beats und Melodiekaskaden aus der Eurorack-Schrankwand die Clubs und Festivals der Republik. Im Interview mit KEYBOARDS berichten Mario und Tobi über die Möglichkeiten und Vorteile, die ihnen das Eurorack-System live bietet, und welche Philosophie sie bei ihrer Musik verfolgen.
Erzählt doch erst mal ein bisschen was über euren Background. Vor einiger Zeit wart ihr ja noch mit LaBrassBanda unterwegs.
Mario: Vor LaBrassBanda habe ich bereits als Studiomusiker für verschiedenste englische und amerikanische Acts wie Ultravox, Roger Hodgson, Supertramp oder Howard Jones gearbeitet. Zudem haben Tobi und ich schon drei Jahre in der Rockband des Leadsängers von LaBrassBanda zusammen gespielt.
Tobi: Wir waren mit Schlagzeug und Bass die feste Rhythm-Section in dieser Band. Bei LaBrassBanda haben wir beide dann nochmal fast vier Jahre gespielt. Auf Tour hatte Mario damals schon immer so’n kleines Modular-Synthesizer-Case dabei gehabt.
Mario: Am Anfang sogar noch den Oberheim Xpander …
Tobi: Ich hatte zudem noch so einen Drumcomputer dabei, mit dem ich auch kleinere Sachen programmiert hatte. Elektro hatte mich schon immer irgendwie fasziniert − bei Mario lief das schon die ganze Zeit immer nebenbei. Irgendwann haben wir das dann mal zusammen ausprobiert, was einfach einen riesen Spaß gemacht hat.
Ströme war eigentlich erst mal als Zweitprojekt konzipiert, entwickelte sich dann aber auf einmal so schnell, dass wir auf einmal echtes Potenzial darin gesehen haben. Dazu kommt, dass es ja wirklich relativ wenig Live-Bands in diesem Sektor gibt. Und da wollten wir es einfach wissen!
Mario: Als Sounddesigner und Additional Musician hatte ich schon oft bei verschiedensten Acts modular mitgemischt. Neben eigenen Projekten hatte ich auch bei der Tour mit Howard Jones neben dem E-Bass schon ein Modular System oder einen MiniMoog dabei.
№5/6 2017
- Editorial
- Facts & Storys
- Modular Kolumne
- EVANESCENCE
- Im Gespräch mit Lars Eidinger
- HÄMMERN MIT DEN GRANDBROTHERS
- Reisen & Neuanfänge: Lucy Rose
- Keys4CRO: Tim Schwerdter
- Klangbastler Enik & Werkzeugmacher Gerhard Mayrhofer
- Bei Klavis in Brüssel
- BACK TO THE ROOTS: AKAI MPC X
- Dexibell Combo J7
- DICKES BRETT: POLYEND SEQ
- Mr. Hyde & Dr. Strangelove jagen Dr. No
- Visionäre: MIDI In My Head!
- DIE ELKA-STORY
- Transkription: Michael Wollny
- Impressum
- Inserenten, Händler
- Das Letzte − Kolumne
Du hast dein Bassspiel also früher schon modular ergänzt.
Mario: Genau, ich wollte das definitiv immer verbinden, und damals hat’s eben noch keiner gemacht. Heute ist es irgendwie Standard, dass jeder Bassist noch einen Moog dabeihat.
Tobi und ich haben schließlich relativ schnell festgestellt, womit wir am besten Musik machen können. Das hieß für uns ganz klar, weg von den programmierbaren Kisten.
Tobi: Ich hab’s am Anfang mit Drumcomputern ausprobiert. Als Schlagzeuger war ich gewohnt, dass ich eine Idee klanglich sofort umsetzen kann. Beim Drumcomputer muss ich da erst mal in ein Untermenü gehen und zwei Mal rumklicken − dann ist der richtige Moment aber schon längst vorbei.
Schließlich hat sich für mich herauskristallisiert, dass das, was ich brauche, modular tatsächlich möglich ist. Plötzlich war klar: Das ist unser Equipment − und unser Sound! Der sofortige Zugriff auf die Parameter ermöglicht es uns, unsere Musik auf eine Art zu performen, dass sie auf den Konzerten ein echtes Eigenleben entwickelt. Damit können wir unser Musikersein und unsere Spontaneität komplett ausleben.
Tobi, wie sieht es für dich als Schlagzeuger mit perkussiven Elementen aus dem Eurorack aus? Fehlt dir da nicht manchmal ein Mehr an Gefühl?
Tobi: Eigentlich nicht. Durch die Sequenzer eröffnet es mir eigentlich noch mehr Möglichkeiten. Als Drummer bist du für Elektronische Musik eigentlich nie tight genug, egal wie gut du bist. Und das Lebendige, Natürliche stört dann auch oft. Als Schlagzeuger musst du versuchen, so tight wie möglich zu sein, so »elektronisch« wie möglich. Am Modular ist es dann auf der anderen Seite auch wieder eher spannend, es lebendig zu machen. Da geht’s dann in die andere Richtung, damit eben nicht immer alles gleich laut ist und nicht immer alles gleich klingt, sondern zu leben beginnt. Modulare Perkussion entspricht einfach total meiner Soundvorstellung.
Teilt ihr euch euer Set aktuell denn auch klassisch nach eurer Profession auf?
Tobi: Zu 90% − da kommen wir halt her. Ich habe halt Schlagzeug und Mario Bass studiert − witzigerweise waren wir sogar in Linz an derselben Uni. Wir haben uns nur um zwei Jahre verpasst.
Mario: Es gab da interessanterweise auch eine Computer-Musik-Abteilung, die damals mein Bassprofessor gegründet hat. Es war Gott sei Dank eine sehr liberale Uni, was Musik betrifft. Wir haben zwar »Hardcore«-Jazz studiert und uns die Standards um die Ohren gehauen, aber es wurden auch immer andere Stilrichtungen mit integriert.
Tobi: Das Schönste am Modular ist eigentlich, dass es für mich ein komplett neues Instrument ist. Darauf ist man total frei, eben nichts, wo ich als Jugendlicher schon ewig lang drauf geübt habe.
Für Manches gibt es tatsächlich noch keine Schule …
Tobi: Genau, oft ist man so eingefahren, und beim Modular bist du eben frei und probierst herum.
Mario: Die Gefahr an einem Instrument, das man schon so lange gespielt und geübt hat, ist, dass man sich in bestimmten Licks und Patterns gerne wiederholt. Beim Modular-Synth passiert dir das nicht so leicht.
Man baut einfach nicht so schnell ein eigenes Vokabular auf.
Mario: Als ich mit dem Studium fertig wurde, wusste ich so viel über Harmonielehre und Skalen, dass mich das beim Spiel total behindert hat. Ich musste echt drei Monate mein Spiel komplett neu erfinden, um daran letztlich wieder Spaß zu finden.
Tobi: Es hat wirklich etwas Befreiendes, ohne Dogmen und feste Klangvorstellungen an seine Musik herangehen zu können. Es ist einfach alles erlaubt.
Das Schöne ist: So klingt auch jeder Auftritt komplett anders. Bei Elektro-Festivals spielen wir meist vor oder nach einem DJ und sind dazu oftmals der einzige Live-Act mit Modular-System.
Mario: Zum Ärger der Techniker, die bei solchen Veranstaltungen eigentlich nur noch komplett fertig gemasterte MP3s erwarten − bei uns ist es halt dann doch noch ein wenig dynamischer …
Tobi: Spannend ist auch, dass wir klanglich auf den Raum, die Location und die Leute eingehen können. Während jemand, der auflegt, da nicht mehr so viel eingreifen kann.
Wie bereitet ihr euch generell auf Gigs vor? Schaut ihr euch die Location vorher an, oder lasst ihr das spontan auf euch wirken?
Tobi: Das entscheidet letztlich der Moment. Unser Set ist immer eine Mischung aus Songs und frei improvisierten Teilen. Das entwickeln wir live dann sehr intuitiv.
Mario: Wenn wir vor einem Auftritt mit Technikern sprechen, sind die immer ganz erstaunt, dass wir so entspannt sind. Die sind es von anderen Acts gewöhnt, dass dieses und jenes gebraucht wird. Wir sind’s halt gewohnt, mit der gegebenen Situation umzugehen und darauf einzugehen. Wir machen das Beste draus!
Tobi: Wenn wir auf einem Festival spielen, wo nur DJs auflegen, dann gibt’s für uns weder ’nen Soundcheck, noch ein Changeover − dann heißt es eben: Hier ist die Stereosumme, und los geht’s.
Mario: Aufwärmzeit für die Synthies brauchen wir auch nicht. (lacht) An dieser Stelle herzlichen Dank an Dieter Döpfer für stimmstabile Oszillatoren.
Für die meisten Tontechniker höchstwahrscheinlich eine Situation zwischen Albtraum und Glück.
Mario: Also, ich kann mich erinnern, dass wir 2013 auf der LaBrassBanda-Tour schon ein Modular-System dabeihatten. Das war für die Techniker auf den großen Festivals und in den Stadien ein richtiges Problem, vor allem die Bassfrequenzen in den Griff zu bekommen. Bei den Soundchecks hat das regelmäßig die Anlagen in die Knie getrieben. Wobei natürlich auch wir mit solchen Sachen jetzt mehr Erfahrung haben als früher.
Und es ist ja auch nicht vorhersehbar, was als Nächstes kommt.
Beide: Das stimmt! (beide lachen)
Tobi: Das ist ja das Spannende!
Wie seht ihr die aktuelle Entwicklung im Modular-Synthesizer-Bereich?
Tobi: Was die letzten Jahre im Modular-Bereich passiert ist, ist echt der Hammer. Wenn man bedenkt, was allein an Sequenzer-Modulen entwickelt worden ist, echt super!
Mario: Mir geht’s generell darum, dass ich ein musikalisches Gerät hab, das funktioniert. Für mich ist das Allerwichtigste, dass ich meine Ideen damit schnell und musikalisch umsetzen kann. That’s it. Dieter Doepfer ist für uns in technischer Hinsicht ein super Support! Manche Module, die für uns live richtig wichtig werden könnten, gibt es halt manchmal noch nicht. In so einem Fall kann man dann einfach zu Dieter gehen und sagen: »Hey, Dieter, wie schaut’s aus? Wir hätten da ’ne Idee«, und knapp eine Woche später kommt er mit einem Modul um die Ecke und sagt: »Hey, schaut euch das mal an!« Das ist der schiere Wahnsinn!
Daraus ergibt sich ja dann auch viel gegenseitige Inspiration.
Mario: Genau. Es ist natürlich auf der anderen Seite auch schön, wenn man auf einmal Module in der Hand hält, zu denen man selbst eine Idee beigesteuert hat. Dazu kommt, dass Dieter auch einfach ein super Typ ist, der nicht nur wahnsinnig gern musikalisch arbeitet, sondern auch Musiker leidenschaftlich unterstützt.
Was wünscht ihr euch für die Zukunft?
Tobi: Wir hoffen einfach, dass es mit der Szene weiter so bergauf geht, und natürlich, dass sich im Laufe der Zeit immer mehr Clubs trauen, wieder verstärkt LiveActs einzuladen.