Arranger Workstations Yamaha Tyros 5 und Korg Pa4X im Vergleich
Alleskönner nicht nur für Entertainer, so könnte man Arranger Workstations kurz beschreiben, wenngleich die Topmodelle selbstverständlich auf diese Klientel abzielen. Vom Tischhupen-Klischee früherer Zeiten aber haben sich diese Geräte längst fortentwickelt und stehen den Synthesizer-Workstations oft sogar in nichts nach − im Gegenteil …
Arranger Workstations besitzen hinsichtlich ihrer Anwendung allerdings ein anderes Leistungsspektrum. Im Zentrum steht dabei natürlich der »Arranger«, was einfach nur weniger angestaubt klingt als die deutsche Bezeichnung, aber natürlich dasselbe ist: die Begleitautomatik. Es ist zwar richtig, dass Pattern- und Arpeggiator-Systeme von Synthesizer-Workstations auch Realtime-Begleitungen erzeugen können, sie sind im Vergleich zu den Arranger-Geräten aber lediglich ein schwacher Abklatsch. Die Arranger-Algorithmen sind deutlich vielseitiger und können auf der Tastatur gespielte Akkorde weitaus diffiziler und cleverer in realistisch klingende Begleit-Arrangements umsetzen. Keine Ahnung, warum bloß so viele Alleinunterhalter MIDI-Files abspielen (und sich dann darüber wundern, wenn Veranstalter gleich einen DJ bestellen). Sei’s drum − für alle, die zwischendurch auch als DJ im Einsatz sind: Mit dem Doppelsequenzer-Konzept (SMF/MP3 mit Tempoanpassung) von Korgs Pa-Serie hat man auch dafür ein mächtiges Werkzeug in einem Arranger-Instrument zur Hand.
Jammen mit der virtuellen Band
Das ist ein riesiger Vorteil der Arranger-Workstations, den man nicht nur live nutzen kann, sondern auch als Heimanwender genießen darf. Kein Wunder also, dass ein Großteil der Top-Geräte nicht auf Tanzbühnen, sondern in Wohn- und Musikzimmern sowie Hobbykellern von Musikliebhabern und Enthusiasten zu finden sind. Irgendwie also vergleichbar mit der Heimorgel der 70er, aber viel, viel moderner! Die absolute Nummer 1 in diesem Sektor ist Yamahas überaus erfolgreiche Tyros-Serie, aktuell mit dem Tyros 5.
Korg fokussiert da vielleicht mehr den professionellen Anwender und ging mit zwei verschiedenen Versionen des Top-Keyboards auf deren unterschiedlichen Wünsche ein. Während die Variante »Musikant« den Bedarf von Tanzmusikern im deutschsprachigen Raum bedient, bekommt man mit der Version »International« die allgemein verträgliche Dosis an Styles und Sounds.
Die Begleit-Arrangements aktueller Arranger Workstations klingen so dynamisch, dass man spontan Lust zum Jammen bekommt: Schnell mal einen Soul-Style anwählen, mit einem E-Piano-Sound dazu ein wenig improvisieren, und schon kommen Fragen wie: »Cool! War das nicht gerade ein Song von Amy Winehouse?« Die Begeisterung für die Musik, die in den Style-Speichern steckt, überträgt sich unmittelbar auch auf das Publikum, auch (oder besonders dann) wenn man den Song nicht super original nachspielt.
№2/3 2017
- Editorial
- Facts & Storys
- Modular Kolumne
- Mit Mark Forster auf Tour
- MANDO DIAO IM INTERVIEW
- Amy Lives: Xanthoné Blacq
- Ströme− Eurorack Clubbing
- MARIO HAMMER & THE LONELY ROBOT
- Peter Pichler: Bewahrer des Trautoniums
- NONLINEAR LABS C15
- AKAI MPC LIVE
- GIPFELSTÜRMER: NOVATION PEAK
- Auf Lichtung gesichtet: Bigfoot
- Gute Vibes im Museum
- DIE HOHNER-STORY
- Transkription − Chuck Leavell: Song For Amy
- Impressum
- Inserenten, Händler
- Das Letzte − Kolumne
Songwriting mit Styles
Die Begleit-Arrangements aktueller Arranger Workstations klingen vor allem auch sehr professionell, und sie beflügeln einen dazu, Songs auch mal anders zu spielen. Sie sind ideal, um selber Cover-Songs zu entwickeln. Und dank integriertem Sequenzer hat man schnell Ideen festgehalten − das ist dank Easy-Chord-Funktionen so einfach, dass sogar Gitarristen damit klarkommen und im Handumdrehen eigene Backing-Tracks für den nächsten Club-Gig zaubern können. Aus gutem Grund schätzen selbst gestandene Hit-Produzenten diese Möglichkeiten und nutzen den Arranger gerne, um neue Song-Layouts auszuprobieren, bevor sie dann ausproduziert werden. Nicht selten bleiben dabei Teile der ursprünglichen Layouts erhalten, und ebenso entdeckt man sogar die Styles von Arranger Workstations bei Werbespots in TV und Radio.
Styles, die inspirieren, sind ein nicht zu unterschätzender Faktor bei Arranger Workstations, und damit wenden sich diese Geräte vor allem an Musiker, die richtig spielen wollen. Die Idee dabei ist, Spaß an der Musik zu haben und sich dabei so zu fühlen, als spiele man mit einer gut getunten Band. Zum Einstimmen in den Style kann man die Intros benutzen, die aber manchmal schon recht überproduziert wirken und musikalisch meistens ja nicht zu dem Stück passen, das man selber spielen möchte. Entweder man hat Glück und findet genau das passende Intro, oder man wählt einfach den Einzähler und spielt los. Intros kann man selber ganz gut gestalten, indem man mit einer Style-Variation beginnt, die man vorher einfach bis auf das Minimum von Schlagzeug- und Bass-Spuren ausgedünnt hat. Bei den meisten Instrumenten ist es möglich, jederzeit Spuren ein- und auszuschalten − so kann man auch mal ein Gitarren- oder Piano-Riff solo mit dem Schlagzeug laufen lassen.
Dramaturgie ist die Würze jeder Live-Performance! Grundsätzlich bieten sich mit den gespeicherten Variationen, den Fill und Breaks viele Möglichkeiten, live und in Realtime seine Songs zu arrangieren. Beschäftigt man sich aber mal intensiv mit den Styles, bekommt man gleich auch neue Ideen, wie man seine Performance musikalisch variieren kann. Da steckt jede Menge Musik drin, man muss nur die Möglichkeiten entdecken. So lassen sich z. B. auch Intros zum Interlude umfunktionieren − einfach mal ausprobieren.
Hier geht’s zum Test des Yamaha Tyros 5.
Sounds mit Emotion
In der Entwicklung der Arranger Workstation hat Yamaha mit den Sweet- und später Super-Articulation-Voices wichtige Trends gesetzt. Vorher sollten die Sounds möglichst universell einsetzbar sein. Die Klänge mit einer gewissen Artikulation zu spielen, klingt aber bei vielen bisweilen hüftsteif, denn nicht jeder ist darin geübt, mit den klassischen Synthesizer-Controller »Pitch Bend« und »Modulation« zu spielen. Und wie soll man die überhaupt bedienen, wenn man mit der linken Hand Akkorde drückt? Der Trick der neuen Voices im Tyros war, dass die Sounds bereits mit allen möglichen Ausdrucksmöglichkeiten gesampelt wurden. Ein Saxofon soll schön hauchig klingen, eine Trompete hat einen ganz markantes Vibrato, das sich mit dem normalen Modulationsrad schon gar nicht authentisch reproduzieren lässt. Nylon-Gitarren produzieren Zupf- und Saiten-Geräusche − eine Menge kleiner Klangdetails, die am Ende aber den Unterschied machen zwischen künstlichem und authentischem Sound.
Den Trend solch authentischer Sounds verfolgen natürlich auch andere Hersteller, denn schließlich sollen Arranger Workstations vor allem eines liefern: ein Klangerlebnis, das nicht nur qualitativ überzeugt, sondern auch emotional berührt.
Klangrevolution Sample-Streaming
In puncto Soundqualität setzt das kürzlich erschienene Korg Pa4X neue Maßstäbe, da es wie der Kronos von Korgs aktueller Streaming-Technologie profitiert. Da Samples nicht mehr aus festem ROM-Speicher, sondern aus sogenannten Solid State Disks (SSD) ausgelesen werden, sind übliche Speichergrenzen wie 400 MB Sample-RAM passé.
Satte 5 GB auf SSD sorgen nun auch bei den speicherintensivsten Samples, den Akustik-Pianos, für die flüssige Wiedergabe. Das neue PCM-Material sorgt im Vergleich zum Vorgänger Pa3X für einen erheblichen Sound-Zuwachs: Über 1.800 Klänge sind den Pa4X Internationals serienmäßig eingepflanzt, nochmals fast 400 mehr (insgesamt über 2.170) sind es bei den Musikant-Versionen. Die Klangerzeugung heißt jetzt EDS-X (Enhanced Definition Synthesis − Expanded).
Die bloße Anzahl der Sounds sagt nicht viel über die Qualität aus, doch dieser Korg-Newcomer schlägt sich in praktisch jedem Bereich auf qualitativ hohem Level. Das beginnt beim neuen »Concert Grand«, mit dem das Pa4X − hätte es eine 88er-Klaviatur − sogar als Stagepiano voll überzeugen könnte: ein über alle Lagen warmer, voller Grundsound mit langem realistischem Ausklang und insgesamt gut eingefangenen Nebengeräuschen einer Flügelmechanik; auch die Dynamik ist nicht schlecht, wenn sie auch nicht ganz an die manch sehr guten Digitalpianos heranreicht. Auch ansonsten ist hier − egal ob bei den klassischen Keyboard-Sounds oder synthetischem Klangmaterial − gute Qualität bei einer riesigen Auswahl angesagt.
Hier geht’s zum Test des Korg Pa4X.
Mehr Details liefert der ausführliche Online-Testbericht − unser Arranger-Experte Henrik Bruns ist nach seinem Test verblüfft über den Gesamtsound, wobei es ihm gar nicht mal um Offensichtliches wie Druck und Power geht. Bemerkenswert empfindet er viel mehr die unwahrscheinlich große Wandlungsfähigkeit des Pa4X. Egal in welcher musikalischen Stilistik man sich bewegt, das Keyboard meistert alle Disziplinen durch sämtliche Genres hindurch mit einer amtlichen, authentischen und detailreichen Wiedergabe. Mehr noch als der Vorgänger setzt das Pa4X dem Entertainer kaum noch irgendeine Grenze − egal ob Top 40, Oldies oder ein Schlager-orientiertes Repertoire angesagt ist, ob es um jazzige Untermalung, um ein klassisches Programm oder um Weltmusika – lisches geht.
König der Entertainer?
Ob man letztendlich jede Funktion eines der Geräte der Oberklasse tatsächlich braucht, muss jeder für sich beantworten. Ein nicht kleiner Anteil des Funktionsspektrums ist sicher auf den Bedarf der Profi-Entertainer ausgerichtet, aber so viel steht fest: Besser gibt’s nicht! Auch wenn LiveKaraoke, MP-3-Player oder Audio-Mastering-Tools für den Heimgebrauch nicht zwingend erforderlich sind, um Spaß am Musizieren zu erleben − den maximalen Spaß an Styles, Sounds und Song-Registrations hat man mit einem dieser Geräte garantiert.
Unser Online-Guide zum Thema Portable Keyboards liefert viele Infos, die bei der Unterscheidung der Instrumente und deren Merkmale helfen. Auf jeden Fall lohnt sich ein Blick auf die gehobene Mittelklasse der Hersteller. Oft haben diese Geräte gerade bei den Begleit-Arrangements und den Klängen so viel zu bieten wie die großen Modelle der Oberklasse.