Mackie DL1608 – Digitaler iPad-Mixer im Test
Mit dem DL1608 ersetzt Mackie als erster Hersteller die physischen Potis und Fader eines Live-Mixers durch die virtuelle Touch-Oberfläche eines iPads und eröffnet damit Möglichkeiten, von denen man vor Jahren noch nicht einmal geträumt hätte.
Das ein iPad eines Tages ein komplettes 16- kanaliges Live-Mischpult bedienen würde, hätten sich vor ein paar Jahren wohl noch nicht einmal die Entwickler bei Apple träumen lassen. Aber die Ingenieure des amerikanischen Audiospezialisten Mackie haben genau diese verrückte Idee in ein rundherum schlüssiges Konzept umgesetzt und im Falle des digitalen Mixers DL1608 erfolgreich analogen Fadern und Potis den Rücken gekehrt. Dabei lässt sich der weltweit erste iPad-Mischer sowohl per integriertem Dock-Connector als auch mit bis zu 10 Mobileinheiten gleichzeitig drahtlos via WLAN ansteuern. Wie sich die Symbiose aus digitalem Hardware-Mischer und iPad-basierter Touch-Oberfläche in der Praxis schlägt und ob es sich lohnt, den Text der eBay-Verkaufsanzeige für den eigenen „Alt“-Mischer schon einmal aufzusetzen, erfahrt ihr im folgenden Test.
Ungewohnte Ansichten
Fällt der Blick bei einem neuen Mixer im Normalfall zunächst einmal auf die reichhaltige Kanal- und Routing-Ausstattung, so verbirgt der DL1608 seine wahren Stärken hinter einer größtenteils blanken Kunststoff-Fassade. Neben 16 XLR-Eingängen, von denen die letzten vier als XLR/Klinke-Combo-Buchsen ausgeführt sind, finden sich lediglich 16 zugehörige Gain-Potis samt Signal-LED. Mittels global zuschaltbarer Phantomspeisung lassen sich neben Instrumenten wie Gitarren und Keyboards sowohl Tauchspulen- als auch Kondensatormikrofone einbinden. Ausgangsseitig ergänzen neben Main-Out und Kopfhöreranschluss insgesamt sechs symmetrische AUX-Ausgänge das Gesamtbild.
Unter der Fassade komplettieren derweil unsichtbar 16 leistungsfähige Onyx-Preamps sowie hochwertige 24-Bit/48-kHz-Wandler von Cirrus Logic die physischen Ein- und Ausgangs-Optionen des Geräts.
Rückseitig verfügt Mackies iPad-Mischer darüber hinaus noch über einen Netzteilanschluss mit Schraubsicherung sowie eine 100-Mbit-Ethernetbuchse zur Verbindung mit einem optional ergänzbaren WLAN-Router.
Der die allgemeine Erscheinung des DL1608 dominierende iPad-Tray inklusive Dock-Connector akzeptiert sämtliche iPad-Modelle inklusive der ersten Generation, bei dessen Verwendung allerdings die für iPad 2 und 3 (The „new“ iPad) optimierte Kunststoffschale durch das Lösen von vier Schrauben entfernt werden muss. Zeit, diese Vorrichtung ihrer Bestimmung zuzuführen und einen Blick durch die schwarz oder wahlweise weiß gerahmte Glasscheibe zu riskieren …
Let’s come together!
Um den DL1608 voll und ganz zum Leben zu erwecken, ist es zunächst nötig, die kostenfreie und aktuell in Version 1.2 vorliegende Master-Fader-App via iTunes-Store auf dem eigenen iPad zu installieren. Sobald dieser Vorgang abgeschlossen und beide Geräte physisch mit einander verbunden sind, wird der DL1608 bei Aufruf der Software automatisch mit dieser synchronisiert. Bei dieser Gelegenheit wurde bei unserem Testgerät auch gleich ein zum Betrieb notwendiges Firmware-Update durchgeführt, was einige Minuten in Anspruch nahm.
Nach diesen kurzweiligen Vorbereitungen ist nun der Blick auf die ersten acht Mono-Kanalzüge und den permanent sichtbaren Summenfader (Main) frei. Um zu den restlichen Kanälen zu gelangen, genügt ein leichtes Finger-Wischen nach links, was im Rechtsanschlag auch drei Stereokanäle für die integrierten Effekte Reverb und Delay sowie die Audiowiedergabe über das angeschlossene iPad (z. B. iTunes) entdecken lässt.
An der Spitze eines jeden Kanals befindet sich ein parametrischer 4-Band-EQ welcher sich nach Antippen des Felds mit der grünen Frequenzkennlinie auf bequeme Art editieren lässt. Nebenbei gelangt man über diesen Shortcut inklusive eines „Wischers nach oben“ auch in die erweiterte Kanalansicht mit den integrierten Gate- und Kompressor-Einheiten sowie zur global wählbaren, aus Reverb und Delay bestehenden Effektsektion (inklusive individuell steuerbarem Send- und Return-Pegel). Abgesehen vom Lautstärke-Fader stehen jedem Kanal darüber hinaus ein virtueller Mute-Schalter, ein Solo-Button sowie eine Panorama-Regelung zur Verfügung.
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Zur besseren Übersicht im Mischgeschehen lässt sich über die abschließende Kanalnummern – taste jedem Channelstrip ein eigenes Icon oder Foto (via integrierter Kamera) sowie eine individuelle Namensbezeichnung vergeben. Lässt man den Blick scharf rechts schweifen, erkennt man eine direkt neben dem Master-Fader platzierte vertikale Button-Reihe, welche das farblich sortierte Switchen durch insgesamt neun Steuerebenen des Pultes ermöglicht. Per Auswahl gelangt man hier – abgesehen vom Hauptausgangskanal – „quer durch den Regenbogen“ zu allen sechs AUX-Optionen sowie zur Reverb- und Delay-Fader-Ebene.
Neben dem Master-Fader wechseln aber auch alle Kanalzüge konsequent den Betrieb, sodass man einen präzisen Überblick über das Zuflussverhalten jedes einzelnen Kanals in das jeweilige entweder für Monitorzwecke (AUX 1–6) oder zur Effektbeimischung (AUX, Reverb, Delay) genutzte Summensignal der „Unterebenen“ erhält. Zusätzlich steht jeder Ebene (bis auf Reverb und Delay) ein 31-Band-Graphic-EQ (mit Kurven-Malfunktion!) sowie die optionale Zuschaltung eines Summen-Kompressors/-Limiters zur Verfügung.
Virtuelle Mischung
Doch wie „fühlen“ sich nun die virtuellen Fader und Regler des DL1608 im Vergleich zur Hardwarekonkurrenz an? Ich würde sagen, trotz aller denkbaren Vorbehalte unverschämt gut! Besonders die volle 6 cm messenden Kanal-Fader reagieren ungemein präzise und machen das Live-Mixing zu einem echten Vergnügen. Auch das parallele Bewegen von bis zu drei „Schiffchen“ gleichzeitig lässt sich problemlos bewerkstelligen. Versucht man allerdings letzteren Trick mit vier oder fünf Fingern, so wird man jäh von den Grundfunktionen des iOS in Gestalt der übergeordneten „Show-all-running-Apps“-Funktion ausgebremst. Über die Deaktivierung der Multitasking-Gesten in den Systemeinstellungen lässt sich dieses Verhalten aber geschickt umschiffen.
Auch das Hin- und Her-Wischen zwischen den einzelnen Kanälen hinterlässt sowohl bei erfahrenen iOS-Nutzern als auch bei denen, die es werden wollen, ein angenehmes bzw. sehr vertrautes Gefühl. Überhaupt fällt einem das GUI der Master-Fader-App durch seine logische Struktur des Funktionsarrangements nach kürzester Zeit geradezu intuitiv in die Hand.
Schön und nützlich ist auch das grafische Feedback der virtuellen „Knöpfe“, welche sich bei Berührung ausdehnen und mittels „Halo“ ihre Einsatzbereitschaft demonstrieren (im Manual „Grow & Glow“ genannt).
Dein Mix, sein Mix, mein Mix, ihr Mix …
Doch eines der Vorzeige-Features des DL1608 ist wohl die drahtlose Bedienung des Mixers mit verschiedenen iPad-Mobileinheiten gleichzeitig. Nötig ist dazu lediglich ein handelsüblicher oder vor Ort installierter und konfigurierter WLAN-Router. Im Test bewährte sich sowohl eine von Mackie für diesen Zweck bereitgestellte Airport-Express-Station von Apple als auch ein heimischer und in die Jahre gekommener Router der Marke AVM. Einmal mit dem Mackie-Pult über den rückseitigen Ethernet-Anschluss verkabelt, ermöglicht das Drahtlosnetzwerk die Anmeldung von bis zu 10 mit „Master Fader App“ bestückten iPads am Basisgerät.
Auch wenn einem bei den dadurch gebotenen Möglichkeiten direkt allerhand lustige Mischwettkämpfe zu mehreren Teams einfallen sollten, ist diese Option doch eher dafür gedacht, in kleineren Setups jedem einzelnen Musiker einer Band die Möglichkeit eines selbst zusammengestellten Monitormixes zu geben.
Auf der anderen Seite könnte es auch für einen Tontechniker interessant sein, ein iPad in dem auch als Ladeschale nutzbaren Dock-Connector-Einschub des DL1608 zu belassen, während man sich mit einer zweiten Einheit auf die klangästhetische Suche nach dem perfekten Sweetspot im Zuschauerinnenraum begibt. Auch die integrierte Aufnahmefunktion (bis zu 48 kHz bei 24 Bit Auflösung) zum Mitschneiden eines Gigs oder das Abfeuern von Zuspielern aus einer auf dem iPad befindlichen Musik-Library erfordert aufgrund des anfallenden Datenstroms eine physische Verbindung via Docking-Tray.
Um im Übrigen das „Mitmischen“ von Spaß- vögeln aus der Zuschauermenge zu vermeiden („Hey, schau mal, was ich gerade runtergeladen habe …“), sollten Router-seitige MAC-Filterung (Zugang nur für ausgewählte Geräte-IDs) und WPA2-Verschlüsselung bei allen Drahtlos-Misch-Einsätzen fester Bestandteil der Installation sein.
„Presets“, „Snapshots“ und jede Menge gute „Shows“
Der Hauptvorteil digitaler Mischkonsolen liegt heutzutage neben der Nutzung ausgefeilter Routing-Konzepte vor allem in der Möglichkeit, umfangreiche Setups im Gerät abzuspeichern und diese dann bei Bedarf per Preset wieder abrufen zu können. In diesem Punkt bildet auch der DL1608 von Mackie erfreulicherweise keine Ausnahme. Neben einigen mitgelieferten, nach Signalquellen sortieren Channelstrip-Presets für Input, Output, EQ, Kompressor, Gate und Effekt gesellt sich die Möglichkeit, auch gleich ganze Mixerzustände in Form von Snap shots zu sichern, welche sich wiederum bei Bedarf auch zu ganzen Shows zusammenbauen und abspeichern lassen.
Falls beim Aufruf eines Snapshots nicht alle Kanäle mit den abgespeicherten Daten überschrieben werden sollen, lassen sich einzelne Channelstrips über die Funktion „Recall Safe“ von der Widerherstellung ausklammern.
Effizient & effektiv
Neben den im DL1608 integrierten rausch – armen und gut klingenden Onyx-Preamps können vor allem die integrierten Effekte des iPad-Mischers auf ganzer Linie überzeugen. Mit den mitgelieferten und editierbaren Gate- und Kompressor-Algorithmen sowie den beiden virtuellen Reverb- und Delay-Einheiten sollte zumindest das Bestreiten kleinerer und mittlerer Gigs auch ohne größeren Outboard-Equipment-Aufwand ermöglichen.
Besonders gut gefiel mir während des Tests die Möglichkeit, die Panorama-Regler sowie die Kennlinienpunkte des Channel-EQ durch schnelles Doppel-Tippen mit dem Finger zu resetten (auf null zu setzen). Eine Ausweitung dieses Konzepts auf beispielsweise die Kompressor-Einheit oder den gesamten Graphic-EQ der Ausgangskanäle (Total Reset) wäre ebenfalls wünschenswert, lässt sich aber auch durch das Aufrufen eines Presets lösen.
Ebenfalls hilfreich ist die erst mit der aktuellen Software-Revision hinzugekommene Rude-Solo-Funktion: Wird ein Kanal auf irgendeiner Ebene in den Solo-Modus geschaltet, erscheint ein kleiner oranger Button mit dem Buchstaben „s“ neben dem Master-Fader. Durch einen kurzen „Druck“ auf diesen, lassen sich mit dieser Funktion im Handumdrehen alle Solo-Modi ohne große Swipe- und Scroll-Orgien global deaktivieren.
Fazit
Dass Mackies Ingenieure bei der Konstruktion des DL1608 ganze Arbeit geleistet haben, merkt man bereits, wenn man sein iPad zum ersten Mal mitten im Mix aus dem Docking-Tray des Mischers schiebt. Funktionsunterbrechungen bleiben komplett aus, und selbst wenn der WLAN-Router im ungünstigsten Fall mitten im Job seinen Dienst quittiert, merkt sich der DL1608 die letzte Einstellung, und bis zum Beginn des nächsten Songs steckt das iPad samt Master-Fader-App wieder einsatzbereit an seinem vorgesehen Platz.
Mackie ist mit seiner Melange aus audiophilem Digitalmixer und iPad ein wirklich großer Wurf gelungen, den man einfach nicht mehr aus den Händen geben möchte. Besonders in kleineren Locations und Clubs, wo für Bands oft „Selbermischen“ von der Bühne aus angesagt ist, erspart einem Mackies DL1608 einiges an Lauferei und Zeichensprache auf dem Weg zum perfekten Sound.
Ist der Switch von „physisch“ zu „virtuell“ also nun auch im Bereich des professionellen Live-Mixings geglückt? Das kann man zum Abschluss dieses Tests nur mit einem klaren und nachdrücklichen „Ja!“ beantworten. Lediglich eine Funktion zum Verbinden zweier Monokanäle zu einem Stereopärchen habe ich als tastenaffiner Mensch während meiner GUI-Streifzüge vermisst. Vertrauensvolle Quellen wollen aber in Erfahrung gebracht haben, dass ein in dieser Richtung optimiertes Software-Update bereits in Arbeit ist. Ich freu mich drauf! Also bringen wir es unseren alten Pulten schonend bei …
Konzept: digitaler 16-Kanal-Mischer mit iPad-Integration (iPad 1, 2, 3 ab iOS 5)
Maße (Bx H x T) / Gewicht: 291 x 95 x 391 mm / 3,1 kg
Anschlüsse/Routing-Optionen: 16 Kanaleingänge XLR (4 Combo), 6 AUX, Kopfhörerausgang, Main-Out
Hersteller / Vertrieb: Mackie / Loud Technologies
Internet: www.mackie.com
UvP / Straßenpreis: € 1.426,– / ca. € 1.200,–
+ Konzeption
+ Preis/Leistungs-Verhältnis
+ Verarbeitung
+ Funktionalität
Interview mit Ben Olswang – Product Manager Mackie
Wie lange dauerte die Entwicklung des DL1608?
Wir arbeiten ja schon seit vielen Jahren an digitalen Mixern, träumten dabei aber immer von einem Modell, das die üppige Ausstattung des jetzigen DL1608 zu einem fairen Preis ermöglicht – das war schon immer unser Unternehmenskonzept. Als wir dann das erste iPad sahen, begannen wir, über die Option nachzudenken, und starteten die Entwicklung des Geräts zunächst als Forschungsprojekt. Es wurde uns schnell klar, dass wenn wir physische Fader und Potis durch die Multitouch-Oberflächen des iOS-Device ersetzen, wir in der Lage sind, etwas Neues und Innovatives zu kreieren. Wir begriffen, dass dies die Zukunft des Mixens werden könnte, und wir starteten mit der Entwicklung des DL1608, wie er heute vor euch steht.
Wird es zukünftig neue Funktionen wie etwa Effekte via SoftwareUpdate geben?
Die Erweiterung des Mixers und seiner Control-App ist einer der Hauptvorteile des Systems. Nutzer von digitalen Mixkonsolen erwarten Updates, und durch den Multitouch-Screen des iPads ist es uns möglich, das komplette User-Interface des DL1608 durch Schalter, Fader oder ganze Kanäle zu erweitern.