Modularsysteme unter 1.000 Euro — geht das?
°Müssen Modularsynthesizer zwangsläufig groß und teuer sein? Wir suchen günstige Lösungen mit interessantem Sound und Konzept … und Platz für Erweiterungen!
„Ein Modularsystem, das sich alleine tragen lässt, ist kein richtiges Modularsystem …“ Statements wie dieses haben spätestens seit dem Siegeszug der kompakten Eurorack-Module keine Gültigkeit mehr. Gleiches gilt für die weit verbreitete Annahme, die Anschaffung eines Modularsystems erfordere grundsätzlich einen Besuch bei der Hausbank. Wir haben uns in dieser SynthLab-Folge die Aufgabe gestellt, interessante und musikalisch sinnstiftende Systeme zusammenzustellen und dabei die Schmerzgrenze von 1.000 Euro möglichst nicht zu überschreiten.
Ist weniger mehr?
Zunächst ergibt sich die Frage nach den Anforderungen, die man an ein Modularsystem stellt. Anschließend sollte ermittelt werden, ob sich diese tatsächlich im gewünschten Preisrahmen realisieren lassen. Der Markt bietet im Segment bis 1.000 Euro zahlreiche (echtanaloge) Kompaktsynthesizer in hoher Qualität. Einige von ihnen lassen bezüglich Klang und Ausstattung kaum Wünsche offen. Warum sollte man also in ein Modularsystem investieren?
Sucht man einen Mono-Synthesizer mit klassisch-subtraktiver Architektur – also im Wesentlichen bestehend aus Oszillator(en), Filter, VCA plus Hüllkurve(n) –, sollte man tatsächlich über einen Kompaktsynth nachdenken.
Der modulare Nachbau einer klassischen Minimoog-Klangerzeugung bietet zwar ein paar Vorteile, wie etwa Patch-Möglichkeiten und Erweiterbarkeit, hat aber sonst der preislich meist günstigeren und nebenbei leichter bedienbaren Kompaktversion nur wenig entgegenzusetzen. Aber es spricht ja nichts dagegen, die CV/Gate-Ein- und Ausgänge zu nutzen, die viele der aktuellen Kompaktsynthesizer mitbringen (so etwa Arturia MicroBrute, s. Seite 56). So gesehen ist ein kleiner Analogsynth die optimale Grundlage für ein größeres, ausbaufähiges System. Der entscheidende Punkt bei der Konzeption eines günstigen Modularsynthesizers ist nicht das Mehr oder Weniger einiger Module, sondern der Versuch, grundlegende Konzepte zumindest teilweise anders anzugehen als bei einem klassisch-subtraktiven Analogsynthesizer (Stichwort: Minimoog), um dadurch einen Vorsprung hinsichtlich der klanglichen Möglichkeiten zu schaffen. Dieser Ansatz bietet zwei Vorteile: Der Synthesizer bleibt kompakt, und die Modularität wird tatsächlich sinnvoll genutzt. Hier lohnt sich ein Blick in die Synthesizer-Geschichte: Allen voran die Herrn Don Buchla und Serge Tcherepnin realisierten in ihren Klangmaschinen der 70er-Jahre sehr innovative Konzepte, die uns gerade in unserem Themenzusammenhang interessant erscheinen.
Eines der Geheimnisse dieser Module war die Eigenschaft, nicht ausschließlich auf eine bestimmte Funktionalität festgelegt zu sein. Je nach Programmierung und Beschaltung konnten solche (vollständig analog aufgebauten) Module ganz unterschiedliche Aufgaben erfüllen, etwa als Oszillator oder Hüllkurve arbeiten. Diese Eigenschaft macht sie für unser aktuelles Vorhaben hoch interessant.
Sowohl Buchla- als auch Serge-Module sind heute noch bzw. wieder erhältlich. Sie zählen allerdings ausnahmslos zum hochpreisigen Sektor und würden somit unser Budget sprengen. Glücklicherweise sind die Schaltungen mittlerweile nicht mehr patentgeschützt. Somit existieren zahlreiche Kopien dieser Module, einige von ihnen sind sehr preisgünstig. Wir werden sie in sämtlichen nachfolgenden Beispielsystemen finden.
Bei der Konzeption eines preiswerten Modularsynthesizers entscheidend ist nicht das Mehr oder Weniger einiger Module, sondern der Versuch, grundlegende Konzepte zumindest teilweise anders anzugehen als bei einem klassisch-subtraktiven Analogsynthesizer (Stichwort: Minimoog), um dadurch einen Vorsprung hinsichtlich der klanglichen Möglichkeiten zu erhalten.
Modularer Bonsai
Unser erstes Beispielsystem (s. Bild 2 auf S. 86) ist ein echter Bonsai: Seine Ausstattung ist auf das absolute Minimum beschränkt, soll aber trotzdem so weit wie irgend möglich unseren genannten Zielsetzungen gerecht werden. So besitzt die auf den ersten Blick recht konventionell anmutende Zusammenstellung ein paar substantielle Abweichungen vom gängigen Kompaktsynthesizer-Standard: Anstelle eines Moog-style Tiefpassfilters finden wir ein SEM-Multimode-VCF mit wesentlich flexiblerem Klang. Die „Wunderwaffe“ ist jedoch der zunächst recht abstrakt wirkende „Doepfer A-171-2 Voltage Controlled Slew Processor/Generator“. Dieser hoch interessante Nachbau eines Serge „VCS“-Moduls lässt sich entweder als spannungsgesteuerter LFO, zweiter Audio-Oszillator oder als Sub-Oszillator betreiben. Alternativ erzeugt das Modul eine einfache, ebenfalls spannungsgesteuerte AD-Hüllkurve, etwa zur Filtermodulation, oder ein Portamento-Signal für Slides. Selbst als rudimentäre VCF/VCA-Kombination eignet sich das Modul. Zudem erzeugt es mittels eingehender Trigger kurze Signalimpulse, die sich zum „Anstoßen“ des Filters und damit zum Erzeugen von Drumsounds à la TR-808 eignen. Auch wenn all diese Funktionen längst nicht die vollständige Ausstattung und die Präzision dedizierter Module erreichen, liefert das A-171-2 im Zusammenspiel mit den restlichen Komponenten des Systems eine Vielzahl interessanter Klangmöglichkeiten, welche ein kompakter Standard-Synthesizer so nicht zu erzeugen vermag. Die kurzen Klangbeispiele vermitteln eine ansatzweise Vorstellung.
Klein, aber fein
Beispielsystem Nummer zwei (s. Bild 3) ist zwar eher konventionell bestückt, bietet aber trotz moderatem Preis eine sehr vollständige Ausstattung, die dank ihrer zahlreichen Patch-Punkte interessante und vielfältige Klanggestaltungsoptionen bereithält. So lassen sich etwa komplexe Frequenz-, Kreuz- und Ringmodulationen realisieren.
Besonders interessant ist zweifellos System Nummer drei (Bild 4): Es besitzt nur einen VCO und kommt obendrein ohne konventionelle Hüllkurven und Filter aus! Die stattdessen vorhandenen Signalgeneratoren und Modulatoren leisten Erstaunliches beim Erzeugen komplexer Wellenformen. Die Zusammenstellung ist an Don Buchlas Systeme angelehnt und stellt eine interessante Option dar, dessen Synthesekonzept mit vergleichsweise preiswerten Bausteinen – in diesem Falle mit 1.155 Euro – zu realisieren. Features und Architektur unterscheiden sich signifikant von konventionellen Kompakt- und Modular-Synthesizern. Aus diesem Grunde wollen wir dieses System in der kommenden SynthLab-Folge genauer unter die Lupe nehmen und anhand einiger Beispiel-Patches erkunden.