Jazz-Organist

Jo Bartmes live in Frankfurt am Main

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Wenn der Jazz-Organist Jo Bartmes zusammen mit seiner außergewöhnlichen Band Genregrenzen hörbar macht, dann nur, um sie sofort wieder einzureißen. Das Projekt Bartmes beweist vor allem „live“ eindrucksvoll, dass kreative Vielseitigkeit und ein unverwechselbarer eigener Stil keine Gegensätze sind.

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„You have to live by your guts or you’re going nuts!“ Der Chorus eines Songs bringt auf den Punkt, was die Band um Jazz-Keyboarder Jo Bartmes mit Sängerin Fola Dada, dem Bass-Klarinettisten Frank Spaniol und Drummer Oli Rubow (zusammen mit Sebastian Merk einer von zwei Schlagzeugern bei Bartmes) musikalisch auf der Bühne lebt und atmet. Bei Bartmes mischen sich progressive Einflüsse, TripHop-Elemente und jede Menge Jazz- und Soul-Inspiration zu einer ganz eigenen Sprache, die sich dem Publikum nicht lange vorzustellen braucht.

Solo-Whistling, Delay-Kaskaden auf den Drums oder mal eine durch ein WahWah-Pedal gespielte „Funk“-Bass-Klarinette ergänzen sich wie selbstverständlich zur dynamischen Energie der charismatischen Lead-Vocals. Und das Ganze schafft Bartmes mit einer unforcierten Leichtigkeit, wie man es live selten erlebt.

Wir trafen Jo Bartmes in der Fabrik in Frankfurt anlässlich eines Konzerts zur neuen CD Flow Motion.


№2/3 2017

  • Editorial
  • Facts & Storys
  • Modular Kolumne
  • Mit Mark Forster auf Tour
  • MANDO DIAO IM INTERVIEW
  • Amy Lives: Xanthoné Blacq
  • Ströme− Eurorack Clubbing
  • MARIO HAMMER & THE LONELY ROBOT
  • Peter Pichler: Bewahrer des Trautoniums
  • NONLINEAR LABS C15
  • AKAI MPC LIVE
  • GIPFELSTÜRMER: NOVATION PEAK
  • Auf Lichtung gesichtet: Bigfoot
  • Gute Vibes im Museum
  • DIE HOHNER-STORY
  • Transkription − Chuck Leavell: Song For Amy
  • Impressum
  • Inserenten, Händler
  • Das Letzte − Kolumne

Du bist nach deinem Studium in New York nicht in den USA geblieben …

Ich habe acht Jahre in New York studiert – Jazz, Klavier und Komposition sowie Arrangement. Zunächst habe ich dann erst mal meinen Bachelor gemacht und danach ein bisschen dort gearbeitet – als Musiker, Blumendekorateur und Cocktail-Pianist – und vor allem Geld verdient. Dann habe ich noch meinen Master gemacht und bin 1999 wieder nach Deutschland zurück. Ich hatte ursprünglich gedacht, ich könnte dort bleiben, vielleicht mit Green-Card, aber das war letztlich nix. Und eigentlich bin ich auch ganz glücklich, wieder in einem Land zu leben, in dem man Musik noch gut bezahlt bekommen kann.

1 Tastatur-Setup aus Nord C2-Orgel, einem Hohner Pianet T und dem Live-Effektgerät Mo-FX von Electrix (Bild: Markus Thiel)

Das ist in Amerika doch schon alles etwas inflationärer.

Genau, mit eigener Musik Geld zu verdienen war da – für mich zumindest – in weiter Ferne. Das konnte ich dann in Deutschland wieder machen, dort ging es weiter mit Theatermusik – das ist mittlerweile schon ein festes Standbein. Da hab ich schon einige Dinge am Schauspielhaus Frankfurt, am Staatstheater in Heidelberg und in Heilbronn gemacht.

Wo dann auch regelmäßig etwas passiert?

Als Freischaffender sind das zurzeit so zwei bis drei Produktionen im Jahr. Im Moment ist weniger los, was auch daran liegt, dass ich aktuell viel mehr an meiner eigenen Musik feile. Begünstigt durch die Förderung der Initiative Musik, wofür ich mich noch mal reingekniet hab, und das parallel zum Vatersein mit einem einjährigen Sohn.

Meine Freundin ist klassische Sängerin, arbeitet auch und unterrichtet an der Hochschule in Frankfurt. Wir jonglieren ordentlich, aber natürlich geht das auch mit freischaffenden Berufen besser als mit was Anderem. Da müsste dann einer vielleicht ganz aufhören – wir geben uns da immer wieder die Klinke in die Hand. Wobei … wenn beide dann mal gleichzeitig da sind, ist das auch schön.

Für die „Hammond-lose“ Zugriegel-Kontrolle setzt Jo auf den Drawbar-Controller DB-1 von Ocean Beach. (Bild: Markus Thiel)

Was war in deiner musikalischen Entwicklung stilbildend?

Das passt ganz gut in diese Vita mit rein, denn eigentlich hab ich, bevor ich studieren gegangen mit, sehr viel R’n’B, Funk und, ich muss gestehen, zu bestimmten Zeiten auch Fusion gehört. Das ist nicht mehr so meins, wobei das ja eigentlich ein weiter Begriff ist, aber der hat so’n bisschen einen Beigeschmack von einer Musik, die nicht überlebt hat, finde ich. Kann man aber auch unterschiedlicher Meinung sein.

Ich hab dann auch irgendwann gemerkt: Das Sportliche, das kann ich nicht – ich kann keinen Sport-Jazz machen. Entweder man kann beides – kreativ und virtuos sein – oder eben nur eins. Ich bin nicht virtuos … (grinst) Einflüsse waren auf jeden Fall die Fusion-Geschichten von Herbie Hancock und Miles Davis, über den ich überhaupt in den Jazz reingekommen bin. Mein Vater hatte so alte Bänder mit dem Oscar Peterson Trio, das fand ich schon damals faszinierend. Ich kann den nie lange hören, weil’s eben auch zu viele Noten in zu kurzer Zeit sind, aber es ist trotzdem der Hammer, und das Timing und der Swing … das ist schon tierisch.

Auch wenn es vielleicht mal ohne die Hammond geht: Um ein echtes Leslie-Kabinett kommt der Bartmes-Sound nicht herum! (Bild: Markus Thiel)

Ich bin also eher über diese Electro-Miles-Fusion-Geschichte – frühe raue Fusion, in der Jack DeJohnette im Prinzip eigentlich schon Drum’n’Bass erfunden hatte – so richtig reingekommen. Wenn man sich so manche Sachen aus der Zeit anhört, dann merkt man: Die hatten das alles schon, Break-Beat-Zeug und so. Ich weiß noch, als Miles Davis gestorben ist, da war ich in NY – eine Woche lang auf drei Radiostationen Tag und Nacht Miles Davis. Ich hab ganz viel Studium geschwänzt, zu Hause gehockt und nur Radio gehört – und war baff, was der alles gemacht hat.

Miles ist wirklich ein großer Einfluss, Herbie Hancock natürlich auch, Keith Jarrett hab ich ’ne Zeit lang auch gern gehört, dann Brad Mehldau – jetzt von den Pianisten. Keyboarder waren da für mich gar nicht so viele dabei – also Herbie ist da eigentlich der einzige. Du siehst es ja auch: Ich spiel eher so altes Zeug, ich bin jetzt nicht so der Keyboarder-Soundfreak, Synthis besitze ich wenig.

Ich mag diese Vintage-Geschichten, ich hab mittlerweile sogar schon zwei Hammonds bei mir stehen, eigentlich hätte ich die eine mitbringen können, hab mich dann aber letztlich für die Nord C2 entschieden. Rhodes und Clavinet setze ich auch gerne ein, die sind auch auf der Platte mit drauf. Manche Sachen hatte ich mit Plug-ins oder so mal schnell eingespielt, die ja teilweise wirklich vorzüglich sind, und dann trotzdem ersetzt durch das echte Instrument, und ich denke, selbst wenn man’s teilweise nicht genau weiß, ob das jetzt ein echtes Rhodes ist oder nicht – letztlich spürt man es dann doch.

Ja, es ist manchmal schwierig zu sagen, was den Emulationen fehlt – irgendwie dieses gewisse Etwas …

Was manchmal auch vielleicht einfach daran liegt, dass die Teile kaputt sind, und es hier rauscht, da knackt oder die Töne ungleich klingen … Da verhält es sich vielleicht ein bisschen wie mit der Diskussion, ob Schallplatte wärmer klingt als CD. Vielleicht ist es auch nur die Art, wie ich so’n altes Instrument spielen kann – weil es sich eben anders anfühlt.

Ansehnlich: Das Effekt-Floorboard von Bass-Klarinettist Frank Spaniol, mit dem auch ein Gitarrist glücklich werden würde … (Bild: Markus Thiel)

Wie würdest du deinen eigenen Stil charakterisieren? Wenn du jemandem beschreiben müsstest: »Ich mache …«

Ich versuche, alle paar Jahre so eine Schublade zu finden, weil man sie einfach braucht. Ich bin eigentlich kein Freund von Schubladen, und sie sind eigentlich nur deswegen nötig, um Leuten, die die Musik noch nie gehört haben, irgendwie zu sagen, was sie hören würden, wenn sie sich’s anhören. Aktuell nennen wir es „Indie-Soul-Electro-Jazz“.

Das muss man einfach nur etablieren …

Ja. Wenn du das Konzert hörst, kannst du sehen, ob’s für dich so stimmt oder nicht. „Indie-Soul-Electro-Jazz“ … da ist eigentlich vieles drin. Wir haben aber auch TripHop-Elemente.

Die Beatles sind übrigens auch sehr wichtig gewesen für mich – ich war und bin ein Beatles-Hörer.

Von den alten Tapes der Eltern?

Nee, nee meine erste Platte war das Weiße Album als Schallplatte, was mir meine Cousine geschenkt hatte. Von meinen Eltern hatte ich Hair und Simon and Garfunkel …

Als Hauptinstrument setzt Jo eine Nord C2 ein. (Bild: Markus Thiel)

Als Hauptinstrument hat sich bei dir mittlerweile schon die Orgel herauskristallisiert?

Ja, mittlerweile – ist einfach das Hauptinstrument in meiner Band, weil ich auch irgendwann immer mehr Spaß am Linke-Hand-Bass-Spielen hatte und das quasi auch für mein Projekt nicht abgeben möchte – also den Job des Bassisten. Ich hab mir kürzlich die K100 gekauft, die hat noch komplette Fußpedale, also wenn ich mal Zeit, hab lern ich das auch noch.

Das Hohner Pianet benutzt du eher als Klangfarbe am Rand?

Ich hoffe, ich benutze alles als Klangfarbe! Weil dies eigentlich keine Band ist, wo das Solieren besonders wichtig ist. Wenn, dann solieren und improvisieren wir alle gleichzeitig. Wir improvisieren mehr mit Farben als mit Linien und virtuosen Tönen. Das ist das Ziel. Das Hauptproblem ist, wenn man zu viel von Musik weiß – durchs Studium zum Beispiel! Ich musste mir das richtig wieder abgewöhnen, Solos spielen zu wollen, irgendwas beweisen zu müssen …

Dann versucht ihr schon eher, in der Combo ein Gemeinschaftsgefühl zu transportieren, eine eigene Atmosphäre entstehen zu lassen?

Ja, wir machen den Sound immer zusammen.

Also kein klassischer Comping-Support …

Nein, das gibt’s bei uns definitiv nicht!


Jo Bartmes

„In der Schweiz geboren, in Heidelberg aufgewachsen, Gymnasium, Musikleistungskurs, schlechter Schüler, schlechtes Abi … irgendwann ziemlich bald danach angefangen, von der Musik zu leben“, so klingt Jo Bartmes’ Kurzfassung seines musikalischen Werdegangs, den er mit dem Bachelor und Masters Degree in Jazz und Komposition an der New Yorker New School fortsetzte. Er studierte dort u.a. bei Jazzgrößen wie Kenny Werner, Bernard Purdie, Cecil Bridgewater. Zurück in Deutschland machte er sich als Jazz-Organist, Bandleader und Keyboarder einen Namen und arbeitete in diversen Band-Projekten mit.

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