Marco Barotti & Plastique Fantastique: Sound of Light
Mit der Installation „Sound of Light“ eröffnet das Künstlerkollektiv Plastique Fantastique dem Besucher einen Klangraum der besonderen Art.
Wer bei hörbarem Licht zunächst an die Einnahme verbotener Substanzen denkt, hat die Installation „Sound of Light“ im Rahmen des „Urban Lights Ruhr“-Festivals in Hamm wohl leider verpasst. Das scheinbar in einen Park-Pavillon hineingewachsene Tubengebilde nahe der Hammer Innenstadt ist das gemeinsame Werk von Sounddesigner und Musiker Marco Barotti und dem Künstler Marco Canevacci sowie dem von ihm begründeten Berliner Künstlerkollektiv Plastique Fantastique.
Im Inneren des mit Luft befüllten Bauwerks aus schwerem Folienmaterial tropfen Klänge wie Honig von der Decke. Hier und da rumort es, ein Stein durchbricht eine synthetische Wasseroberfläche. „Sound of Light“ lässt den Besucher in die Tiefe einer ganz besonderen Klangströmung eintauchen, welche man mit Worten fast nicht adäquat zu beschreiben weiß.
Wie kam es zu der Idee für eure Installation „Sound of Light“?
Marco Barotti: Marco (Canevacci) und ich versuchen eigentlich immer, ein Projekt pro Jahr zu realisieren, und diesmal bot sich die Ausschreibung für Urban Lights Ruhr in Hamm an, etwas Neues zu probieren. Auf die Idee, Sonnenlicht in Klang zu verwandeln, kamen wir in erster Linie, weil wir nach etwas suchten, was so noch niemand vor uns gemacht hat.
Ursprünglich hatten wir eine gigantische Konstruktion für die Fußgängerpassage in Hamm mit 36 hängenden Säulen geplant, aber die Feuerwehr machte uns einen Strich durch die Rechnung. So mussten wir das Ganze örtlich verlagern und auf insgesamt sechs Säulen reduzieren.
Marco Canevacci kümmert sich in der Hauptsache um die Kunststoff-Architektur?
Ja, Marco ist Plastique Fantastique, er hat das Kollektiv gegründet. Was die Entwicklung angeht, so arbeiten wir immer gemeinsam an Ideen und deren strukturellen Umsetzungen. Dabei inspirieren wir uns gegenseitig. Ich finde beispielsweise seine Meinung zu klanglichen Dingen immer sehr hilfreich, obwohl oder gerade weil er eigentlich keine Ahnung von der technischen Umsetzung dieser Dinge hat. Ein Outsider, der gleichzeitig dein Partner am gleichen Projekt ist und dir immer ein direktes Feedback aus der Perspektive des Hörers geben kann, ist unbezahlbar.
Umgekehrt ist es im Übrigen genauso. Ich habe zwar ein Faible für Architektur, stecke aber glücklicherweise nicht so sehr in dieser Materie, dass es mir einen objektiveren Blick auf die Strukturen verstellen könnte. Ich mache mir bei der Arbeit grundsätzlich keinen Kopf um Dimensionen und Maßeinheiten, bei mir geht es eher um Frequenzen und Schwingungen, mit denen ich an bestimmten Punkten in der Architektur Stimmungen erzeugen möchte. In der Interaktion und dem direkten Austausch wird dann etwas sehr Spezielles daraus.
Ich stelle mir das als ein sehr empathisches Arbeiten vor.
Das beschreibt es sehr gut. Wir kennen uns gegenseitig in- und auswendig und vertrauen uns gegenseitig bei dem, was wir tun. Dabei köpfen wir auch schon mal die eine oder andere Flasche Wein und sprechen lange über unsere Konzepte und Vorstellungen. Ich denke, unser Geheimnis ist ein sehr entspanntes Miteinander.
Gab es bei der Realisation von „Sound of Light“ irgendwelche außergewöhnlichen technischen Hürden?
Eigentlich nicht. Der theoretische Teil ist zwar nicht wirklich meine Stärke – wenn es um Musik geht, möchte ich mich immer lieber gleich hinsetzten und praktisch loslegen –, aber diesmal hatten wir alles bereits im Vorfeld so detailliert geplant, dass die Ausführung glücklicherweise sehr smooth verlief.
Die eigentliche Aufgabe war es, den Sound in der 30 Meter langen Konstruktion perfekt abzustimmen. Das hat insgesamt knappe 14 Tage gedauert, weil man seinen Ohren immer wieder eine Pause geben muss, um alles richtig beurteilen zu können. Außerdem wäre das Ganze ohne die Hilfe einer zweiten Person kaum möglich gewesen, da der Rechner mit der Interpretations-Routine und Ableton Live in der Mitte – also 15 Meter von der letzten Säule entfernt – aufgebaut war. Auf diese Weise hat das Feintuning – mithilfe eines großartigen und vielköpfigen Teams – eigentlich die meiste Zeit für sich beansprucht.
Wir haben darüber hinaus eine Menge Arbeit in die Konstruktion des Tunnels gesteckt, dessen Einzelteile mit Reißverschlüssen verbunden werden. Die modulare Bauweise ermöglicht uns, das aufblasbare Gebäude auch an anderen Orten zu errichten und gegebenenfalls je nach Örtlichkeit auch zu erweitern.
„Sound of Light“ ist unserer Meinung nach unser bisher bestes und richtungsweisendes Projekt, da es in vielfältiger Hinsicht ausdrückt und verkörpert, wofür Plastique Fantastique steht. Grundlegend geht es uns nämlich um die Kombination und gegenseitige Einbettung von Natur, Architektur und Sound.
»Wir arbeiten mit extrem tiefen Schwingungen, die die komplette Architektur in Schwingung versetzen und sie so quasi in einen riesigen Lautsprecher verwandeln.«
Bei Sound of Light verschwimmen die Grenzen zwischen Natur, Architektur und Sound. Die Sound-Installation reagiert interaktiv und verwandelt die Location in eine Art begehbaren Oberton-Generator …
Das für mich Beeindruckendste an „Sound of Light“ war das Gefühl, als Besucher nicht nur in der Skulptur, sondern gleichermaßen auf eine sehr spezielle Art im Sound zu sein.
Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, bestand eigentlich der schwierigste Part in der Auswahl der richtigen Speaker für die hängenden Säulen. Wir haben uns schließlich für ein bestimmtes 12″-Modell mit Karbon-Membran entschieden, welches unseren Vorstellungen am nächsten kam. Wir haben auf diesem Weg über klassische Papiermembranen und Kunststoffmembranen in den unterschiedlichsten Größen so ziemlich alles ausprobiert, was der Markt hergibt, aber nur die Karbon-Membranen waren letztlich in der Lage, die Schwingungen in der richtigen Weise auf das umgebende Konstruktionsmaterial zu übertragen. Wir arbeiten dabei mit extrem tiefen Schwingungen, die über die Subwoofer die komplette Architektur in Schwingung versetzen und sie so quasi in einen riesigen Lautsprecher verwandeln.
Das Gebäude wird also zu einer Art Oberton-Generator …
Exakt! Es geht uns immer um die Interaktion, zwischen Natur und Architektur sowie auch zwischen Architektur und Musik. Auf diese Weise gehen wir auch an Projekte he – ran. Wir schauen uns eine Location wie beispielsweise den Pavillon in Hamm an und entwickeln dazu Ideen, wie alles ineinander greifen könnte.
Wichtig ist der direkte Bezug zur Örtlichkeit und der Umgebung, in die wir ein Projekt einbetten. Das beeinflusst letztlich auch die individuelle Schönheit eines Kunstwerks und bewirkt, dass etwas wirklich als „nicht von dieser Welt“ erscheint.