Clara Ponty: In romantischer Mission
Vom New-Age-Piano zur Komponistin und Bandleaderin
Geboren in Paris, aufgewachsen in Los Angeles, Klavier und Geigenunterricht seit dem fünften Lebensjahr; Musikstudium am Maryland Conservatory an der University of Southern California; später Klavierunterricht bei Nelita True, John Perry, Hans Kemmerling and Elena Varvarova. Für ihre kompositorischen Leistungen erhielt sie bereits im Alter von 11 Jahren hohe Auszeichnungen. 1997 zog sie nach New York, erhielt für ihre Debüt-CD Clara Ponty einen Deal mit Philips Music Group/Universal Records. 2001 kehrte sie endgültig zurück nach Paris. Soeben erschien ihre neue CD Echoes für das deutsche Label C.A.R.E. Music Group, auf der sie eine erlesene Auswahl an Musikern um sich schart. Clara Ponty, Tochter des französischen Jazzrock-Geigers Jean-Luc Ponty, schüttet auf diesem Album nicht nur ihr romantisches Herz aus, sondern stellt auch ihr pianistisches Können unter Beweis.
Wie würdest du den Stil deiner neuen CD beschreiben?
Ich betrachte es als ein NuJazz-Projekt mit sehr viel Freiraum für Improvisation, was auf dieser CD durch die hochkarätigen Mitmusiker noch hervorragend verstärkt wird.
Wie kamen die neuen Kompositionen zustande?
Zum Komponieren brauche ich im traditionellen Sinne Papier und Bleistift. Manchmal schreibe ich lediglich ein paar „frei schwebende Worte“, um meine Kreativität anzukurbeln – eine Methode, die ich von Julia Camerons Buch „The Artist’s Way“ gelernt habe. Wenn das Skelett eines Songs steht, geht’s weiter auf dem Computer mit meiner Pro Tools Light-Version. Die neue CD enthält ältere Stücke, die bereits mit anderen Musikern live aufgeführt worden sind. Für das Studiodate der neuen CD Echoes buchte der Label-Manager Tom Glagow Musiker, mit denen ich vorher noch nie zu tun hatte. Mit von der Partie sind u. a. Wolfgang Haffner – Drums, Dieter Ilg – Bass, Ernst Ströer – Perc und die Tompeter Nils Wülker und Sebastian Studnitzky (siehe Interview auf Seite 28).
Woher kommen deine Inspirationen, welche Musik hörst du gerne?
Mein erster großer Einfluss kam natürlich von meinem Vater, dessen Musik ich seit meiner Geburt höre. Aber auch die französischen Impressionisten wie auch die Romantik und Renaissance haben mich stark geprägt. Aus der gegenwärtigen Kunst würde ich Steve Reich, Pat Metheny, Bill Evans, Joni Mitchel, Yes, Peter Gabriel, Annie Lennox nennen. Mein Lieblingskomponist ist J. S. Bach. Die heute angebotene Musikpalette ist beachtlich, trotzdem wird von den jüngeren Generationen vieles ignoriert. Auch war die Popszene vor ein paar Jahren viel kreativer.
Clara Ponty: Echoes
Label: Care Music (Edel)
www.claraponty.com
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Interview mit ACT Labelchef Sigi Loch
Produzent, Labelchef und Szenekenner – obwohl seine Stationen zwischen dem legendären Beat Club und dem Chefsessel bei Warner Bros. liegen, gründete Sigi Loch nach erfolgreichen Jahren im Pop-Business das jazzorientierte Label ACT, dass sich sowohl stark der klavierbezogenen Klientel als auch dem Nachwuchs widmet. Esbjörn Svensson, Julia Hülsmann, Ramon Valle, Carsten Daerr, Joachim Kühn, George Gruntz etc. verdanken ihre jetzige Präsenz diesem „klavierfreundlichen“ Label. Ich traf Sigi Loch vor einem Konzert seiner Klavierkünstler in der Frankfurter Alten Oper.
Nach welchen Maßstäben wird bei Act Records ein Künstler-Casting durchgeführt?
Das Wichtigste ist meine eigene Intention, und ich leiste mir den Luxus, nichts zu produzieren, was mich nicht wirklich berührt. Musik überträgt sich über Emotionen und nicht über Intellektualität, und ich kann nicht erwarten, andere Menschen mit meinen Produkten zu erreichen, wenn ich damit nicht erreicht werde.
Esbjörn Svensson war vor unserer Zusammenarbeit Keyboarder bei Nils Landgren und hatte mit seinem Trio einen Deal bei einem schwedischen Label. Es gab für mich also keinen Grund, noch eine Trio-CD mit ihm zu produzieren. So entstand gemeinsam mit Nils Landgren die Duo-Einspielung Swedish Folk Modern, mit der Esbjörn Svensson dem Publikum vorgestellt wurde. Heute ist EST eine der erfolgreichsten Formationen der Welt.
Was ist das Besondere an den skandinavischen Musikern?
Das Entscheidende bei einem Künstler ist seine Identität, und aus diesem Grunde arbeite ich gerne mit skandinavischen Musikern zusammen, die stark aus ihrem folkloristischen Fundus schöpfen und sich nicht so stark an amerikanischen Vorbildern orientieren. Ich habe noch nie bei einem dieser Künstler in seiner Bio den Eintrag „studierte in der Berkley School“ gelesen – ein Zitat, das ständig bei deutschen Musikern auftaucht.
Was das Piano anbelangt, so spricht man seit Jahrzehnten von einem MPS- oder ECM-Sound. Gibt es so etwas wie einen ACT-Sound?
Glaube ich nicht. Die Geschichte des Jazz war immer eng verbunden mit der Philosophie der Labels, denn die Produzenten und Inhaber waren Fanatiker und fungierten als Vermittler zwischen Musiker und Publikum. Ich versuche, mehr das Individuum zu fördern und belasse dies in seinen eigenen Soundvorstellungen.
Welche Funktion siehst du für dich als Produzent?
Meine Hauptarbeit liegt im Vorfeld einer Aufnahme. Die eigentliche Recording-Session ist eine Momentaufnahme der Musiker, bei der ich keine Funktion habe, außer dem Begleichen der Gastronomierechnung. Eine Ausnahme bilden natürlich von mir ins Leben gerufene Projekte, wie „Germany, 12 Points“, die Musik von Ralph Siegel, bei dem Musiker zusammenkamen, die vorher noch nie gemeinsam musiziert hatten und größtenteils die Stücke nicht kannten.
Welche Kritikpunkte hast du gegenüber sich selber produzierenden Musikern?
Die meisten überschätzen sich selbst als Komponisten und sind nicht in der Lage, einen Spannungsbogen bzw. ein Storyboard in ihre Produktion zu integrieren. Die Jazzgeschichte hat sehr viele große Musiker hervorgebracht, aber nur eine Handvoll Komponisten, und deshalb sollte etwas mehr Ehrfurcht vor dem Medium Komposition existieren.
Acting Pianos – neue Jazzpiano-Sounds bei ACT Records
Der Output von Piano-Trios und Piano-Solo-Produktion scheint für ACT Records ein nicht endender Jungbrunnen zu sein. Kaum ein Instrument hat in der Vergangenheit im Jazz und seinen Randgemeinden so viele historische Akzente gesetzt wie das gute alte Klavier, und kaum einem anderen Label auf der Welt ist es gelungen, in so kurzer Zeit seiner Existenz, die unterschiedlichen Charaktere des Instruments einzufangen. Sowohl etablierte Zeitgenossen als auch bislang unentdeckte Newcomer erhalten bei ACT eine ungezwungene Plattform.
Joachim Kühn: Chalaba
Allen Produktionen voran beinhaltet der aktuelle Wurf eine neue CD des deutschen Vorzeigepianisten und Szene veterans Joachim Kühn. Unter dem Titel Chalaba gelang seinem Trio – mit dabei Majid Bekkas – Vocals und Oud, Ramon Lopez – Drums, Tabla & Percussion – ein Worldmusic-angelehnter Leckerbissen, der nicht nur die Jazzgemeinde ansprechen wird. Lange hörte man Kühn nicht mehr so groovebetont wie auf dieser Produktion. Trotz aller seiner freien Kaskaden und avantgardistischen Ausflüge findet er stets den Punkt, der zum Timing der Percussion einloggt. Das von ihm entwickelte „Diminished Augmented System“ ist speziell bei der freien Ballade Back To Normal vorzufinden, die unendlichen harmonischen und melodischen Space kreiert. Trotz aller konventionellen Elemente wirkt diese Produktion niemals müde oder klischeehaft und kann zu den Highlights von Joachim Kühn gezählt werden.
Iiro Rantala: Lost Heroes
Ein weiterer skandinavischer Newcomer im Hause Act ist der finnische Pianist Iiro Rantala, der sich auf seinem Debüpt-Soloalbum Lost Heroes verstorbenen Ikonen der Jazzszene widmet und in Gedanken an ihr Lebenswerk Kompositionen erstellt. Gefüllt von Melancholie gelingt es ihm, eine musikalische Personenbeschreibung zu kreieren. Eine Homage, Can’t Get Up, an Jaco Pastorius, im unteren Register des Pianos gespielt, eine Humoreske, Thinking of Misty, für Errol Garner, ein Walzer für Michel Petrucciani und schließlich ein Stück für seinen verstorbenen Landsmann Pekka Pohjola. Ein tolles Album.