SYNTH-WERK – The Spirit of Trumansburg M2
Trumansburg im US-Bundesstaat New York ist bis heute fest und auf elementare Weise mit dem Namen Moog verbunden.
An diesem Ort unterhielt Bob Moog von 1963 bis 1971 in drei Etagen eines Gebäudekomplexes die erste Fabrik für seine Elektronischen Musikinstrumente. Trumansburg wurde in Folge dessen auch zum originären Geburtsort eines Sounds, der die Instrumente eines promovierten amerikanischen Elektrotechnikers in kürzester Zeit weltberühmt machen sollte. Neben dem Design, des bis heute immer noch hoch geschätzten Ladder-Filter, erfolgte in dieser Zeit auch die Entwicklung des legendären Oszillators 901. Bedingt durch die damals erhältlichen Bauteile und die steigenden Ansprüche an Studiogeräte, wurde der 901 allerdings im Jahr 1972 bereits durch einen thermisch stabileren Oszillator mit der Modellnummer 921 abgelöst. Der charakteristische Ur-Moog-Sound blieb bei diesem Schritt allerdings tragischer Weise auf der Strecke.
Das noch junge Unternehmen SYNTH-WERK aus München hat es sich zur Aufgabe gemacht unter strenger Berücksichtigung des ursprünglichen Designs, den Sound des original 901er Oszillators heutigen Musikern wieder zugänglich zu machen.
Mit dem einreihigen Modular System Spirit of Trumansburg M1 sorgte Geschäftsführer und Entwickler Gerhard Mayrhofer bereits für einigen Wirbel in der 5HE-Szene. In konsequenter Erweiterung des Portfolios und auf Grund des Erfolgs des M1, bietet SYNTH-WERK ab sofort auch noch ein deutlich umfangreicheres auf zwei Rack-Reihen erweitertes M2-System an. Ein Update für M1-Besitzer inklusive neuem Gehäuse wird ebenfalls angeboten.
Wir hatten bereits vor Markteinführung das große Glück, das neue zweireihige Modulsystem genauer unter die Lupe nehmen zu dürfen.
Das M2-System von SYNTH-WERK lediglich als Instrument zu bezeichnen wird ihm nur schwerlich gerecht. Treffender wäre es, von einem komplexen lebenden Organismus zu sprechen, der es dem Musiker ermöglicht, in eine intensive Interaktion zu treten. Was man gewöhnlich als modularen Klangformungsprozess bezeichnet, erfährt im Umgang mit dem Spirit of Trumansburg eine Dimension wie man sie auch bei einem guten Gespräch zu schätzen weiß.
Mit dem M2 erhält man insgesamt zwei Oszillatorbänke des Typs 901 mit je einer Mixereinheit, zwei Envelope Generatoren samt Trigger Delay, ein Attentuator-Modul, zwei VCA-Einheiten, einen White-/Pink-Noise Generator und ein Ladder-Filter im legendären 904 A-Design. Abgerundet wird das System zudem durch ein ausgefeiltes und ausgesprochen bedienungsfreundliches MIDI zu CV Modul des Typs 551 aus dem Hause Moon Modular.
Neben einem über alle Zweifel erhabenen (Moog-)Sound der Spitzenklasse mit Gänsehaut-Garantie, begeistert vor allem die Haptik sowie die allgemeine Fertigungsqualität des Modular Synthesizers. Die Liebe zum Detail, wie beispielsweise die dezent in die Oberfläche der 911 Enveloper ergänzte Trigger-LED, ist überall spürbar. Angefangen beim edlen Holz-Gehäuse bis hin zu den stilecht gestanzten Frontplatten, die bis auf den Firmenschriftzug fast nicht vom Vorbild zu unterscheiden sind, wurde bei SYNTH-WERK nichts dem Zufall überlassen.
Wir sprachen mit Firmengründer Gerhard Mayrhofer über die Entstehungsgeschichte und die Philosophie hinter SYNTH-WERK:
Wie hat es dich ins Modular-Synthesizer Business verschlagen?
Ich bastele eigentlich immer schon an Musikelektronik herum. Mein Weg als klassischer Heimbastler ging dabei vom ersten eigenen Gitarrenverstärker über Ringmodulator und Oszillator bis hin zum Formantsynthesizer. Das hat mich einfach schon immer interessiert.
Vor Urzeiten habe ich mit einem Freund, mit dem ich lustigerweise auch heute wieder zusammenarbeite, einen Amp auf Basis einer Mesa Boogie Schaltung gebaut. Der Verkauf dieses Verstärkers war quasi mein Einstieg in die Synthesizerwelt, denn vom Erlös habe ich mir damals einen MS-20 gekauft. Diesen habe ich Jahre später wieder verkauft, da ich etwas anderes haben wollte – einen Schritt den ich heute sehr bereue.
Irgendwann hatte es sich dann so ergeben, dass ich mich auch beruflich immer mehr in diese Richtung veränderte. Ich habe auf einmal vermehrt das gemacht, was ich ohnehin schon immer getan habe, nämlich mit Musikern zusammen Instrumente zu bauen. Das erste Projekt in dieser Zeit war der Oszillator 901 AB von Moog, den einige Leute so klasse fanden, dass sie mich fragten, ob ich ihnen nicht auch einen bauen könnte. An diesem Oszillator habe ich sehr lange experimentiert und geforscht, um ihn einigermaßen stabil zu bekommen, ohne seinen typischen Sound zu verfälschen. Insgesamt hat das schon ein paar Jahre in Anspruch genommen. Die Idee zu SYNTH-WERK ist nun schon zehn Jahre alt, als intensives Forschungsprojekt existiert das Konzept sechs Jahre und seit knapp drei Jahren verkauft die Firma nun Synthesizer-Systeme und Module. Dabei gab es für SYNTH-WERK nie einen echten Business-Plan, das hat sich einfach aus der Leidenschaft für die Sache so ergeben.
Was hat dich am Moog-Sound so begeistert?
Eines meiner ersten Konzerte, das ich besucht habe, war Klaus Schulze in München – ich glaube im Zirkus Krone. Da sah ich diese riesigen beiden Moog-Maschinen, die mich schon beim bloßen Anblick faszinierten. Ich dachte: Wahnsinn! Was ist das für eine unglaubliche Technik! Was für ein Aufwand!
Ich glaub, ich war damals so irgendwas um die Fünfzehn. Dann kam Klaus Schulze auf die Bühne und fing an zu spielen und ich hatte anderthalb Stunden lang echte Gänsehaut, weil ich so etwas noch nie vorher gehört hatte. Ich habe im Anschluss sofort damit angefangen mir Platten von Klaus Schulze zu kaufen und dieser Ur-Moog-Sound – der Sound des 901er – hat mich bis heute einfach nicht wieder losgelassen. Irgendwann war mir dann klar: Wenn ich einmal das nötige Geld zusammen habe, baue ich mir einen eigenen Modular Synthesizer.
Über viele Umwege, wie den bereits genannten Formant-Synth und auch durch den Einfluss von Dieter Doepfer, den ich zu einer Zeit kennenlernen durfte, als dieser noch Physik studierte, kam ich schließlich dazu eigene Module zu bauen. Ich traf mich mit Dieter damals in seiner Wohnung in München, und wir hatten ein sehr inspirierendes und intensives Gespräch über analoge Synthesizer, welches mich nachhaltig beeinflusst und geprägt hat.
Wie gestaltete sich der Weg zur Wiedergeburt des 901?
Da mir schnell klar wurde, dass der 901 als einziger Oszillator meinen Ansprüchen an den Moog-Sound gerecht werden würde, stand eigentlich von Beginn an schon fest, dass ich mir diesen wohl selber bauen muss. Als ich anfing zu den Modulen 901A und 901B zu forschen, hatte ich das große Glück einen Freund zu haben, der Entwicklungsingenieur bei einer großen Messtechnik-Firma in München war. Somit hatten wir Zugriff auf sehr gute und hochspezialisierte Messtechnik, die uns insgesamt einen deutlichen Schritt weitergebracht hat. Schließlich war es am Ende aber auch beim 901 eine Frage des eigenen Gefühls.
Parallel habe ich mich ebenfalls sehr intensiv mit Bob Moog auseinandergesetzt, welcher mich als Person immer sehr fasziniert hat. Ein unglaublich leidenschaftlicher Typ, der sich zu aller erst als Toolmaker für Musiker verstand. Bob pflegte zu allen Künstlern die seine Instrumente einsetzten einen persönlichen und sehr intensiven Kontakt.
Ich habe mir stundenlang Interviews angesehen und alles gelesen, was ich von und über Bob Moog finden konnte, weil ich unbedingt verstehen wollte wie er denkt. Das Ding ist nämlich, wenn man den Schaltplan eines Moog-Moduls, wie man ihn heute überall im Netz finden kann, einfach so umsetzt, dann wird das nichts! Man muss das Innere dieses Menschen verstehen, der auf seine Art nicht nur Ingenieur, sondern auch ein brillanter Philosoph war und als dieser, viele schlaue Dinge gesagt hat.
Wie ich mitbekommen habe kümmerst du dich ebenfalls sehr intensiv um deine Kunden. Ist das etwas, was du auch von Bob Moog gelernt hast?
Der Kundenkontakt ist mir sehr wichtig! Wir sind ja im Prinzip alle Teil eines Prozesses. Wir sind die Toolmaker, das sehe ich genauso wie Bob, und dann gibt es auf der anderen Seite die Musiker. Das kann man gar nicht getrennt voneinander betrachten. Alle meine Demo-Synthies stehen eigentlich permanent in Studios und werden benutzt. Dabei werden dann natürlich auch neue Erkenntnisse gewonnen. Es findet ein sehr intensiver Austausch zwischen Entwickler und Musiker statt.
Mit Enik, einem Künstler aus München, der SYNTH-WERK Synthesizer für seine Produktionen einsetzt, ist die Zusammenarbeit sogar sehr intensiv. Bei uns gibt es einen regen Dialog über die Systeme, und ich finde es ungemein wichtig, sich über so etwas regelmäßig auszutauschen.
Es vergeht im Übrigen eigentlich sowieso kein Tag an dem ich nicht eine E-Mail von Kunden mit Feedback und Anregungen bekomme.
Das heißt es gibt einen echten dynamischen Austausch…
Es ist ja auch ein sehr dynamischer Entwicklungsprozess! Mit dem Dialog entwickeln sich ja auch die Module weiter.
Und wie sieht die Zukunft aus?
Gut! (lacht)
Was können wir als nächstes erwarten?
Aktuell veröffentlichen wir das neue System M2, sozusagen der große Bruder des M1 zu welchem auch ein entsprechendes Upgrade erhältlich sein wird. Dazu wird es in Kürze noch eine Mixerbox mit einem vierkanaligen 984 Matrix-Mixer geben, die man einfach oben drauf stellt. Dann wird es außerdem einen Ringmodulator des Typs 6401 aus der Feder von Harald Bode geben. Zudem ist ein 901 Oszillator als Ein-Modul-Version geplant. Wir haben da noch so einiges in der Pipeline – die Ideen gehen uns da nicht im Geringsten aus. Wir sind ja mit SYNTH-WERK ein noch kleines Unternehmen. Ich glaube, wir haben weitaus mehr Ideen als Zeit sie umzusetzen.
Wie lang sind eure Lieferzeiten?
Wir versuchen die Lieferzeiten im Rahmen von bis zu acht Wochen zu halten, was zurzeit eigentlich immer klappt. Alle Module durchlaufen bei uns vor der Auslieferung einen intensiven Burn-In Prozess. Wir heizen die Module auf – wir kühlen sie ab, wir quälen sie richtig, damit sie zum einen ein gewisses Aging erfahren und zum anderen, damit Dinge, die kaputtgehen bei uns kaputt gehen und nicht beim Kunden. Bis heute haben wir – toi toi toi – noch kein einziges Modul zurückbekommen, weil es einen Defekt hatte. Auch da sind wir ein bisschen stolz drauf!
And.Ypsilon von den Fantastischen Vier über The Spirit of Trumansburg M1 von Synth-Werk:
„Ich musste ihn leider kaufen! – Gerhards Großtat besteht darin, dass er den originalen 901 Oszillator von Bob Moog tatsächlich stimmstabil bekommen hat. Natürlich braucht er auch seine 4 Stunden Aufwärmzeit, aber danach ist es eigentlich kein Vergleich mehr zum Original, welches sich bereits nach dem Spielen verschiedener Tonhöhen verstimmte. Dass Gerhard das geschafft hat, ohne die ursprüngliche Schaltung des 901 zu verändern, grenzt dabei fast an Zauberei! Nur durch Anpassung des Platinendesigns hat er es letztlich hinbekommen, die temperaturbedingte Instabilität dieses supergeilen Oszillators in den Griff zu bekommen, der die für meine Begriffe musikalischste Rechteck-Wellenform überhaupt produziert. Neben diesem Traum-Oszillator erhält man mit dem SYNTH-WERK System zudem auch noch die erstklassigste High-End-Ausgabe eines Moog-Ladder-Filter, die ich je gehört habe. „The Spirit of Trumansburg“ spielt insgesamt einfach in seiner ganz eigenen Liga!“
Das heute offiziell veröffentlichte M2-System ist direkt über SYNTH-WERK zu einem Preis von 5.300,– Euro (exkl. MwSt.) erhältlich.
№5/6 2017
- Editorial
- Facts & Storys
- Modular Kolumne
- EVANESCENCE
- Im Gespräch mit Lars Eidinger
- HÄMMERN MIT DEN GRANDBROTHERS
- Reisen & Neuanfänge: Lucy Rose
- Keys4CRO: Tim Schwerdter
- Klangbastler Enik & Werkzeugmacher Gerhard Mayrhofer
- Bei Klavis in Brüssel
- BACK TO THE ROOTS: AKAI MPC X
- Dexibell Combo J7
- DICKES BRETT: POLYEND SEQ
- Mr. Hyde & Dr. Strangelove jagen Dr. No
- Visionäre: MIDI In My Head!
- DIE ELKA-STORY
- Transkription: Michael Wollny
- Impressum
- Inserenten, Händler
- Das Letzte − Kolumne
Und ich dachte immer, in Trumansburg wäre Moog Music eine Ladenfront gewesen und erst der Umzug nach Williamsville und danach nach Buffalo hätte größere Räumlichkeiten mit sich gebracht (ehemalige Gelatinefabrik).