SynthLab – der einfache Weg zum Modularsystem Vol.1
Muss ein Hardware-Modularsystem groß, teuer und kompliziert sein? Keineswegs! KEYBOARDS zeigt, wie ein modernes Modularsystem sinnvoll geplant und nach individuellen Anforderungen zusammengestellt wird.
Weder Synthesizer-Enthusiasten noch Technikfreaks können sich der Faszination eines Hardware-Modularsynthesizers entziehen. Die Begeisterung geht jedoch bisweilen mit einer gewissen Berührungsangst einher: Kann ich damit überhaupt umgehen? Ist das nicht total retro? Muss ich dafür Haus und Hof verkaufen? Diesen Fragen wollen wir auf den Grund gehen und dabei die Planung eines individuellen Modularsynthesizers problemlos nachvollziehbar machen.
Worin liegt der Reiz eines Modularsynthesizers? Viel entscheidender als die zweifellos faszinierende Optik ist die Möglichkeit, sich abseits von austauschbaren Konzepten und Preset-Klängen auf spielerische und höchst kreative Weise mit den Geheimnissen der Klanggestaltung zu beschäftigen und sich mit Sounds zu belohnen, die einzig einem selbst zur Verfügung stehen. Im Gegensatz zur „Black Box“ Computer lässt sich jeder Signalweg und jede Modulation optisch und haptisch erfassen – Klänge werden buchstäblich (be)greifbar, Plug&Play ist wörtlich zu nehmen!
KEYBOARDS 02/03 2016 – Modulare Welten
Die Zukunft ist patchbar! In der neuen KEYBOARDS-Ausgabe dreht sich diesmal alles um das Thema Modular Synthesizer. Dazu gibt es mit dem beiliegenden Modular Synthesizer Guide zusätzlich noch ein 16-seitiges Extra mit Infos zu den gängigen Systemen und einer umfassenden Herstellerübersicht.
Neben einem umfassenden Bericht zur neuen Messe Superbooth16, welche dieses Jahr zum ersten Mal ihre Tore in Berlin öffnete, geben wir euch in unserem Modular Synthesizer Special von KEYBOARDS einen tiefen Einblick in die aktuelle Modular-Szene. Unter Anderem stellen wir das junge und innovative Unternehmen Bastl Instruments aus Tschechien vor und werfen einen intensiven Blick auf die Wiederauflage des legendären Moog System 15. Zudem lassen wir den Synthesizer-Pionier Morton Subotnick sowie den aus Chicago stammenden Modular-Gothic-Künstler Surachai zu Wort kommen.
Mit einem Besuch bei Volker Müller im Studio für Elektronische Musik Köln tauchen wir ab in die Frühzeit der Modularen Synthese und in die Arbeitsweisen von Avantgardisten wie Karlheinz Stockhausen. Außerdem trafen wir uns mit dem Grandseigneur der Elektronischen Musik Jean-Michel Jarre um über Modular-Synthese, Live-Equipment und seine Kollaboration mit Edward Snowden zu sprechen.
Darüber hinaus besuchten wir Martin Höwner von Synthtaste in seiner exklusiven Restaurations-Werkstatt für Vintage-Synthesizer. In unserer Serie Vintage Park widmen wir uns diesmal dem aus Hawai stammenden Modular-Exoten Paia 4700.
Mit Reaktor 6 Blocks von Native Instruments befassen wir uns in der aktuellen Ausgabe unsres Magazins auch mit der Software-Seite der Modular-Synthese und den neuen damit verbundenen Möglichkeiten. Außerdem gedenken auch wir dem unvergessenen Prince Rogers Nelson mit einer exklusiven Transkription seines Klassikers Purple Rain.
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Die nicht abreißende Retrowelle hat in den vergangenen Jahren eine wachsende Anzahl hauptsächlich kleinerer Herstellerfirmen entstehen lassen, die von Brot- und Butter-Modulen bis zum hoch spezialisierten Freaktool eine riesige Auswahl in allen Preiskategorien zur Verfügung stellen. Heute existieren weit mehr Modulhersteller als in den 70er-Jahren. Zudem gibt es kompetente Fachgeschäfte wie etwa Schneiders Laden in Berlin. Die Verfügbarkeit war noch nie so einfach wie heute.
Aktuelle Modularsynthesizer sind keineswegs auf Analogtechnik beschränkt. Nichts ist leichter, als analoge und digitale Welten kreativ zu kombinieren. Zudem bieten sich interessante Möglichkeiten, den Modularsynthesizer von heute in ein Computer-Setup zu integrieren – retro war gestern.
Ein Modularsynthesizer lebt von der verlockenden Option, sich ständig verändern zu lassen. Gerade deshalb ist es sinnvoll, vor dem Start in die Modularwelt ein paar grundsätzliche Überlegungen anzustellen und entsprechende Entscheidungen zu treffen. Nachfolgend wollen wir für das „Bauvorhaben” Modularsynthesizer eine einfache Einstiegshilfe liefern.
Formatfragen
Welches System ist das passende? Heute existieren als wesentliche Bauformate das Eurorackund das 5-HE-System (s. Kästen). Wer seinen Traum-Synthesizer in einem alt-ehrwürdigen Moog-Modular sieht, wird sich mit einem 5-HESystem diesem Ideal maximal weit nähern und ggf. die klassische Ausstattung um einige moderne Elemente ergänzen. Mit der etwas komplizierten Gehäusesituation wird man sich in einem solchen Fall arrangieren und eine individuelle Lösung entwickeln (lassen). Wer gerne selbst bastelt und zudem die Bedienelemente eines Eurorack-Moduls grundsätzlich als zu fummelig empfindet, sollte sich ebenfalls ein 5-HE-System näher anschauen.
Das Eurorack-System macht dank der unproblematischen Kompatibilität der Hersteller untereinander und dem großen Angebot an vorgefertigten Gehäusevarianten den Einstieg in die Welt der Modularsynthesizer maximal einfach. Zudem ist ein Eurorack-System vergleichsweise platzsparend. Dem gegenüber steht ein wesentlich dichter bepacktes und weniger übersichtliches Bedienfeld. Wer den Miniklinken-Patchkabeln des Euro-Systems skeptisch gegenübersteht, wird zumindest bei der Verwendung von hochwertigen Modulen und Kabeln eines Besseren belehrt. Der wahrscheinlich wichtigste Pluspunkt des EurorackSystems ist jedoch die riesige und ständig wachsende Modulauswahl, die auch für Spezialisten keine Wünsche offen lässt.
Möchte man beide Systeme kombinieren, empfiehlt sich unbedingt die Anschaffung von zwei separaten Gehäusen. Steuerspannungen, Gate-Signale und Skalierungen sind problemlos kompatibel.
Der Umfang eines Modularsystems wird nicht zuletzt von Platzverhältnissen und Etat entschieden. Ein Basissystem mit der Funktionalität eines Minimoogs lässt sich schon in einer 19″-Euromodul-Reihe bequem unterbringen. Ein sinnvoll durchdachtes, zwei- oder gar dreireihiges System kann mit hochkomplexen und äußerst vielseitigen Klangmöglichkeiten aufwarten. Einer späteren Erweiterung stehen keine technischen Hürden im Wege.
HE und TE
Modulmaße Während die Bauhöhe der Module in Rack-Höheneinheiten (1 HE = 4,7 cm) angegeben wird, gilt für die Breite von Eurorack-Modulen das Maß „TE“ (Teileinheit; 1 TE = 5,08 mm). Euro-Module besitzen üblicherweise eine Mindestbreite von 2 TE.
Ein 19″-Rack-Rahmen bietet die nutzbare Breite von 84 TE – in der Praxis Platz für etwa 8 bis 10 durchschnittlich breite Euro-Module. Die Breite bei 5-HE-Systemen wird in „Units“ angegeben (1 U = 1,17″ = 4,5 cm). Die Breite einzelner Module beträgt grundsätzlich ein Vielfaches dieses Maßes. In ein 19″-Rack passen somit 9 U oder 4 bis 5 durchschnittlich große Module. Auch die Einbautiefe der Module sollte bei der Gehäuseplanung nicht vergessen werden: In Ausnahmefällen passen manche Module nicht in ein flaches Koffer- oder Pultgehäuse.
Das Eurorack-System
Das Eurorack-System wurde von Döpfer und Analogue Systems nahezu zeitgleich ins Leben gerufen. Mit einer Bauhöhe von 3 HE ist es vergleichsweise kompakt, die Modulauswahl ist mittlerweile schier unüberschaubar (über 300 Module). Sie deckt alle erdenklichen Preisregionen ab und wächst ständig. Neben klassischer Analogtechnik finden sich höchst interessante digitale Anwendungen für Sounderzeugung und Steuerung sowie unzählige „Helfer“.
Döpfer hat mit seinem A-100 System einen technischen Standard geschaffen, an dem sich nahezu alle Hersteller orientieren. So ist eine problemlose Kompatibilität auf mechanischer und elektrischer Seite gegeben: Jedes Modul des Herstellers „X“ lässt sich in einem Gehäuse des Herstellers „Y“ unterbringen. Die Betriebsspannung von ±12 V ist ebenfalls allgemeingültig. Bei eventuellen Inkompatibilitäten – etwa aufgrund unterschiedlicher Steckerformate der Kabelverbindungen zwischen Busplatine und Modul oder bei geringen Abweichungen der Frontplattenbreite – helfen Adapter bzw. passende Blindplatten. Döpfer und Analogue Systems bieten eine reiche Auswahl an Gehäusen in Rack-, Caseund Möbelform, darüber hinaus auch Selbstbaumaterial und fertig konfigurierte Systeme – perfekt für den problemlosen Einstieg in jeder Größenordnung.
Erwähnung finden sollten auch die sogenannten „Frac-Rack“-Module. Dabei handelt es sich um die US-Version des 3-HE-Formats. Sie sind für eine Versorgungsspannung von ±15 V ausgelegt, arbeiten aber in aller Regel auch mit ±12 V. Die Frontplattenabmessungen sind identisch, man sollte allerdings sicherstellen, dass die Platine des entsprechenden Moduls in die Öffnung eines europäischen Racks passt (max. 11,2 mm lichte Weite).
5-HE-System
Das 5-HE-Format geht auf Bob Moogs UrSynthesizer aus den 60er-Jahren zurück. Ein knappes Dutzend aktueller Hersteller hat sich diesem System verschrieben (z. B. MOTM, Synthesizers.com, Moon Modular, Club of the Knobs, Curetronic), zudem existieren mehrere semiprofessionelle Selbstbauprojekte. Sie alle orientieren sich mehr oder weniger akribisch an Funktionalität und Look der Moog-Module.
Die Auswahl ist recht umfangreich, jedoch eher auf klassische Analogtechnik beschränkt und damit konservativer als beim EurorackSystem. Vor allen die Hersteller MOTM und Synthesizers.com genießen in den USA eine recht große Verbreitung. Hierzulande pflegen sie, wie das 5-HE-System im Allgemeinen, eher ein Nischendasein und müssen daher ggf. direkt in den USA bezogen werden.
Die Spannungsversorgung nutzt entweder ±12 bis ±15 V oder den Moog-Standard – 6/+12 V (Synthesizers.com). Einige Hersteller bieten entsprechende Adapter oder Umbauten an, um Austauschbarkeit zu ermöglichen. Die Module sind mechanisch weitgehend kompatibel, allerdings existiert kein genormtes Befestigungssystem wie im Eurorack. Zudem werden hierzulande derzeit keine vorgefertigten Gehäuse vertrieben. Man ist also auf individuelle Lösungen angewiesen.
Exoten
Neben den etablierten Systemen finden sich noch immer die beiden Klassiker Serge und Buchla. Deren Module und Baugruppen messen 4 HE und lassen sich demnach nicht in gängige Systeme integrieren. Zudem arbeiten Buchla-Synthesizer mit einer von der Oktave/Volt-Norm abweichenden Skalierung. Allerdings existieren zahlreiche Kopien besonders ausgefallener Module beider Hersteller.
Buchtipp – Das große Buch zum Doepfer A-100
Derzeit allerdings maximal auf dem Gebrauchtmarkt zu ergattern, da vergriffen.
Einsteigern und Experten in Sachen A-100 empfiehlt sich „Das große Buch zum Doepfer A-100“, das soeben im Ideenhase Verlag erschienen ist. Auf über 300 Seiten erklärt Andreas Krebs systematisch die Funktionsweise aller aktuellen Module des A-100. Dabei verzichtet der Autor auf trockene technische Abhandlung, sondern deutet auf die musikalischen Anwendungen der Module, was sich schon an Kapitel- überschriften zeigt, wie z. B. „Modulatoren – Klänge werden bewegt“, „Klangverbieger“ oder etwa „Mischen, verstärken, verteilen“. Sehr schön auch das Kapitel „Merkwürdige, aber hilfreiche Module“, mit denen Andreas Krebs zeigt, wie man z. B. rhythmische Variation mit einem Sequenzer durch Einsatz eines Dual-Trigger-Delays erzielen kann. Zu vielen Anwendungen und Sound-Ideen gibt es Patch-Beispiele, die gut beschrieben und leicht nachvollziehbar sind. Damit ist das Buch nützlich nicht nur für A-100- User, die es gerne als Referenz einsetzen werden, sondern grundsätzlich für alle interessierten Klangforscher. Lohnende Anschaffung.